Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Übergangsleistung gem BKV § 3 Abs 2 S 1. versicherter Unternehmer. Unterlassen der gefährdenden Tätigkeit. Minderverdienst. fiktives Unternehmer-Einkommen: JAV gem § 83 SGB 7. erzielte Einkünfte über der gewählten Versicherungssumme. Kausalität. Ausgleich von Einbußen aufgrund Personalausfalls durch persönliche Mitarbeit. selbstständiger Friseurmeister

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Minderverdienst eines pflicht- oder freiwillig in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Unternehmers ist im Rahmen der Gewährung von Übergangsleistungen gemäß § 3 Abs 2 Satz 1 BKV nicht anzunehmen, wenn er trotz des Unterlassens der gefährdenden Tätigkeit Einkünfte erzielt, welche über der von ihm gewählten Versicherungssumme liegen.

2. Der Minderverdienst eines Unternehmers ist insbesondere dann ursächlich durch das Unterlassen einer gefährdenden Tätigkeit iSd § 3 Abs 2 Satz 1 BKV bedingt, wenn er durch Personalausfälle verursachte Einbußen andernfalls durch seine persönliche Mitarbeit hätte ausgleichen oder zumindest abmildern können.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 07.07.2020; Aktenzeichen B 2 U 201/19 B)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 14. März 2019 abgeändert und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 18. Januar 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. März 2017 verpflichtet, auch über die Gewährung von Übergangsleistungen ab dem 1. Januar 2018 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage im Übrigen abgewiesen wird.

Die Beklagte trägt 20 v.H. der außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren. Die Entscheidung über die Tragung der außergerichtlichen Kosten in erster Instanz bleibt unberührt.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Gewährung von Übergangsleistungen aufgrund einer Berufskrankheit (BK) nach der Nr. 5101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV), mithin einer schweren oder wiederholt rückfälligen Hauterkrankung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen hat, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können (im Weiteren: BK Nr. 5101).

Der 1979 geborene Kläger ist verheiratet und Vater zweier Kinder. Er absolvierte nach Erreichen des Hauptschulabschlusses von 1994 bis 1997 eine Ausbildung zum Friseur und im Jahr 2001 die entsprechende Meisterschule. Seit dem Jahr 2003 ist er als Friseurmeister selbständig tätig und Inhaber von inzwischen drei Friseursalons. Ausweislich seiner Einkommensteuerbescheide erzielte er 2009 Einkünfte aus Gewerbebetrieb als Einzelunternehmer in Höhe von 17.815,00 Euro, 2010 von 12.752,00 Euro, 2011 von 7.626,00 Euro, 2012 von 13.676,00 Euro, 2013 von 17.540,00 Euro, 2014 von 39.192,00 Euro, 2015 von 24.686,00 Euro, 2016 von 23.407,00 Euro und 2017 von 23.449,00 Euro. Im Jahr 2018 betrug nach der diesbezüglichen betriebswirtschaftlichen Auswertung sein vorläufiges betriebswirtschaftliches Ergebnis 5.620,92 Euro. Bei der Beklagten war und ist er im Rahmen seiner Unternehmertätigkeit mit der Mindestversicherungssumme versichert.

Nachdem der Hautarzt Dr. Ko. erstmals am 28. Juni 2005 den Verdacht einer beruflich bedingten Hauterkrankung des Klägers anzeigte, bot die Beklagte diesem die Teilnahme an einem Hautschutzseminar an, was er jedoch ablehnte. Die Beklagte teilte ihm darauf mit, sie gehe davon aus, dass derzeit keine weiteren Behandlungsmaßnahmen erforderlich seien. Falls sein Hautleiden nicht abheile bzw. erneut auftrete, solle er die Erstellung eines weiteren Hautarztberichts veranlassen.

Mit Bericht vom 11. November 2013 teilte der Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten mit der Zusatzbezeichnung Allergologie Dr. Mu. der Beklagten mit, beim Kläger seien an beiden Händen mit Schuppungen, Keratosen und Einrissen infiltrierte Erytheme aufgetreten. Beruflich bestehe eine starke Hautbelastung, die Beschwerden besserten sich am Wochenende. Die Aufgabe der derzeit ausgeübten Tätigkeit erscheine nicht erforderlich.

Im Rahmen eines Hautschutzseminars der Beklagten am 15. Januar 2014 teilte der Kläger nach ihren diesbezüglichen Aufzeichnungen unter anderem mit, seit etwa einem Jahr extreme Hautprobleme zu haben. Er bereite sich auf den Ausstieg aus dem Beruf vor und klopfe überall ab, was er für Leistungen zu erwarten habe. An einer Umschulung sei er nicht interessiert. Er wolle die Salons seiner Frau überschreiben, welche Friseurin sei und finanziere einer Angestellten die Meisterschule, damit sie einen der (damals) zwei Salons führen könne.

Nachdem sich die Hauterkrankung im weiteren Verlauf zunehmend verschlechterte (Bericht des Dr. Mu. vom 10. November 2014; Gutachten des Prof. Dr. Ro.,Universitäts-Hautklinik T., vom 31. März 2015für die private Berufsunfähigkeitsversicherung des Klägers, der X AG, teilte der Kläger der Beklagten mit, seit dem 23. Mai 2015 nicht mehr am ...

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