Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung. Kindererziehung zu gleichen Teilen. Zuordnung zur Kindesmutter im Zweifelsfall. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Die Regelung des § 56 Abs 2 S 8 und S 9 SGB 6, die im Zweifel die Mutter bevorzugt, verstößt nicht gegen Verfassungsrecht.

 

Orientierungssatz

1. Zum Leitsatz vgl BSG vom 17.4.2008 - B 13 R 131/07 R = SozR 4-2600 § 56 Nr 5.

2. Das BVerfG hat keinen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 und Abs 3 GG darin gesehen, dass Väter der Geburtsjahrgänge vor 1921 von vornherein keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Kindererziehungsleistungsgesetz (juris: RVKLG) haben, weil sie nach dem für die damalige Zeit typischen Rollenbild der Familie keine Nachteile in der Altersversorgung infolge Kindererziehung hätten hinnehmen müssen (vgl BVerfG vom 7.7.1992 - 1 BvL 51/86 ua = BVerfGE 87, 1 = SozR 3-5761 Allg Nr 1). Dann aber kann auch die dargestellte Lösung des Gesetzgebers für später geborene Väter und die hier streitigen Zeiträume keinen Bedenken unterliegen. Denn ihre differenzierende Ausgestaltung gibt in weiten Bereichen Raum dafür, die kinderbezogenen Zeiten auch zugunsten des Vaters anzurechnen.

3. Eine zusätzliche Legitimation für die sich zugunsten der Mütter auswirkenden Regelungen leitet sich aus dem Gleichberechtigungsgrundsatz des Art 3 Abs 2 GG ab. Auch schon für die Zeit vor Ergänzung dieser Vorschrift durch ihren Satz 2 mit Wirkung ab dem 15.11.1994 galt, dass der Gesetzgeber berechtigt ist, faktische Nachteile, die typischerweise Frauen treffen, durch begünstigende Regelungen auszugleichen (vgl BVerfG vom 24.1.1995 - 1 BvL 18/93 ua = BVerfGE 92, 91 und vom 28.1.1992 - 1 BvR 1025/82 ua = BVerfGE 85, 191).

4. Auch ein Verstoß gegen Art 6 und Art 14 GG liegt nicht vor. Dem Schutz von Ehe und Familie aus Art 6 GG trägt die Möglichkeit der Erziehenden, sich hinsichtlich der Kindererziehungszeiten zu vereinbaren, hinreichend Rechnung. Ein Verstoß gegen den Eigentumsschutz aus Art 14 GG scheitert daran, dass keine zu schützenden Rentenanwartschaften erworben worden sind. Rentenrechtliche Positionen, die der Gesetzgeber nie eingeräumt hat, können nicht Gegenstand des grundrechtlichen Eigentumsschutzes sein (vgl BSG vom 12.12.2006 - B 13 RJ 22/05 R = SozR 4-2400 § 70 Nr 1).

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Februar 2008 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Feststellung von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung.

Der am 22. März 19 geborene Kläger und die Beigeladene, die nicht verheiratet waren, sind die Eltern des 1989 geborenen Sohnes S W, für den die Beigeladene das Sorgerecht hatte. Die Eltern lebten nach der Geburt ihres Sohnes zusammen, bis sie sich etwa im Dezember 1989 oder im Januar 1990 trennten und der Kläger aus der gemeinsamen Wohnung auszog. Die Eltern betreuten den Sohn bis zum sechzehnten Lebensjahr zu gleichen Teilen. Ab dem Zeitpunkt der räumlichen Trennung betreuten sie ihn im täglichen Wechsel. An den Tagen, an denen sich der Sohn beim Kläger aufhielt, erfolgte die überwiegende Erziehung durch den Kläger, an den übrigen Tagen durch die Beigeladene.

Die Beklagte stellte hinsichtlich der Beigeladenen mit Bescheiden vom 6. Februar 1991 und vom 15. April 2002 die Zeit vom 1. Oktober 1989 bis zum 30. September 1990 als Kindererziehungszeit und die Zeit vom 3. September 1989 bis zum 2. September 1999 als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung fest.

Der Kläger beantragte am 21. März 2005 die Klärung seines Versicherungskontos einschließlich der Feststellung von Kindererziehungszeiten beziehungsweise von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung. Hierbei gab er an, dass er seinen Sohn S W gemeinsam mit der Mutter erzogen habe, ohne dass eine überwiegende Erziehung eines Elternteiles vorgelegen habe. Die Beigeladene hat diese Angaben schriftlich bestätigt. In einer gemeinsamen Erklärung, die am 18. Juli 2005 bei der Beklagten einging, bestimmten der Kläger und die Beigeladene, dass die Zeit vom 1. April 1990 bis zum 30. September 1990 und vom 1. November 1994 bis zum 31. Oktober 1999 dem Vater zugeordnet werden soll.

Mit Bescheid vom 28. Dezember 2005 entschied die Beklagte, dass die Zeit vom 1. Oktober 1989 bis zum 30. September 1990 nicht als Kindererziehungszeit des Klägers anerkannt werden könne, da ein anderer Elternteil das Kind überwiegend erzogen habe, während die Zeit vom 3. September 1989 bis zum 2. September 1999 nicht als Berücksichtigungszeit anerkannt werden könne, da sie bereits bei einem anderen Elternteil anerkannt worden sei. Den am 23. Januar 2006 eingelegten Widerspruch, der mit der entgegenstehenden gemeinsamen Erklärung des Klägers und der Beigeladenen sowie mit der Erziehung zu gleichen Teilen begründet wurde, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10...

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