Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei dem Mitarbeiter einer KG, der zugleich deren Gesellschafter ist

 

Orientierungssatz

1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.

2. Nach diesen Grundsätzen beurteilt sich auch, ob der Mitarbeiter einer KG, der gleichzeitig deren Gesellschafter ist, eine abhängige Beschäftigung für die Gesellschaft ausübt.

3. Erhält dieser eine nach Arbeitsstunden bemessene Vergütung, ist er in den Betrieb der KG integriert, kann er seine Arbeitszeit nicht frei bestimmen, trägt er kein unternehmerisches Risiko und ist er mit seinem Gesellschaftsanteil nicht in der Lage, Gesellschafterbeschlüsse in seinem Interesse herbeizuführen, so ist von dem Bestehen einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Dem widerspricht nicht die Tätigung monatlicher Privatentnahmen entsprechend dem eigenen Bedarf und dem Unternehmenserfolg aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses als Ausfluss des Gesellschafterstatus.

 

Tenor

Auf die Berufung der Kläger werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 28. Mai 2014 und der Bescheid der Beklagten vom 24. Juni 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2011 geändert.

Es wird festgestellt, dass der Kläger zu 2) in seiner Tätigkeit für die Klägerin zu 1) in den Zeiträumen 25. August bis 9. September 2007, 13. Februar 2008 bis 31. Januar 2009, 1. bis 30. April 2011, 1. Februar bis 31. Juli 2013 und ab dem 1. April 2014 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten-, der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die bis zur Verbindung der Verfahren entstandenen Gerichtskosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1) zu ¾ und die Beklagte zu ¼. Die Beklagte trägt die bis zur Verbindung der Verfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten der Kläger zu ¼. Im Übrigen sind Kosten für die Zeit bis zur Verbindung der Verfahren nicht zu erstatten.

Die ab der Verbindung der Verfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten der Kläger trägt die Beklagte zu ¼. Im Übrigen sind Kosten für die Zeit ab der Verbindung der Verfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Feststellung der Beklagten, dass der Kläger in seiner Tätigkeit für die Klägerin der Versicherungspflicht in allen vier Zweigen der Sozialversicherung unterliegt.

Die Klägerin ist eine seit dem 10. Oktober 2006 im Handelsregister des Amtsgerichts Berlin-Charlottenburg eingetragene Kommanditgesellschaft (KG), an welcher im März 2014 neben dem persönlich haftenden Gesellschafter (Komplementär) der Kläger sowie fünf weitere Personen als Kommanditisten mit einer Einlage von je 2.000 Euro beteiligt sind. Gegenstand des Unternehmens ist der Einbau von Baufertigteilen insbesondere im Bereich der Fassadenmontage sowie Trockenbau, praktisch vor allem die Durchführung von Blechmontagearbeiten im Fassadenbereich. Nach dem Gesellschaftsvertrag (GV) vom 14. September 2006 betrug die Stammeinlage 500.- Euro je Kommanditist (§ 2 Abs. 2 des GV). Diese Kommanditanteile sind fest, nur gesellschaftsvertraglich änderbar, maßgebend u.a. für die Stimmrechte und die Beteiligung an Gewinn und Verlust, unmittelbar nach Abschluss des Gesellschaftsvertrags durch Geldeinlage zu erbringen und als Haftsumme im Handelsregister einzutragen (§ 2 Abs. 3 bis 5 des GV). Der Komplementär ist zur alleinigen Geschäftsführung und Vertretung der KG berechtigt und verpflichtet; ihm obliegt die alleinige fachliche und technische Leitung (§ 4 Abs. 1 und Abs. 2 des GV). Die Geschäftsführungsbefugnis umfasst alle Handlungen, die der gewöhnliche Geschäftsbetrieb mit sich bringt. Für alle darüber hinausgehenden Geschäfte ist die Zustimmung der Gesellschafterversammlung erforderlich (§ 4 Abs. 3 Sätze 1 und 2 des GV). Die Kommanditisten sind von der Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossen (§ 5 Abs. 1 des GV). Das Widerspruchsrecht nach § 164 Abs. 1 Handelsgesetzbuch (HGB) steht den Kommanditisten nicht zu, sie haben jedoch das Recht, über diejenigen Geschäftsführungsmaßnahmen zu beschließen, die der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedürfen (§ 5 Abs. 2 des GV). Gesellschafterbeschlüsse werden mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst, soweit nicht das Gesetz oder der Vertag zwingend eine andere Mehrheit vorschreibt (§ 7 Abs. 3). Die Abstimmung erfolgt nach Köpfen, wobei jeder Gesellschafter eine Stimme hat (§ 7 Abs. 5 d...

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