Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsvermittlung. Vermittlungstätigkeit. arbeitsuchender Künstler. Ermessensentscheidung. Anspruch auf Aufnahme in die Vermittlungskartei Künstlervermittlung. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Es besteht kein Anspruch auf eine bestimmte Vermittlungstätigkeit der Agentur für Arbeit gem § 35 Abs 1 SGB 3, sondern lediglich ein Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über eine geeignete Vermittlungsdienstleistung.

2. Ein Anspruch auf Aufnahme in die spezielle Vermittlungskartei für Künstler - ZAV-Künstlervermittlung Schauspiel/Bühne - kann sich allenfalls unter dem Gesichtspunkt einer Ermessensreduzierung auf Null ergeben, mithin nur dann, wenn die Agentur für Arbeit die Aufnahme bindend zugesagt hätte oder sich mit ihrer Verwaltungspraxis derart gebunden hätte, dass im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art 3 Abs 1 GG) nur die Aufnahme in die ZAV-Künstlerkartei Schauspiel/Bühne die allein rechtmäßige Entscheidung wäre.

3. Das Recht auf freie Berufswahl gem Art 12 Abs 1 S 1 GG wird dadurch nicht berührt.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 12.10.2017; Aktenzeichen B 11 AL 24/16 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. November 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Aufnahme in die spezielle Vermittlungskartei der Beklagten (Zentrale Auslands- und Fachvermittlung - ZAV-Künstlervermittlung) für Schauspieler.

Die 19... in H geborene Klägerin ist berechtigt, die Berufsbezeichnung Schauspielerin zu führen (Urkunde der F Schule vom 28. Oktober 2010). Am 23. Oktober 2010 nahm sie mit Erfolg an der Siegelprüfung des Verbandes deutschsprachiger privater Schauspielschulen teil.

Mit Bescheid vom 25. Januar 2011 lehnte es die Beklagte nach einem Vorsprechen der Klägerin am 31. Mai 2010 mit vier schauspielerischen Aufgaben ab, ihr die Vermittlungsdienstleistungen der ZAV-Künstlervermittlung anzubieten, deren Ziel es wäre, Künstler und Auftraggeber auf hohem Niveau zusammenzuführen. Nach eingehender “Eignungsdiagnostik„ seien im Rahmen des auszuübenden Ermessens die fachlichen Voraussetzungen für die Aufnahme der Klägerin in die Vermittlungskartei verneint worden. Ihren hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. Mai 2011 zurück und führte zur Begründung aus: Die inhaltliche und organisatorische Ausgestaltung der Arbeitsvermittlung als hoheitliche Aufgabe erfolge nach pflichtgemäßem Ermessen. Insofern könne nicht jeder Schauspieler in die Künstlerkartei aufgenommen werden. Die Beklagte behalte sich vielmehr, um das hohe Ansehen der Künstlerkartei auch in Fachkreisen zu wahren, vor, nur diejenigen Bewerber aufzunehmen, die den Anforderungen in besonders hohem Maße entsprächen. Die nicht in die Kartei aufgenommenen Kunden würden von ihrer zuständigen Arbeitsagentur im Rahmen des gesetzlichen Auftrags weiter betreut, solange sie arbeitslos bzw. arbeitsuchend seien, wodurch die Beklagte ihren Vermittlungsauftrag erfülle.

Mit ihrer Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) hat die Klägerin geltend gemacht, sie habe sich wegen Überschreitens der Altersgrenze nicht an staatlichen Schauspielschulen beworben. Bis zum 31. August 2014 sei sie als Assistentin Theaterpädagogik/Schauspielcoach am R Theater in M beschäftigt gewesen. Sodann sei sie wieder arbeitslos gewesen und strebe weiterhin die Aufnahme in die ZAV-Künstlerkartei an. Die Ausbildung an der von ihr besuchten privaten Filmschauspielschule sei einer staatlichen Filmschauspielschule gleichwertig.

Die vom SG im Verhandlungstermin vom 14. November 2014 angehörte Arbeitsvermittlerin D, hat erklärt, sie und zwei Kollegen würden für die Beklagte das Vorsprechen mit Absolventen der privaten Schauspielschulen zu dritt durchführen. Sie selbst sei zuvor 10 Jahre als Schauspieldramaturgin an einem Theater beschäftigt gewesen, selbiges gelte für ihren Kollegen J, der über 20 Jahre als Dramaturg an verschiedenen Theatern beschäftigt gewesen sei. Der dritte Kollege M sei früher in der Filmbranche tätig gewesen. Es finde ein mehrstufiges Auswahlverfahren statt; insofern werde zwischen staatlichen und privaten Schauspielschulen differenziert. Über den Katalog der staatlichen Schulen würden zunächst sämtliche Absolventen in die Künstlerkartei aufgenommen. Die privaten Schulen würden - so auch im Falle der Klägerin - die Arbeitsvermittlung im Klassenverband aufsuchen und vorsprechen. Im Jahr 2010 hätten insofern 154 Absolventen vorgesprochen, davon seien 93 aufgenommen worden. Das Vorsprechen dauere regelmäßig eine Dreiviertelstunde und die Bewerber erhielten anschließend ein ausführliches Feedback. Trotz eines Überangebots an qualifizierten Schauspielern auf dem Arbeitsmarkt gebe es keine Aufnahmequoten für die Aufnahme in die ZAV-Künstlerkartei.

Mit Urteil vom 14. November 2014 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgef...

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