Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Zulässigkeit. Normenfeststellungsklage. Regelung Nr 31 in Anlage III der Arzneimittelrichtlinien zur Unwirtschaftlichkeit von Arzneimitteln. Verstoß gegen höherrangiges Recht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Streit über die richtige Auslegung einer Vorschrift mit dem Normgeber ("Interpretationsfeststellungsklage") ist nur dann zulässig, wenn der Normgeber entweder an der Umsetzung der von ihm erlassenen Rechtsvorschrift beteiligt ist oder aber seine Auslegung bzw die an seine Stelle im Feststellungsprozess tretende Rechtsauffassung des Gerichts für die Normunterworfenen verbindlich ist. Anderenfalls handelt es sich um eine unzulässige abstrakte Feststellungsklage, die mit der abstrakten Normenkontrolle eng verwandt ist, die im SGG keine Rechtgrundlage findet.

2. Nr 31 Anlage III AMRL verstößt wegen seiner Anwendbarkeit auf homöopathische Arzneimittel gegen höherrangiges Recht.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 14.12.2011; Aktenzeichen B 6 KA 29/10 R)

 

Tenor

Es wird festgestellt, das Nr. 31 Anlage III AM-RL in der seit dem 1. April 2009 geltenden Fassung rechtswidrig und damit nichtig ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten tragen die Kosten des Rechtsstreits jeweils zu ½.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den Ausschluss von Monapax® Saft und Monapax® Tropfen aus der Versorgung für versicherte Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr und für versicherte Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr mit Entwicklungsstörungen.

Die Klägerin ist ein mittelständisches pharmazeutisches Unternehmen. Sie vertreibt vorwiegend nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel, vor allem zur Anwendung bei Erkältungskrankheiten. Dazu gehören auch Monapax® Saft und Monapax® Tropfen, für die die Klägerin die arzneimittelrechtliche Zulassung besitzt.

Monapax® Saft ist nach der Fachinformation vom Februar 2009 ein homöopathisches Arzneimittel bei Erkältungen der Atemwege. Als Anwendungsgebiete werden Husten jeder Ursache, auch Keuchhusten und Bronchialkatarrh genannt. Monapax® Saft setzt sich aus den Wirkstoffen Drosera, Hedera helix, China, Coccus cacti, Cuprum sulfuricum, Ipecacuanha und Hyoscyamus, sowie den sonstigen Bestandteilen Sorbitol, Xanthan Gum, Ethanol, Kaliumsorbat, Anisöl, Saccharin-Natrium, Citronensäure-Monohydrat und gereinigtem Wasser zusammen und enthält 3,9 Vol.-% Alkohol. Unter der Rubrik pharmakologische Eigenschaften wird das Arzneimittel der pharmakotherapeutischen Gruppe der homöopathischen und anthroposophischen Antitussiva und Expektorantien zugeordnet: Drosera und Cuprum sulfuricum seien vor allem bei Keuchhusten und nächtlichem Krampfhusten therapeutisch wirksam. Coccus cacti, Hedera helix und Ipecacuanha nähmen Einfluss auf entzündliche Geschehen im Bereich der Atemwege einschließlich der Bronchitis und verbesserten die Expektoration. China wirke in erster Linie bei fiebrigem Husten und Hyoscyamus beeinflusse nervös bedingten Husten und Reizhusten.

Auf der Grundlage der von der Kommission D beim Bundesinstitut für Arzneimittelwesen und Medizinprodukte (BfArM) erstellten Aufbereitungsmonographien sind den in Monapax® Saft enthaltenen Wirkstoffen u.a. folgende Krankheitsbilder zugeordnet:

Drosera :       

Entzündungen der Atemwege und besonders Keuchhusten (BAnz.: 22.11.1985)

Hedera helix :  

Akute Entzündungen der Atemwege (BAnz.: 12.2.1986/8.3.1990).

China :       

Fieberanfälle; Entzündungen der Atemwege; allgemeine Entkräftung (Banz.: 16.6.1987/8.3.1990)

Coccus cacti :       

Entzündungen des Nasen-Rachen-Raumes, der Atemwege (BAnz.: 22.11.1985)

Cuprum sulfuricum :       

Krämpfe der Muskulatur, nächtlicher Krampfhusten (BAnz.: 12.2.1986/ 8.3.1990

Ipecacuanha :       

Bronchitis, Bronchialasthma, Keuchhusten (BAnz.: 19.9.1985)

Hyoscyamus :  

Spastische Zustände der Atemwege, Krampfzustände der Atemwege (BAnz.: 19.9.1985).

Im Juni 1978 zeigte die Fa. A. GmbH Monapax® Saft gemäß Art. 3 § 7 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts (AMNG) an und stellte am 27. Dezember 1989 zunächst den Antrag auf Verlängerung der Zulassung sowie am 13. April 1993 den so genannten Langantrag. Diesen Antrag auf Nachzulassung gemäß § 105 Abs. 5c des Arzneimittelgesetzes (AMG) nahm sie im November 1995 zurück. Nach Übergang der fiktiven Zulassung auf die A.P. GmbH stellte diese am 23. Januar 2001 einen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens und legte die “Erklärung zum Einreichen von Unterlagen gemäß 10. Änderungsgesetz zum AMG" vor. Darin beantragte sie eine Verlängerung der Zulassung nach §§ 105 Abs. 4a, 22 Abs. 3 AMG. Gutachten zur Pharmakologie/Toxikologie und zur Klinik sowie entsprechende Dokumentationsunterlagen waren beigefügt. Das BfArM rügte zunächst mit Schreiben vom 10. März 2003 gegenüber der A.P. GmbH Mängel der vorgelegten Unterlagen und lehnte mit Bescheid vom 14. Dezember 2005 den Antrag auf Verlängerung der Zulassung ab. Zur Begründung führte es u.a aus: Das Arzneimittel sei nicht nac...

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