Entscheidungsstichwort (Thema)

Private Pflegeversicherung. Antrag auf Abschluss eines Versicherungsvertrags nach Rückverlegung des Wohnsitzes aus dem Ausland. Eintritt erstmaliger Vorsorgepflicht erst nach Inkrafttreten des SGB 11. Versicherungsbedingungen. Risikozuschlag

 

Leitsatz (amtlich)

Bestand bei Einführung des Pflegeversicherungsgesetzes am 1. Januar 1995 keine Vorsorgepflicht nach § 23 SGB 11 und trat diese zu einem späteren Zeitpunkt ein, obwohl durchgängig ein privater Versicherungsvertrag für die Gewährung von Krankenhausleistungen bestand, richten sich die vom Versicherungsunternehmen für einen neuen Vertrag anzubietenden Versicherungsbedingungen nach § 110 Abs 3 SGB 11 (Anschluss BSG vom 2.9.2009 - B 12 P 2/08 R = SozR 4-3300 § 110 Nr 2).

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. Juni 2012 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Pflicht des beklagten privaten Versicherungsunternehmens, mit dem Kläger einen Pflegeversicherungsvertrag zu den für sogenannte Altversicherte geltenden Bedingungen abzuschließen.

Der am 1956 geborene Kläger ist seit dem 1. Januar 1983 bei dem beklagten Versicherungsunternehmen gegen das Risiko der Krankheit mit Anspruch auf allgemeine Krankenhausleistungen versichert. Bis zum 20. Mai 2010 lebte der Kläger in Frankreich. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland stellte er unter dem 11. August 2010 bei der Beklagten einen Antrag auf Abschluss einer privaten Pflegeversicherung rückwirkend zum 20. Mai 2010. Der monatliche Beitrag in der privaten Pflegeversicherung, Tarif PV, Tarifstufe PVN betrug dabei für das Jahr 2010 für einen 56-jährigen Mann € 44,60. Die Beklagte bot dem Kläger jedoch auf Grund seiner angegebenen Vorerkrankungen eine Pflegeversicherung lediglich unter Berücksichtigung einer Wartezeit und eines Risikozuschlags in Höhe von € 28,52 monatlich an.

Mit Schreiben vom 16. November 2010 forderte der Kläger die Beklagte auf, mit ihm einen privaten Pflegeversicherungsvertrag ohne Risikozuschlag und ohne Wartezeit abzuschließen. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 13. Dezember 2010 mit der Begründung ab, es handele sich bei dem Vertrag um ein Neugeschäft im Sinne des § 110 Absatz 3 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI). Der Kläger sei nicht mit Inkrafttreten des Pflegeversicherungsgesetzes (PflegeVG) am 1. Januar 1995 der Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung unterfallen, sondern diese Verpflichtung sei erst mit seinem Umzug im Jahr 2010 entstanden. Die “Altbestandskonditionen„ gälten lediglich für Personen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des PflegeVG am 1. Januar 1995 nach § 23 Abs. 3 SGB XI verpflichtet gewesen seien, eine private Pflegeversicherung abzuschließen. Zu diesem Personenkreis gehöre der Kläger jedoch nicht, da er bis Mai 2010 keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt habe. Im Übrigen sei die Vereinbarung einer Wartezeit in der privaten Pflegepflichtversicherung generell zulässig und entspreche derjenigen der sozialen Pflegeversicherung nach § 33 Abs. 2 SGB XI.

Erneute Anträge des Klägers auf Versicherung ohne Wartezeit und ohne Risikozuschlag, in denen er auf eine europarechtliche Diskriminierung hinwies, lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 9. Februar und 16. März 2011 erneut unter Wiederholung ihrer Rechtsauffassung ab. Auch das Bundessozialgericht (BSG) habe in seiner Entscheidung vom 2. September 2009 (B 12 P 2/08 R, in juris) ausdrücklich klargestellt, dass Versicherungsunternehmen nicht verpflichtet seien, solchen Personen, die erst nach dem 1. Januar 1995 der Versicherungsplicht unterfielen, die günstigeren Bedingungen für Altbestandskunden anzubieten. Vielmehr habe der Personenkreis, der aus dem Ausland einreise und damit erstmals der Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung unterfalle, ausschließlich Anspruch auf Vertragsabschluss zu “Neubestandskonditionen„. Auch sei kein Verstoß gegen europarechtliche Vorschriften erkennbar. Dies ergebe sich aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 3. April 2001 (1 BvR 81/98, in juris).

Gegen diese Ablehnung richtete sich die am 7. Oktober 2011 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobene Klage. Es sei unrichtig, das Entstehen der Versicherungspflicht (in der Pflegeversicherung) zum 1. Januar 1995 als zweite Voraussetzung neben der Mitgliedschaft in der privaten Krankenversicherung zu fordern. Dies finde im Wortlaut des Gesetzes keine Stütze. Es würde auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift widersprechen. Diese sei geschaffen worden um Unbilligkeiten für diejenigen Personen zu vermeiden, die bereits am 1. Januar 1995 privat krankenversichert gewesen seien und deshalb nicht damit rechnen konnten, eine private Pflegversicherung abschließen zu müssen. Dasselbe müsse jedoch für diejenigen Personen gelten, die auf Grund eines Wohnsitzwechsels erstmalig im Inland der Pflegversicherungspflicht unter...

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