Entscheidungsstichwort (Thema)

Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs 1a S 1 Nr 1 SGB 6 in der gesetzlichen Rentenversicherung eines hauptberuflich selbstständigen Versicherungsvermittlers. Beginn des Dreijahreszeitraums bei zuvor schon selbstständig ausgeübter Nebentätigkeit mit aus Geringfügigkeit resultierender Versicherungsfreiheit

 

Leitsatz (amtlich)

Zur befristeten Befreiung von der Rentenversicherungspflicht eines hauptberuflich selbstständigen Vermittlers von Versicherungen; hier: Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit bereits durch eine zuvor schon selbstständig ausgeübte Nebenbeschäftigung, daher früherer Ablauf des Dreijahreszeitraums vor der geltend gemachten "neuen" Existenzgründung.

 

Orientierungssatz

1. Die Befreiungsmöglichkeit nach § 6 Abs 1a S 1 Nr 1 SGB 6 stellt nicht auf den Eintritt der Versicherungspflicht für die selbstständige Tätigkeit nach § 2 S 1 Nr 9 SGB 6 ab, sondern darauf, ob die selbstständige Tätigkeit die Merkmale des § 2 S 1 Nr 9 SGB 6 erfüllt (vgl auch BSG vom 22.3.2018 - B 5 RE 1/17 R = BSGE 125, 252 = SozR 4-2600 § 6 Nr 15).

2. Eine selbstständige Tätigkeit, die den Merkmalen des § 2 S 1 Nr 9 SGB 6 genügt und auch nach § 5 Abs 2 SGB 6 wegen Geringfügigkeit versicherungsfrei ist, ist daher in den 3-Jahres-Zeitraum des § 6 Abs 1a S 1 Nr 1 SGB 6 einzurechnen ist.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 23.06.2020; Aktenzeichen B 5 RE 3/20 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25.01.2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu

erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger als hauptberuflich selbständiger Vermittler von Versicherungen ab dem 01.05.2017 befristet von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien ist.

Der 1983 geborene Kläger war zunächst als abhängig beschäftigter Versicherungsvermittler bei der B. tätig. Aufgrund gesundheitlicher Umstände konnte er nicht mehr im Außendienst tätig sein und ließ sich 2014 in den Innendienst versetzen. Er gab in diesem Zusammenhang seinen bisherigen Kundenstamm ab, behielt jedoch die Zuständigkeit und Betreuung der Versicherungen von Freunden oder Familienangehörigen weiter. Er war weiterhin als Ansprechpartner und Betreuer dieser Versicherungen tätig und darüber hinaus auch befugt, mit alten und neuen Kunden Versicherungsverträge abzuschließen, Vertragsabschlüsse vorzubereiten und diese Versicherungen nach Vertragsabschluss zu betreuen (zum Ganzen vgl. Blatt 46 der Senatsakte). Dazu meldete er am 30.04.2014 ein selbständiges Gewerbe als „nebenberufliche Vermittlung von Versicherungen“ an (zur Gewerbeanmeldung vgl. Blatt 14 der Beklagtenakte).

Zum 01.05.2017 machte sich der Kläger hauptberuflich selbständig als Versicherungsvermittler für die B. und beendete die abhängige Beschäftigung dort. Er gab an, sich jetzt intensiver um die Verträge zu kümmern und jetzt Kundenakquise und Werbung betreiben zu müssen (vgl. Blatt 46 der Senatsakte). Er meldete zum 01.05.2017 ein Gewerbe über die Vermittlung von Versicherungen an (zur Gewerbeanmeldung vgl. Blatt 15 der Beklagtenakte).

Am 09.05.2017 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Befreiung von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Selbständige mit einem Auftraggeber (Blatt 2/6 der Beklagtenakte). In diesem Antrag gab er an, seit 01.05.2017 eine Versicherungsvermittlung/Hauptvertretung zu betreiben und mit der Beratung von Kunden und der damit verbundenen Vermittlung von Versicherungen befasst zu sein. Bis 30.04.2017 sei er seit 01.05.2014 neben seiner abhängigen Beschäftigung nebenberuflich selbständig als Versicherungsvermittler tätig gewesen. Zugleich beantragte der Kläger die Zulassung zur freiwilligen Versicherung bei der Beklagten (Blatt 7/8 der Beklagtenakte). Der Kläger führte im Verfahren aus (Blatt 10/13 der Beklagtenakte), eine Prüfung der Versicherungspflicht ab dem 01.05.2014 sei unnötig, er sei abhängig beschäftigt gewesen.

Mit Bescheid vom 28.06.2017 (Blatt 16 der Beklagtenakte) lehnte die Beklagte die Befreiung von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Selbständige mit einem Auftraggeber ab. Die befristete Befreiung für Existenzgründer sei nur für einen Zeitraum von 3 Jahren nach der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit möglich. Der Kläger habe die Tätigkeit als Versicherungsvermittler am 01.05.2014 aufgenommen, die Befreiung könnte daher längstens bis 01.05.2017 erfolgen.

Hiergegen erhob der Kläger am 28.07.208 Widerspruch (Blatt 17 der Beklagtenakte) und verwies darauf, dass er vor dem 01.05.2017 nur nebenberuflich als Versicherungsvermittler tätig gewesen sei, die Befreiung sei daher ab 01.05.2017 für 3 Jahre zu gewähren (Blatt 25 der Beklagtenakte).

Mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nachdem der Kläger seine selbständige Tätigkeit zum 01.05.2014 aufgenommen habe, sei eine Befreiung längstens bis zum 01.05.2017 möglich gewesen; der Antrag au...

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