Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung. Überprüfung der Abrechenbarkeit eines Zusatzentgelts nach einer ohne Beanstandung gebliebenen Einzelfallprüfung. hier: Kodierung des ZE163 „erhöhter Pflegeaufwand bei pflegebedürftigen Patienten“. Auslegung des OPS-Kode 9-984. Maßgeblichkeit des Bescheides der Pflegekasse über die Zuordnung zum Pflegegrad. Abstellen auf Verfügungssatz, nicht auf Erlasszeitpunkt

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine ohne Beanstandung durch den MDK gebliebene Einzelfallprüfung auf der Grundlage von § 275 Abs 1c SGB V (in der bis zum 31.12.2019 geltenden Fassung) hindert die Krankenkasse nicht daran, die Abrechenbarkeit eines Zusatzentgelts in Frage zu stellen (vgl BSG vom 16.5.2012 - B 3 KR 14/11 R = BSGE 111, 58 = SozR 4-2500 § 109 Nr 24).

2. Die für die Abrechenbarkeit des OPS-Kode 9-984 erforderliche Zuordnung der Pflegebedürftigkeit eines Versicherten zu einem bestimmten Pflegegrad bestimmt sich nach dem Bescheid der Pflegekasse. Für den Zeitpunkt der Zuordnung des Pflegegrades ist nicht auf den Erlass des Bescheids durch die Pflegekasse, sondern auf den Verfügungssatzes des Bescheids abzustellen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 11.03.2022; Aktenzeichen B 1 KR 113/21 B)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 04.03.2021 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 228,59 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus ab dem 12.04.2019 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 228,59 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Vergütung einer Krankenhausbehandlung streitig.

Die Klägerin ist Trägerin eines nach § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zur Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenen Krankenhauses. Der 1945 geborene M (zukünftig: Versicherter) war in der streitigen Zeit bei der beklagten Krankenkasse krankenversichert und bei der bei der Beklagten geführten Pflegekasse pflegeversichert. Der Versicherte bezog seitens der Pflegekasse zunächst Leistungen nach Pflegegrad 1, der ihm seit 14.03.2017 zuerkannt war. Am 12.02.2019 beantragte er bei der Pflegekasse die Höherstufung des Pflegegrades sowie Kombinationsleistungen. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) gelangte in seinem Gutachten nach Aktenlage vom 27.02.2019 zu der Einschätzung, dass bei dem Versicherten seit 12.02.2019 Pflegegrad 4 vorliege. Nachdem der MDK sich nicht in der Lage sah, den konkreten Zeitpunkt des Eintritts der Pflegebedürftigkeit in der aktuellen Ausprägung zu bestimmen, legte er das Antragsdatum des Höherstufungsantrages zugrunde. Mit Schreiben vom 04.03.2019 informierte die Pflegekasse bei der Beklagten den Versicherten darüber, dass nach dem Gutachten des MDK die Voraussetzungen nach Pflegegrad 4 erfüllt seien, und forderte zur Entscheidung über den Höherstufungsantrag bei ihm weitere Unterlagen an. Mit Bescheid vom 04.04.2019 bewilligte die Pflegekasse bei der Beklagten dem Versicherten Kombinationsleistungen nach Pflegegrad 4 rückwirkend ab 12.02.2019.

Der Versicherte wurde vom 15.02.2019 bis 01.03.2019 wegen folgender Diagnosen im Krankenhaus der Klägerin stationär behandelt: Atherosklerose der Extremitätenarterien: Becken-Bein-Typ, mit Gangrän (ICD10 I70.25), benigne essentielle Hypertonie: Ohne Angaben einer hypertensiven Krise (I10.00), chronische Nierenkrankheit, Stadium 5 (N18.5), Verlust des Fußes und des Knöchels einseitig (Z89.4), atherosklerotische Herzkrankheit: Ein-Gefäß-Erkrankung (I25.11), chronische obstruktive Lungenkrankheit, nicht näher bezeichnet: FEV1 nicht näher bezeichnet (J44.99), langzeitige Abhängigkeit von Dialyse bei Niereninsuffizienz (Z99.2), Isolierung als prophylaktische Maßnahme (Z29.0), Palliativbehandlung (Z51.5), Probleme mit Bezug auf Pflegebedürftigkeit: Notwendigkeit der Hilfestellung bei der Körperpflege (Z74.1) und Ernährungsprobleme und unsachgemäße Ernährung (R 63.3).

Die Klägerin stellte der Beklagten am 12.03.2019 unter Zugrundelegung der Diagnosis-Related-Group (DRG) F65A (periphere Gefäßkrankheiten mit komplexer Diagnose und äußerst schweren CC oder intensivmedizinische Komplexbehandlung≫ 196/184/184 Aufwandspunkte) sowie der Zusatzentgelte ZE 163 (erhöhter Pflegeaufwand bei pflegebedürftigen Patienten) iHv 228,59 Euro und ZE 60.02 (Palliativmedizinische Komplexbehandlung: Mindestens bis höchstens 20 Behandlungstage) den Gesamtbetrag iHv 8577,79 Euro in Rechnung. Dabei berücksichtigte sie ua den OPS 9-984.9 (Pflegebedürftigkeit: Pflegebedürftig nach Pflegegrad 4).

Die Beklagte beauftragte den MDK am 19.03.2019 mit der Prüfung des DRG, der Nebendiagnosen sowie des OPS 8-982.2 (Palliativmedizinische Komplexbehandlung: Mindestens bis höchstens 20 Behandlungstage). Der MDK informierte die Klägerin mit Schreiben vom 19.03.2019 über die Prüfung. Der MDK g...

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