Leitsatz (amtlich)

Wird eine im Ausgangsbescheid unterlassene Ermessensausübung im Widerspruchsbescheid nachgeholt, so gilt der Ausgangsbescheid seit dem Zeitpunkt seines Erlasses als mangelfrei. Dies gilt nicht, wenn dadurch nachträglich eine bereits zeitlich überholte Fristsetzung gerechtfertigt werden soll (hier im Fall einer Aufforderung nach § 51 SGB V; Anschluss an: BSG, Urteil vom 19.08.2015 - B 14 AS 1/15 R -, in juris Rn. 27, zu einer Aufforderung nach § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II; ferner LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.01.2013 - L 11 KR 592/12 B ER -, in juris Rn. 27; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 02.03.2021 - L 11 KR 1388/20 -, in juris Rn. 33 und Urteil vom 02.02.2021 - L 11 KR 578/20 -, in juris).

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 03.03.2021 sowie der Bescheid der Beklagten vom 05.11.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.04.2020 aufgehoben.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Klage- und im Berufungsverfahren.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Aufforderung der Beklagten, einen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu stellen. Er befürchtet eine sich gegebenenfalls anschließende Rückforderung des ihm gezahlten Krankengeldes.

Der 1957 geborene Kläger ist versicherungspflichtiges Mitglied der beklagten Krankenversicherung. Im Januar 2019 erfolgte die Notaufnahme des Klägers in das Krankenhaus L1 aufgrund eines tachykarden Vorhofflimmerns mit ausgeprägter globaler dekompensierter Herzinsuffizienz. Im Anschluss bescheinigte K1 dem Kläger mit Erstbescheinigung vom 21.01.2019 wegen Vorhofflimmern und Vorhofflattern (I 48.9 G) für die Zeit vom 19.01.2019 bis zunächst 05.02.2019 sowie mit weiteren Folgebescheinigungen bis 31.07.2020 Arbeitsunfähigkeit. In der Folge gewährte die Beklagte dem Kläger vom 20.02.2019 bis 07.07.2020 Krankengeld. In der Zeit vom 08.07.2020 bis 31.08.2020 bezog der Kläger Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Der Rentenversicherungsträger bewilligte dem Kläger nach Umdeutung eines am 13.08.2020 gestellten Antrags auf Gewährung medizinischer Leistungen zur Rehabilitation in einen Rentenantrag ab 01.09.2020 eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Bereits während des Bezugs von Krankengeld beauftragte die Beklagte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Erstattung eines Gutachtens nach Aktenlage. R1 vom MDK führte in seiner Stellungnahme vom 19.09.2019 unter Nennung der maßgeblichen Diagnosen aus, die berufliche Belastbarkeit des Klägers sei auch ein dreiviertel Jahr nach Erstdiagnose des tachykarden Vorhofflimmerns mit ausgeprägter globaler dekompensierter Herzinsuffizienz erheblich eingeschränkt in Bezug auf Mobilität und allgemeine Belastbarkeit. Es drohe der Verlust der beruflichen Leistungsfähigkeit. Eine multimodale Reha-Behandlung sei aussichtsreich, die Belastbarkeit wiederherzustellen. Das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit sei bis zu einer Reha begründet.

Mit Schreiben vom 23.09.2019 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie beabsichtige, ihn aufzufordern, innerhalb von 10 Wochen beim zuständigen Rentenversicherungsträger einen Antrag auf Maßnahmen zur Rehabilitation zu stellen. Bevor sie ihm diese Aufforderung zukommen lasse, gebe sie ihm Gelegenheit, sich im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Anhörung bis zum 15.10.2019 zu äußern. Daraufhin führte der Kläger durch seinen Bevollmächtigten mit Schreiben vom 02.10.2019 aus, er sehe sich derzeit nicht in der Lage, sich einer medizinischen Rehabilitation zu stellen. Erfreulicherweise habe sich seine Herzfunktion stabilisiert, sodass er hoffe, in wenigen Wochen so weit zu sein. Ferner gebe es Schwierigkeiten im häuslichen Umfeld, da seine Frau ebenfalls erkrankt sei. Es stelle sich die Frage, ob eine gemeinsame Rehabilitation angezeigt sei, oder ob die Reha im ortsnahen Bereich durchgeführt werden könne. Die Beklagte entgegnete hierauf unter dem 14.10.2019, dass der Kläger nach Aufforderung noch zehn Wochen Zeit habe, den Antrag zu stellen. Die Frage nach einer wohnortnahen Reha sei durch den Rentenversicherungsträger zu beantworten. Sodann reichte der Bevollmächtigte ein Attest von K1 vom 21.10.2019 ein, wonach der Kläger nicht rehafähig sei.

Mit an den Bevollmächtigten gerichteten und im Adressfeld als „Einschreiben-Rückschein“ bezeichnetem Schreiben vom 05.11.2019, beim Bevollmächtigten laut Kanzleistempel eingegangen am 21.11.2019, entgegnete die Beklagte, sie habe die familiäre sowie die gesundheitliche Situation des Klägers berücksichtigt. Aus dem Attest von K1 ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte. Die Überprüfung der Rehafähigkeit obliege dem Rentenversicherungsträger. In der Anlage übersende sie daher die Aufforderung zur Reha-Antragstellung. Mit Bescheid vom 05.11.2019, dessen Eingang beim Kläger selbst und bei seinem Bevollmächtigten streitig ist, forderte die Beklagte den Kläger sodann unter Fristsetzung bis zum 17.01.2020 auf, e...

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