Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung niedrigerer Einnahmen durch im Widerspruchsverfahren nachgereichte Einkommensnachweise bei der Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der Krankenversicherung

 

Orientierungssatz

1. Bei der Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der Krankenversicherung nach § 240 Abs. 1 S. 1 SGB 5 kann der Nachweis niedrigerer Einnahmen nicht nur bis zum Erlass des Beitragsbescheides geführt werden, sondern mit Rückwirkung auch noch im Widerspruchsverfahren.

2. Für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der endgültigen Festsetzung ist bei der gerichtlichen Entscheidung auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung im Widerspruchsverfahren durch den Widerspruchsausschuss abzustellen.

3. Auch bei einer für einen Zeitraum erfolgten endgültigen Beitragsfestsetzung können für den Folgezeitraum im Widerspruchsverfahren noch Nachweise niedrigeren Einkommens rückwirkend eingereicht werden, soweit für den Folgezeitraum noch keine Bestandskraft eingetreten ist.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerinnen gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 27. Juni 2018 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerinnen haben dem Antragssteller die diesem im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I.

Beantragt ist die Herstellung der aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage gegen Beitragsbescheide.

Der Antragsteller ist Mitinhaber einer Reiseagentur. Er ist als hauptberuflich Selbständigerbei der Antragsgegnerin zu 1) freiwillig krankenversichert.

Die Antragsgegnerinnen hatten mit Bescheid vorn 3. Juni 2015 die von dem Antragsteller zu zahlenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung auf Grundlage des Einkommenssteuerbescheides für das Kalenderjahr 2011 festgesetzt und dabei beitragspflichtige Einnahmen in Höhe von 2.188,75 € monatlich für die Zeit ab dem 1. Juli 2015 zu Grunde gelegt.

In der Folgezeit wurde der Antragsteller wiederholt und vergeblich um Einreichung aktueller Einkommenssteuerbescheide und Erklärungen zu seiner Einkommenssituation aufgefordert, zuletzt mit Schreiben vom 9. November 2016. Dabei wies die Antragsgegnerin darauf hin, dass das Finanzamt mitgeteilt habe, die Steuerbescheide für die Jahre 2012 bis 2014 bereits erteilt zu haben.

Mit Bescheiden vom 6. Dezember 2016 setzten die Antragsgegnerinnen die Beiträge ab dem 1. Dezember 2015 neu fest auf Grundlage eines Einkommens in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze (4.125,- € pro Monat) sowie ab 1. Januar 2016 (Beitragsbemessungsgrenze 4.237,50 € monatlich).

Hiergegen erhob der Antragsteller mit am 19. Dezember 2016 eingegangenem Schreiben Widerspruch. Gleichzeitig reichte er die Einkommenssteuerbescheide für 2012 - ausgestellt am 10. November 2015, Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 28.028,- €- und für 2013 ein, ausgestellt am 11. Dezember 2015, Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 26.415,- €.

Mit Bescheid der Antragsgegnerinnen vom 22. Dezember 2016 erfolgte eine Anpassung der Beitragshöhe für die Zeit ab dem 1. Januar 2017 (Beitragsbemessungsgrenze nunmehr 4.350,- € pro Monat).

Zudem forderten die Antragsgegnerinnen mit Bescheid vom 22. März 2017 die aufgelaufenen Beiträge für die Zeit ab Dezember 2015 nach. Es bestehe derzeit eine Forderung in Höhe von 6.956, 44 €.

Am 29. März 2017 reichte der Antragsteller den Einkommenssteuerbescheid für 2014 nach. Dieser ist am 1. Juni 2016 ausgestellt worden (Einkünfte aus Gewerbebetrieb: 32.751,- €).

Mit Bescheid vom 16. Mai 2017 setzten die Antragsgegnerinnen die Beiträge für die Zeit ab dem 1. Juni 2017 auf Grundlage monatlicher Einnahmen in Höhe von 2.729,25 € neu fest entsprechend dem Einkommenssteuerbescheid für 2014.

Sie wiesen mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2017 den Widerspruch des Antragsstellers zurück.

Hiergegen erhob der Kläger am 10. Juli 2017 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG, Az. S 28 KR 1354/17) und begehrt die Aufhebung der Bescheide vom 6. Dezember 2016 und 22. März 2017.

Am 31. Mai 2018 hat der Antragsteller beim SG einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz eingereicht: Es müssten die tatsächlichen Einnahmen entsprechend den eingereichten Einkommenssteuerbescheiden zu Grunde gelegt werden.

Die Antragsgegnerinnen haben vorgebracht, die Festsetzung der Beiträge für die Zeit bis zum 31. Mai 2017 sei rechtmäßig auf Grundlage von beitragspflichtigen Einnahmen in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze erfolgt, da der Antragsteller seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen und sein Einkommen nicht nachgewiesen habe.

Mit Beschluss vom 27. Juni 2018 hat das SG die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Bescheide vom 6. Dezember 2016, 22. Dezember 2016 und 22. März 2017 angeordnet, soweit darin Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung festgesetzt und angefordert werden, die für den Zeitraum vom 1. Dezember 2015 bis 30. Juni 2016 aus beitragspflichtigen Einnahmen in Form von Arbeitseinkommen von mehr als 2.335,67 € berechnet wurden und im Zeitraum vom 1. Juli 2016 bis 31. Mai 2017 von mehr als 2.729,25 €.

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