Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeldanspruch. Erfüllung der Anwartschaftszeit. Versicherungspflichtverhältnis. Berücksichtigung von Entwicklungsdienst. Entwicklungsdienstvertrag. Tagegeld bei Arbeitsunfähigkeit. keine Gleichstellung mit Entgeltersatzleistungen bei Arbeitslosigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Erfüllung der Rahmenfrist des § 123 SGB III aF durch Zeiten des Bezuges von Tagegeld nach § 9 Entwicklungshelfergesetz (juris: EhfG).

 

Orientierungssatz

Der Entwicklungsdienstvertrag nach § 4 EhfG ist nicht iS eines Arbeitsvertrages auf den Austausch von Leistungen - Entgelt und Arbeitskraft - gerichtet. Es handelt sich vielmehr um eine Art Garantievertrag, der im Wesentlichen den Lebensbedarf des Entwicklungshelfers durch Unterhaltsleistungen des Trägers sichert (vgl BSG vom 25.6.1991 - 1/3 RK 1/90 = SozR 3-2200 § 200 Nr 2).

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4. März 2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im gesamten Verfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) ab dem 21. November 2011.

Die 1979 geborene, geschiedene Klägerin arbeitete vom 1. Januar 2005 bis zum 14. April 2007 als Assistentin des Fraktionsgeschäftsführers der Fraktion “B„ im S Landtag und danach ab dem 15. April 2007 bis zum 31. Mai 2010 befristet für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (DGZ) als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Entwicklungsdienstes in Palästina als Entwicklungshelferin iSd § 1 Entwicklungshelfergesetz (EhfG). Ab dem 24. Mai 2010 war sie arbeitsunfähig erkrankt, die DGZ als Träger des Entwicklungsdienstes leistete für weitere sechs Wochen Unterhalt gemäß § 8 Abs. 1 EhfG. Ausweislich der Bescheinigung der Unfallkasse des Bundes vom 28. November 2011 als nach § 7 Abs. 1 EhfG iVm § 2 Abs. 5 Nr. 4 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) für die Klägerin zuständige Krankenversicherung bezog die Klägerin anschließend in der Zeit vom 5. Juli 2010 bis zum 20. November 2011 ein tägliches Tagegeld bei Arbeitsunfähigkeit gem § 9 EhfG iHv 66,09 €, Beiträge zur Sozialversicherung wurden von diesem Tagegeld nicht geleistet.

Die Klägerin meldete sich bei der Beklagten zum 21. November 2011 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Diesen Antrag lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 12. Januar 2012 mit der Begründung ab, die Klägerin sei in den letzten zwei Jahren vor dem 21. November 2011 weniger als zwölf Monate versicherungspflichtig beschäftigt gewesen und habe damit die Anwartschaftszeit gemäß §§ 123, 124 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) nicht erfüllt. Die Zeit des Bezuges von Tagegeld iSv § 9 EhfG könne nicht als versicherungspflichtige Zeit berücksichtigt werden. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und machte geltend, bei der ihr von der Unfallkasse gewährten Krankentagegeldzahlung handle es sich um eine gesetzliche Lohnersatzleistung, die nach § 26 Abs. 2 SGB III Versicherungspflicht ausgelöst habe, da unmittelbar vor Beginn dieser Leistung Versicherungspflicht der Klägerin bestanden habe. Die Zeit des Bezuges der Leistungen sei damit gem. § 123 SGB III im Rahmen der Berechnung der Anwartschaftszeit zu berücksichtigen. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 5. März 2012 als unbegründet zurück und führte aus, die Rahmenfrist umfasse den Zeitraum vom 21. November 2009 bis zum 20. November 2011, innerhalb dieser Frist habe die Klägerin nur versicherungspflichtige Beschäftigungszeiten vom 21. November 2009 bis zum 31. Mai 2010 und damit nur sechs Monate und zehn Tage nachgewiesen. Der Bezug von Tagegeld nach dem EhfG könne nicht zur Erfüllung der Anwartschaftszeit herangezogen werden, weil hierdurch keine Versicherungspflicht iSd §§ 24 ff SGB III entstanden sei. Das Tagegeld sei von der Unfallkasse des Bundes im Rahmen ihrer Aufgabe als Krankenversicherung der Entwicklungshelfer geleistet worden, wobei Entwicklungshelfer keine Krankenversicherungsbeiträge zahlten. Beiträge zur Arbeitslosenversicherung seien von der Unfallkasse ebenfalls nicht abgeführt worden.

Durch Urteil vom 4. März 2015 hat das Sozialgericht Berlin (SG) die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von Arbeitslosengeld ab dem 21. November 2011 verurteilt und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe durch den Bezug des Tagegeldes die Anwartschaftszeit nach § 124 SGB III erfüllt, denn sie habe innerhalb der zweijährigen Rahmenfrist mehr als zwölf Monate in einem Dienstverhältnis gestanden, das durch § 13 EhfG einem Versicherungspflichtverhältnis gleichgestellt sei. Diese Vorschrift treffe eine § 117 SGB III aF ergänzende Sonderregelung für Entwicklungshelfer und ermögliche die Einbeziehung arbeitsloser Entwicklungshelfer in das Arbeitslosengeldsystem. Der Gleichstellungstatbestand des § 13 EhfG beziehe sich nicht im engen Sinne nur auf Zeiten des Entwic...

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