Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung der betrieblichen von der eigenwirtschaftlichen Betätigung des Versicherten zur Anerkennung eines Unfallereignisses als Arbeitsunfall

 

Orientierungssatz

1. Zur Anerkennung eines Unfallereignisses als Arbeitsunfall nach § 8 Abs. 1 SGB 7 muss u. a. ein innerer bzw. sachlicher Zusammenhang gegeben sein, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Dabei stehen Überlegungen nach dem Zweck des Handelns im Vordergrund.

2. Bei der Teilnahme eines Krankenhausarztes an einer Fortbildungsmaßnahme kommt Versicherungsschutz dann in Betracht, wenn die Teilnahme darauf ausgerichtet ist, eine Verbesserung der beruflichen Leistungsfähigkeit im erlernten und ausgeübten Beruf zu erreichen.

3. Existiert zu einer Veranstaltung weder ein Tagungsprogramm noch gibt es Unterlagen über den Verlauf der Veranstaltung, ist die Veranstaltung vielmehr geprägt durch die Pflege kollegialer Beziehungen, so ist eine solche Veranstaltung nicht der betrieblichen Tätigkeit zuzuordnen.

4. Dient eine Veranstaltung ganz oder überwiegend eigenwirtschaftlichen oder privaten Belangen, stehen dabei gemeinschaftsfördernde, gesellige oder finanzielle Interessen im Vordergrund, so ist die Veranstaltung nicht als betrieblichen Zwecken dienende, sondern als unversicherte privaten Zwecken dienende Veranstaltung zu werten.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Februar 2002 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Entschädigung des Ereignisses vom 12. März 2000 als Arbeitsunfall.

Der 1947 geborene Kläger ist seit Januar 1986 als Oberarzt in der Neurochirurgischen Klinik der C tätig. Er hat mit der Firma A, die u.a. Ventile für Hydrocephaluserkrankungen herstellt, einen Beratervertrag abgeschlossen, aufgrund dessen ihm die Firma nach seinen Angaben Zuschüsse für die Teilnahme an ein bis zwei Kongressen im Jahr zahlt und im Gegenzug dafür von ihm erwartet, dass er die Produkte dieser Firma in seinen Referaten erwähnt, ohne dass er dazu verpflichtet ist.

Vom 08. bis 10. März 2000 nahm der Kläger an dem Kongress “Hydrocephalus - Beyond 2000„ teil, der in S/A stattfand und bei dem der Kläger am Freitag, den 10. März 2000, einen Vortrag hielt. Zum Organisationskomitee des Kongresses gehörte unter anderem Dr. Ch T, der für das wissenschaftliche Programm zuständig war. Der Arbeitgeber des Klägers hatte diesem zuvor die Genehmigung für eine Dienstreise für die Zeit vom 05. bis 15 März 2000 erteilt. Das Dienstgeschäft selbst, so die Bescheinigung der C vom 09. August 2000, werde vom 06. März 2000, 18 Uhr, bis 10. März 2000, 16 Uhr, genehmigt. Vom 11. März bis 15. März 2000 werde ein privater Aufenthalt/Urlaub genehmigt, d.h. dieser Teil werde als Freizeitteil innerhalb der Dienstreise von der Qualifizierung als Dienstreise ausgenommen. Eine Kostenerstattung durch den Arbeitgeber erfolge zwar nicht, dem Kläger werde jedoch eine Zuwendung von Dritten in Höhe von 1600.- DM genehmigt. Im Anschluss an den Kongress in Sydney wurde der Kläger von Dr. T eingeladen, in H V, einem Ort drei Stunden nördlich von S, in der Zeit vom 11. bis 13. März 2000 an einer Satellitenkonferenz teilzunehmen. Aus einer Bescheinigung des Dr. T vom 18. Juli 2000 ergab sich, dass das Treffen dazu diente, die Ergebnisse der Konferenz in S in einem mehr informellen Rahmen zu diskutieren. Vorsitzende der Satellitenkonferenz seien er selbst und Dr. H R, der Präsident der I SPN. An diesem Treffen nahm der Kläger teil.

Am 12. März 2000 erlitt der Kläger einen Unfall, als er auf dem Weg zu einem außerhalb gelegenen Hotel, in dem ein Mittagessen stattfinden und über fachliche Dinge gesprochen werden sollte, verunglückte. Der Weg zu diesem Hotel sollte mit einem Bus oder mit von dem Veranstalter gemieteten Motorrädern zurückgelegt werden. Der Kläger, der sich für die Fahrt mit dem Motorrad entschied, verlor die Kontrolle über die Maschine und fiel mit ihr auf sein rechtes Bein. Er zog sich bei dem Unfall ein Polytrauma mit Tibiakopfluxationsfraktur (L5 nach Moore) rechts, eine Unterschenkel-Mehretagen-Fraktur rechts sowie eine Scapulafraktur rechts, Thoraxprellung rechts und Schulterprellung zu. Die Verletzungen wurden in A mit der Anlage eines Isarov-Fixateurs und Verschraubung der Tibiakopfluxationsfraktur behandelt. Am 29. März 2000 erfolgte der Rücktransport nach Deutschland (Durchgangsarztbericht von Prof. Dr. H vom 31. März 2000). Aus dem Zwischenbericht der C vom 05. Mai 2000 über den stationären Aufenthalt vom 29. März bis 26. April 2000 ergab sich außerdem ein traumatischer Inlayverlust Zahn 1/8.

Nach Einholung von Auskünften durch die C und den Kläger selbst forderte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 19. September 2000 zur Erstattung der Kosten für Arznei und Heilmittel in Höhe von 340,51 DM (174,10 Euro) auf. Zur Begründung führte sie aus, ein Arbeitsunfall im Sinne der gesetzli...

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