Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Rentenversicherung. Entschädigungsrente. Verfolgter des Nationalsozialismus. Beitrittsgebiet. DDR. rechtsstaatswidrige Verweigerung

 

Orientierungssatz

1. Die Neubewilligung einer Entschädigungsrente nach § 3 ERG (Entschädigungsrentengesetz) bezweckt eine Gleichstellung vor allem der NS-Verfolgten im Beitrittsgebiet, denen die DDR ein Recht auf Wiedergutmachung in rechtsstaatlich unerträglicher Weise verweigert hatte, mit denjenigen, die nach § 2 ERG eine Anschlussbewilligung beanspruchen können (Vergleiche BSG, Urteil vom 30. Januar 1997 - 4 RA 33/95).

2. Gegen Grundsätze des Rechtsstaates im Sinne des Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG verstößt ein Verwaltungsakt der DDR jedenfalls dann, wenn er sich bei Würdigung seines Inhalts, der seinen Erlass begleitenden Umstände und des nicht widerlegten Äußeren Anscheins als (mutmaßlich weltanschaulich oder politisch motivierte) Willkürmaßnahme darstellt (Vergleiche BSG, aaO).

3. Es ist sachgerecht und nicht rechtsstaatswidrig, die Anerkennung als VdN (Verfolgter des Nationalsozialismus)-Hinterbliebener und sich hieraus ergebende Vergünstigungen auf solche Personen zu beschränken, die durch das Verfolgungsschicksal Angehöriger unmittelbar selbst betroffen waren mit eventuellen persönlichen, beruflichen, wirtschaftlichen oder auch privaten Nachteilen.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. September 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung einer Rente nach dem Gesetz über Entschädigungen für Opfer des Nationalsozialismus im Beitrittsgebiet vom 22. April 1992 (Entschädigungsrentengesetz - ERG).

Der 1929 geborene Kläger, der bis zur Wiedervereinigung in der DDR gelebt hat, ist der Sohn des 1892 geborenen Kaufmanns K W und seiner 1895 geborenen Ehefrau M W, geborene S, (Heirat 1930), die jedenfalls im November 1940 bereits getrennt waren und vermutlich 1941 geschieden wurden (genaues Datum der Scheidung nicht bekannt). Der Kläger lebte seit der Trennung der Eltern bei seiner Mutter. Sein Vater war im Dritten Reich mehrfach strafrechtlich verurteilt worden, u. a. 1940 wegen staatsfeindlicher Äußerungen zu neun Monaten Gefängnis, die er 1941 verbüßt hatte. 1941 wurde er - nach Angaben der Mutter des Klägers wegen politischer Äußerungen - erneut verhaftet; er starb 1942 im KZ Sachsenhausen.

Der von der Mutter des Klägers 1945 bei dem Magistrat der Stadt Berlin, Hauptausschuss “Opfer des Faschismus„ gestellte Antrag auf Anerkennung als Opfer des Faschismus (OdF) wurde 1946 abgelehnt (“...„).

1951 stellte der Kläger beim Magistrat von Groß-Berlin, Abteilung Arbeits- und Gesundheitswesen, Hauptsozialamt, Referat VdN (Verfolgte des Nationalsozialismus) einen Antrag (“...„) auf Anerkennung als VdN-Hinterbliebener. Mit Schreiben vom ... 1952 lehnte der Magistrat den Antrag des Klägers ab: Es stehe nicht sicher fest, dass die letzte Inhaftierung des Vaters aus politischen Gründen erfolgt sei; hinzukomme, dass schon vor der letzten Inhaftierung kein gemeinsamer Haushalt mehr bestanden habe. Das Schreiben enthielt den Hinweis, dass der Kläger hiergegen innerhalb eines Monats nach Zustellung Beschwerde einlegen könne. Auf den “Einspruch„ der Mutter des Klägers wies die Behörde darauf hin, dass nicht sie, sondern nur der Kläger beschwerdeberechtigt sei. Eine Beschwerde des Klägers ist nicht aktenkundig. In einem Vermerk vom 1952 heißt es, dass keine fristgerechte Beschwerde des Antragstellers vorliege, sodass die Entscheidung vom ... 1952 endgültig sei.

1996 stellte der Kläger, der in der DDR keine Leistungen als VdN bzw. VdN-Hinterbliebener bezogen hatte, einen Antrag auf Anerkennung nach dem Berliner Landesgesetz über die Anerkennung und Versorgung der politisch, rassisch oder religiös Verfolgten des Nationalsozialismus (PrVG) vom 13. April 1956 (GVBl. S. 388). Er gab als Verfolgten seinen Vater an, dessen Ermordung im KZ erhebliche Auswirkungen auf seinen Lebensweg gehabt habe. Mit Bescheid des Landesverwaltungsamtes Berlin vom 24.03.1998 wurde der Kläger als Verfolgter i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 PrVG anerkannt; mit weiterem Bescheid vom 15. April 1998 wurde ihm ab 1. Dezember 1996 aus diesem Grund eine Versorgungsleistung in Höhe von monatlich 559,00 DM gewährt. Der Bescheid enthält den Hinweis, dass für den Fall der Zahlung einer Entschädigungsrente für den gleichen Zeitraum kein Anspruch auf die PrVG-Rente besteht.

Im Juni 1998 stellte der Kläger einen Antrag auf Bewilligung einer Entschädigungsrente nach § 3 ERG bei der Beigeladenen zu 1. Diese verwies auf den im Juni 1945 gestellten Antrag auf Anerkennung als OdF, der abgelehnt worden sei. Der Kläger behauptete, dass er beim ehemaligen Magistrat von Berlin als OdF registriert worden sei und deshalb eine Akte über ihn bestehen müsse. Er legte hierzu eine Kopie des Vorgangs “A „ vor.

Entsprechend der Beschlussempfehlung der Beige...

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