Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder. Berücksichtigung von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften iSd § 22 Abs 2 EStG. Maßgeblichkeit des im Einkommensteuerbescheid festgesetzten Gewinns. keine Berücksichtigung eines Verlustvortrags nach § 10d EStG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften (§§ 22 Nr 2, § 23 EStG) zählen bei freiwilligen Mitgliedern der GKV zu den beitragspflichtigen Einnahmen iSd § 3 BeitrVerfGrsSz (juris: SzBeitrVfGrs).

2. Maßgebend ist der im Einkommensteuerbescheid festgesetzte Gewinn gemäß § 23 Abs 3 S 1 EStG.

3. Ein Verlustvortrag nach § 10d EStG ist nicht zu berücksichtigen. (Der Senat hat die Revision zugelassen).

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 16.04.2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Berücksichtigung von Einkünften aus einem privaten Veräußerungsgeschäft bei der Festsetzung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung für die Zeit von April 2015 bis März 2016.

Der am 26.12.1953 geborene Kläger ist bei der Beklagten zu 1) freiwillig kranken- und bei der Beklagten zu 2) pflegeversichert. Er erzielte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bebauter, in seinem Eigentum stehender Grundstücke. Seit August 2017 bezieht er eine Altersrente (monatlich 824,97 €).

Mit Bescheid vom 11.04.2014 setzte die Beklagte zu 1) - auch im Namen der Beklagten zu 2) - für die Zeit ab Februar 2014 unter Berücksichtigung der Mindestbemessungsgrenze die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung auf monatlich 158,53 € (Krankenversicherung 137,33 €; Pflegeversicherung 21,20 €) fest und forderte den Kläger auf, Änderungen seines Einkommens unverzüglich mitzuteilen. Am 07.05.2015 legte der Kläger einen Einkommensfragebogen sowie den Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes R vom 13.11.2014 für 2012 vor (Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus bebauten Grundstücken -6.018,00 €; Kapitalerträge 848,00 €). Er gab an, dass er Hausmann sei und seinen Lebensunterhalt überwiegend durch den Abbau seines Vermögens bestreite.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 04.03.2015 verkaufte der Kläger als Eigentümer seinen Mieteigentumsanteil an dem Grundstück Bstraße /Wstraße in E zu einem Kaufpreis iHv 159.000,00 € (Fälligkeit am 13.03.2015). Es wurde vereinbart, mit dem Kaufpreis zunächst eine Grundschuld iHv 66.000,00 € abzulösen.

Im Dezember 2015 legte der Kläger einen Einkommensfragebogen sowie den Einkommensteuerbescheid vom 11.11.2015 für 2013 vor. Er sei Hausmann und Privatier und bestreite seinen Lebensunterhalt überwiegend durch Entnahmen aus Privatvermögen. Der Einkommensteuerbescheid vom 11.11.2015 für 2013 wies Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus bebauten Grundstücken iHv -15.889,00 € aus.

Mit Bescheid vom 21.01.2016 setzte die Beklagte zu 1) - auch im Namen der Beklagten zu 2) - die monatlichen Beiträge ab 01.01.2016 unter Berücksichtigung der Mindestbemessungsgrundlage auf 174,31 € (Krankenversicherung 149,13 €; Pflegeversicherung 25,18 €) fest. Sie forderte den Kläger auf, Änderungen seines Einkommens unverzüglich mitzuteilen.

Am 15.11.2016 legte der Kläger den am 31.10.2016 für das Jahr 2014 ausgestellten Einkommensteuerbescheid vor, der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung iHv -11.499,00 € sowie 114,00 € Kapitalerträge auswies.

Mit Bescheid vom 10.03.2017 berechnete die Beklagte die Beiträge zur Pflegeversicherung neu, nachdem der Kläger nachgewiesen hatte, dass er ein Kind hat (monatlicher Beitrag 178,00 €; Pflegeversicherung 25,29 €). Außerdem erstattete die Beklagte zu 2) dem Kläger die in der Vergangenheit wegen der Einstufung als Kinderloser zu viel entrichteten Beiträge.

Wegen des Bezugs einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab August 2017 (monatlich 824,97 €) setzte die Beklagte mit Bescheid vom 15.08.2017 die Beiträge mit Wirkung zum 01.08.2017 neu fest.

Am 17.08.2018 legte der Kläger den Einkommensteuerbescheid vom 19.10.2017 für 2015 vor (Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus bebauten Grundstücken -12.971,00 €, Einkünften aus privatem Veräußerungsgeschäft 54.066,00 €, Verlustvortrag 27.388,00 €, zu versteuerndes Gesamteinkommen iHv 9.729,00 €).

Der Kläger wies mit E-Mail vom 03.11.2018 darauf hin, dass der Gewinn aus dem Veräußerungsgeschäft durch Verluste gemäß § 10 des Einkommensteuergesetzes (EStG) deutlich vermindert worden sei. Auch habe er bis auf Weiteres aus dem Erwerb dieser Immobilie noch Zinsen für den damals erteilten Kredit zu erbringen, da der Kredit aus den Erlösen aus dem Verkauf wegen der Geltendmachung von Vorfälligkeitszinsen des Kreditgebers nicht habe wirtschaftlich abgelöst werden können. Einer eventuellen Einbeziehung des Veräußerungsgewinns ohne Gegenrechnung der Verluste gemäß § 10d EStG für die Berechnung der Krankenkassenbeiträge widerspreche er vorab mit Nac...

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