Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankengeldanspruch. Nichterweislichkeit der Arbeitsunfähigkeit. Beweislast zum Nachteil des Versicherten. AU-Bescheinigung. Depression

 

Leitsatz (amtlich)

Lässt sich der Nachweis von Arbeitsunfähigkeit nicht erbringen, wirkt sich die Beweislosigkeit entsprechend den Grundsätzen der objektiven Beweislast zum Nachteil des Versicherten aus, dh bei Nichterweislichkeit der Arbeitsunfähigkeit kann ihm ein Anspruch auf Krankengeld nicht zustehen.

 

Orientierungssatz

Zum Leitsatz vgl BSG vom 8.11.2005 - B 1 KR 18/04 R = SozR 4-2500 § 44 Nr 7.

 

Normenkette

SGB V § 44 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Bewilligung von Krankengeld für den Zeitraum 12. September 2010 bis 2. März 2011.

Der im Jahr 1956 geborene Kläger war seit 1977 als Verwaltungsangestellter für die Agentur für Arbeit tätig, später für ein Jobcenter. Seit dem 2. September 2009 bescheinigte der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. G L dem Kläger Arbeitsunfähigkeit mit den Diagnosen F43.0 (akute Belastungsreaktion) und F33.1 (rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode). Vom 15. Oktober 2009 an erhielt der Kläger von der Beklagten kalendertägliches Krankengeld in Höhe von 32,94 Euro. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sind fortlaufend bis 3. Mai 2011 dokumentiert.

Auf Veranlassung der Beklagten stellte der Kläger sich wiederholt dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen Berlin-Brandenburg e. V. (MDK) vor, der mit Gutachten vom 30. Oktober 2009 und 4. Januar 2010 fortdauernde Arbeitsunfähigkeit des Klägers bestätigte, basierend auf der Diagnose einer mittelgradig depressiven Episode.

In einem Gutachten vom 9. April 2010, das der TÜV Rheinland, arbeitsmedizinischer Dienst, für den Arbeitgeber des Klägers erstellte, wurde der Kläger ebenfalls als fortdauernd arbeitsunfähig bezeichnet. Der Arbeitgeber riet dem Kläger hierauf noch im April 2010 zur Stellung eines Rentenantrages bei der Deutschen Rentenversicherung.

Am 25. August 2010 wurde der Kläger erneut vom MDK auf seine Arbeitsfähigkeit hin untersucht. Der Gutachter Prof. Dr. K (Facharzt für Neurologie und Psychiatrie) kam nun zur Diagnose einer Anpassungsstörung. Der Kläger habe geschildert, den Anforderungen am Arbeitsplatz nicht standhalten zu können; die Arbeit im Jobcenter belaste ihn sehr, er komme damit nicht zurecht und sei überfordert. Auch die private Situation sei belastend. Die Ehefrau leide unter einer Hepatitis-C-Infektion. Neben einem sechsjährigen Sohn gebe es einen 19jährigen Sohn, mit dem es Probleme gebe. Probleme bestünden auch mit einer Tochter der Ehefrau aus erster Ehe. Eine vom behandelnden Psychiater angeregte tagesklinische Behandlung sei nicht angetreten worden; die vom Psychiater angebotene Psychotherapie sei abgebrochen worden. Der psychische Befund habe einen klaren, zeitlich, örtlich und zur Person voll orientierten Patienten gezeigt. Formale oder inhaltliche Denkstörungen hätten sich nicht ergeben. Bei der Schilderung der Arbeitssituation und der von ihm empfundenen Rückschritte habe der Kläger ernst über seine Situation berichtet. Er habe wohl auch Probleme im Umgang mit anderen, sei jemand, der es allen Recht machen wolle, aber das werde, so der Kläger, bei seinem Arbeitgeber nicht gerne gesehen. Affektiv sei er stabil, ein sich offen und unumwunden äußernder Patient, mit guter affektiver Modulierbarkeit. Eine erworbene Hirnleistungsstörung ergebe sich nicht. Dieser psychische Befund rechtfertige eine länger dauernde Arbeitsunfähigkeit nicht. Die Belastungen am Arbeitsplatz würden dabei gesehen; inwieweit der Kläger dort unzumutbaren Bedingungen ausgesetzt sei, könne aber nicht beurteilt werden. Offen sei auch, ob er für seine Arbeit ausreichend geeignet sei und hinreichende Vorkenntnisse besitze; all dies sei jedoch kein medizinischer Gesichtspunkt und nach den langen Krankschriften sei es gerechtfertigt, klare Entscheidungen zu treffen. Es sei nicht von der Hand zu weisen, dass die jetzige Krankenschrift im Wesentlichen der Vermeidung der als belastend empfundenen beruflichen Tätigkeit diene, ohne dass sich dafür klare medizinische Gründe ergäben. Das weitere Vorgehen solle in der interdisziplinären Konferenz des MDK besprochen werden.

In einem Nachtrag zum Gutachten vom 25. August 2010 teilte Prof. Dr. K der Beklagten mit Schreiben vom 6. September 2010 mit, der Fall des Klägers sei der interdisziplinären Konferenz beim MDK vorgestellt worden. In den Blick genommen habe man den langen bisherigen Krankheitsverlauf mit den nur bedingt nachvollziehbaren Krankschriften. Die teils schwierigen Arbeitsbedingungen beim Arbeitsamt seien bekannt, es sei jedoch nicht erkennbar, dass diese außerhalb der tariflichen Anforderungen lägen. Im Ergebnis der Konferenz werde emp...

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