Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Hörgeräteversorgung. Kostenerstattung über den Festbetrag hinaus. keine Abschläge für Messungenauigkeiten oder Schwankungen bei der Anwendung des Freiburger Sprachtests

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 25. März 2021 aufgehoben und der Bescheid der Beklagten vom 28. September 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2017 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin weitere Kosten i.H.v. 2.620,00 € zu erstatten.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das gesamte Verfahren. Die Beigeladene trägt ihre Kosten selbst.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Erstattung der der Klägerin angefallenen Kosten für die beidseitige Versorgung mit Hörhilfen.

Die 1967 geborene, als Dialyse-Schwester tätige Klägerin leidet unter einer gering- bis mittelgradigen Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits sowie einem chronisch kompensierten Tinnitus aurium. Sie stellte unter dem 13. September 2016 (Eingang am 15. September 2016) bei der Beklagten einen Antrag auf Übernahme der Kosten für die beidseitige Versorgung mit Hörgeräten der Firma ..., Modell Unique 440 Passion. Zur Begründung führte sie aus, nach einem Hörsturz leide sie unter einem immer stärker werdenden beidseitigen chronischen Tinnitus. Im Rahmen der an der C erfolgten Therapie sei ihr das Tragen von Hörgeräten empfohlen worden. Im Rahmen der Anpassungsphase habe sie Geräte verschiedener Hersteller ausprobiert. Erst nach Anprobe mit einem High End Hörgerät, welches den Frequenzverlauf ihres Hörverlustes in 15 Frequenzkanälen aufarbeite, habe ihre chronische Tinnitusbelastung reduziert werden können. Es handele sich hierbei um das Modell Unique 440 Passion. Zudem habe sie anlagebedingt sehr kleine Ohren, weshalb größere Geräte Beschwerden verursachten. Während ihres Berufsalltags in einer medizinischen Dialysepraxis nehme sie dank dieser Hörgeräte den chronischen Tinnitus gar nicht mehr wahr. Bei ihrer Arbeit sei sie darauf angewiesen, verschiedene Geräusche von Maschinen und vitalen Lebensfunktionen in der Nacht und am Tage wahrzunehmen. Die aus verschiedenen Richtungen kommenden Geräusche mit unterschiedlichen Alarmfunktionen zu erkennen, ermögliche erst eine sichere Betreuung der Patienten. Beigefügt war ein Anpass- und Abschlussbericht des Hörakustikers - vorläufige Anpassdokumentation - vom 5. September 2016 über die Testung des vorgenannten Gerätes (Positionsnr. 13.20.12.3189 des Hilfsmittelverzeichnisses) sowie des Hörgerätes der Firma Hansaton, Typ flow 2-312 M HdO (Positionsnr. 13.20.12. 2504 des Hilfsmittelverzeichnisses). Danach ergaben sich Messwerte im Freifeld bei Nutzschall 65 dB: ... 95%, Hansaton 90% sowie im Freifeld bei Nutzschall 65 dB und Störschall 60 dB: ... 65%, Hansaton 60%. Ferner überreichte sie die ohrenärztliche Verordnung vom 17. September 2015 (Diagnose: chronischer Tinnitus; Notwendigkeit beidseitiger Hörhilfen zur Teilmaskierung). Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Hörakustik-Meisterin G am 23. September 2016 mit, es seien insgesamt sechs Hörgeräte getestet worden. Ergänzend bekräftigte sie am 6. Februar 2017, dass die Anpassung abgeschlossen sei.

Nachdem bei der Beklagten am 27. September 2016 eine Kostenaufstellung vom 5. September 2016 über einen Gesamtbetrag i.H.v. 6.287,02 € (zwei Versorgungspauschalen ... Unique 440 U4-PA inklusive Hörer i.H.v. jeweils 2.995,00 €, zwei Plastiken für externe Hörer i.H.v. jeweils 33,50 € sowie zwei Reparaturpauschalen i.H.v. jeweils 125,01 €, abzüglich gesetzlicher Zuzahlung i.H.v. 20,00 €) eingegangen war, teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 28. September 2016 mit, sie beteilige sich mit 675,00 € bzw. 522,00 € zuzüglich zweimal 33,50 € Vergütungspauschale für Ohrpassstücke sowie zweimal 125,01 € Reparaturpauschale an den Kosten für die Hörgeräteversorgung. Da die Klägerin angegeben habe, dass ihre berufliche Tätigkeit besondere Anforderungen an ihr Gehör stelle und sie deshalb auf die beantragten Hörgeräte angewiesen sei, seien die Antragsunterlagen an die Beigeladene weitergeleitet worden. Diese werde ihr mitteilen, ob sie die Mehrkosten der Hörgeräteversorgung im Rahmen der Teilhabe am Arbeitsleben übernehme.

Entsprechend ihrer Ankündigung leitete die Beklagte unter demselben Datum den Antrag der Klägerin an die Beigeladene mit der Bitte um Prüfung weiter, ob die weiteren Kosten als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) übernommen würden. Dies wurde von der Beigeladenen mit Schreiben vom 10. Oktober 2016 sowohl gegenüber der Beklagten als auch der Klägerin verweigert.

Gegen die Entscheidung der Beklagten vom 28. September 2016 legte die Klägerin Widerspruch ein, zu dessen Begründung sie ausführte, dass die Beklagte verpflichtet sei, sie auch über den Festbetrag hinaus mit Hörgeräten zu versorgen, die zu einer Teilmaskierung des vorhandenen Tinnitus geeignet seien. ...

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