Entscheidungsstichwort (Thema)

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Ablehnung einer Umschulung bzw Fortbildung wegen des Lebensalters und der Arbeitsmarktsituation. 45-Jähriger. Ermessensfehler

 

Leitsatz (amtlich)

Die Ablehnung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer Umschulung bzw Fortbildung ist ermessensfehlerhaft, wenn sie maßgebend darauf abstellt, dass der 45jährige Versicherte wegen seines Alters keine Chance auf eine Wiedereingliederung habe.

 

Orientierungssatz

Vergleiche SG Koblenz vom 30.8.2005 - S 3 RJ 131/04.

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 31.08.2006 und der Bescheid der Beklagten vom 21.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.09.2005 aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger auf seinen Antrag vom 10.08.2004 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Bescheid zu erteilen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten beider Instanzen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form der Förderung einer Umschulung.

Der 1960 in der T. geborene Kläger machte nach Einreise in die Bundesrepublik Deutschland von 1978 bis 1981 eine Lehre als Schlosser und arbeitete anschließend als Fräser, zuletzt bis zum 30.04.2003 bei der Firma Z. in O. Seither ist der Kläger arbeitslos.

Der Kläger leidet an einem LWS-Syndrom mit Bandscheibenvorfall L5/S1 mit Retrolisthese und intraspinalem Anteil sowie Bandscheibenvorfall L4/L5 mit chronischem Nervenwurzelreiz und Gehschwäche des rechten Beines. Außerdem liegt beim Kläger eine chronische Otitis media beidseits und eine Schallleitungsschwerhörigkeit links vor. Er kann deshalb nur noch leichte Tätigkeiten mit zahlreichen qualitativen Einschränkungen verrichten. Tätigkeiten als Schlosser oder Fräser sind ihm nicht mehr möglich (Gutachten der Dr. Kr., Ärztin der Agentur für Arbeit A.).

Am 10.08.2004 stellte der Kläger bei der Beklagten (erneut) einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (berufliche Rehabilitation) und gab an, er wolle eine Umschulung durchführen. Mit Bescheid vom 12.08.2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach und führte ergänzend aus, es sei zunächst ein Beratungsgespräch mit einem Reha-Fachberater erforderlich, um über Art und Umfang von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben entscheiden zu können.

Am 13.09.2004 fand ein Gespräch zwischen dem Kläger und dem Fachberater der Beklagten Zs. statt. In der darüber angelegten Aktennotiz wurde vermerkt, der Kläger wolle gerne die Technikerausbildung oder die Ausbildung zum Technischen Zeichner/Maschinenbau machen. Hintergrund dieses Wunsches sei auch, dass er nach Ablegung der Prüfung in die Türkei umziehen wolle, weil dort derartige Facharbeiter gesucht seien. Von Seiten des Fachberaters sei darauf hingewiesen worden, dass für den 44-jährigen Kläger die Voraussetzungen für eine Umschulung nicht vorlägen, weil er bei Abschluss der Ausbildung mit 47 Jahren von keinem Arbeitgeber in Deutschland als Neuling in eine Technikerstelle eingestellt werde. Ausbildungen und Schulungen von einer Woche bis ca. sechs Monaten seien fast kein Problem.

Mit Bescheid vom 21.01.2005 lehnte die Beklagte die beantragte Weiterbildung zum Techniker oder Umschulung zum Technischen Zeichner ab. Auf Grund seines Alters bestehe bei einer zweijährigen Ausbildungszeit nach Beendigung der Maßnahme keine Möglichkeit der Wiedereingliederung auf dem Arbeitsmarkt. Es verbleibe daher bei dem Bescheid vom 15.04.2004. Mit diesem Bescheid waren, befristet bis 30.04.2007 Leistungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes in Form eines Eingliederungszuschusses in Aussicht gestellt und eine Lohnkostenübernahme für eine zweimonatige Probebeschäftigung zugesagt worden.

Den Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 30.09.2005 (betreffend Bescheide vom 12.08.2004 und 21.01.2005) und der Begründung zurück, auf Grund des derzeitigen Alters des Klägers von bereits 45 Jahren werde bei einer zweijährigen Ausbildungszeit keine Chance auf einen Arbeitsplatz auf dem deutschen Arbeitsmarkt gesehen. Hierzu komme noch, dass die schulischen Fähigkeiten des Klägers hierzu noch gar nicht geprüft worden seien. Da nach § 43 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) der bisherige berufliche Werdegang bei der Auswahl der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben angemessen zu berücksichtigen sei, komme vorrangig eine Gewährung von Vermittlungshilfen zur Aufnahme einer leidensgerechten Beschäftigung in Betracht.

Dagegen hat der Kläger am 28.10.2005 Klage zum Sozialgericht Ulm erhoben. Mit Urteil vom 31.08.2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt, die Ausführungen der Beklagten, dass sie es für sehr unwahrscheinlich halte, dass ein deutscher Arbeitgeber den Kläger als beruflichen Neuling mit 47 Jahren anstelle, sei durc...

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