Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Krankenpflegerin. Honorarpflegekraft. Dienstleistungsvereinbarung. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Abgrenzung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die regulatorischen Rahmenbedingungen für Krankenhäuser nach dem SGB V bedingen im Regelfall die Eingliederung nicht nur des ärztlichen, sondern auch des pflegerischen Krankenhauspersonals in die Organisations- und Weisungsstruktur des Krankenhauses.

2. Eine selbständige Tätigkeit einer Krankenpflegerin im sozialversicherungsrechtlichen Sinne kommt deshalb nur ausnahmsweise bei Vorliegen gewichtiger Indizien für eine solche Tätigkeit in Betracht.

 

Orientierungssatz

Zwingende Regelungen des Sozialversicherungsrechts können nicht dadurch außer Kraft gesetzt werden, dass Arbeitsverhältnisse als Honorartätigkeit bezeichnet werden.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Februar 2016 geändert und neu gefasst:

Der Bescheid der Beklagten vom 19. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Januar 2015 wird geändert. Es wird festgestellt, dass die Klägerin in ihrer Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) in den Zeiten vom 09. November bis 10. November 2013, 30. November 2013, 01. Dezember 2013, 05. Dezember 2013 bis 06. Dezember 2013, 25. Dezember 2013 bis 26. Dezember 2013, 29. Dezember 2013, 01. Januar 2014, 18. Januar 2014 bis 19. Januar 2014, 28. März 2014 bis 29. März 2014, 09. Mai 2014, 12. Mai 2014, 15. Mai 2014, 17. Mai 2014, 28. Mai 2014, 06. Juni 2014, 08. Juni 2014, 20. Juni 2014, 22. Juni 2014 und 28. Juni 2014 nicht der Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

Insoweit wird die Berufung zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin 1/5 ihrer außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin in allen Zweigen der Sozialversicherung wegen Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1) an einzelnen Tagen zwischen dem 25. Oktober 2013 und dem 28. Juni 2014 versicherungspflichtig war.

Die Beigeladene zu 1) betreibt als Krankenhausträger im Land Brandenburg u.a. ein Neurologisches Fachkrankenhaus für Bewegungsstörungen/Parkinson, ein Fachkrankenhaus für neurologische Frührehabilitation sowie eine Neurologische Rehabilitationsklinik als Plan- bzw. Vertragskrankenhäuser in B. Da im streitigen Zeitraum keine (weiteren) Fachkräfte zur Festanstellung zu finden waren, behalf sie sich zur Schließung von Personalengpässen zunächst mit Leiharbeitnehmern und dann mit Honorarkräften.

Die 1967 geborene Klägerin ist examinierte Krankenpflegerin. Sie war aufgrund eines im März 2013 abgeschlossenen Arbeitsvertrages befristet vom 15. April 2013 bis zum bis zum 30. April 2014 als telemedizinische Assistentin in der Medizinischen Klinik für Kardiologie der C nach dem Arbeitsvertrag vollschichtig und danach in Teilzeit (Arbeitsbescheinigung vom 30. April 2015) sowie darüber hinaus bei der M.m-G für medizinisches Personalmanagement mbH ab 01. Februar 2013 als Zeitarbeitskraft in Minijobs abhängig beschäftigt. Darüber hinaus ließ sich die Klägerin auf einem Online-Portal einer Vermittlungsagentur für selbständige medizinische Fachkräfte, die deutschlandweit arbeitet, registrieren.

Die Klägerin erbrachte im Auftrag der Beigeladenen zu 1) für diese Leistungen der stationären Krankenpflege (Grund- und Behandlungspflege) in den Kliniken für neurologische Frührehabilitation und in der neurologischen Rehabilitationsklinik. Dazu schlossen beide, beginnend mit dem 25. Oktober 2013 bis zum 28. Juni 2014, inhaltlich im Wesentlichen gleichlautende Dienstleistungsvereinbarungen (DV) über entsprechende einzelne Tätigkeitszeiträume für einen oder mehrere Einsatztage. Als „Auftraggeber“ genannt waren nach den Einzel-DV die Kliniken B GmbH bzw. die Kliniken B GmbH Neurologische Rehabilitationsklinik. Die Auftragsvergabe für die Einzeleinsätze erfolgte, indem sich die Klägerin auf dem Online-Portal auf Auftragsangebote, d.h. einzelne zeitlich näher bestimmte Einsätze, meldete, welche die Beigeladene zu 1) ihrerseits dort zuvor eingestellt hatte. Die Vermittlungsagentur gab die Meldungen der Klägerin an die Beigeladene zu 1) weiter, diese vereinbarte dann via E-Mail oder Telefon mit der Klägerin die Einsatztermine. Danach schloss die Beigeladene zu 1) dann mit der Klägerin die schriftlichen Verträge über die Einsätze.

In den schriftlichen DV verpflichtete sich die Klägerin zur eigenständigen und eigenverantwortlichen Planung, Durchführung und Dokumentation und Überprüfung häuslicher und/oder stationärer Krankenpflege (und/oder Altenpflege) der zu pflegenden Patienten ggf. in Kooperation mit angestellten Pflegedienstmitarbeiterinnen und - mitarbeitern gemäß der Verordnungen für häusliche Krankenpflege sowie der behandelnden Ärzte der Patienten/Patientinnen. Sie war nicht v...

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