Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Verjährung von Kostenerstattungsansprüchen nach § 107 BSHG. kein Anspruch auf Erstattung des nicht verjährten Kostenanteils unterhalb der Bagatellgrenze. sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. analoge Anwendung von § 113 Abs 1 SGB 10

 

Leitsatz (amtlich)

Könnte ein Kostenerstattungsanspruch zwischen verschiedenen Trägern der Sozialhilfe wegen im Übrigen eingetretener Verjährung nur noch in einer Höhe von unter 2.560,00 € geltend gemacht werden, scheitert er an der so genannten Bagatellgrenze. Maßgeblich ist im Rahmen dieser Kostengrenze (hier: § 111 Abs 2 S 1 BSHG) nur der rechtlich realisierbare und nicht der tatsächlich aufgewendete Kostenbetrag. Auf die Gesamthöhe der Aufwendungen innerhalb des maßgeblichen Jahreszeitraums kommt es nicht an.

 

Orientierungssatz

Die Vorschrift des § 113 Abs 1 SGB 10 idF vom 18.1.2001 ist nicht direkt, sondern analog auf Kostenerstattungsansprüche aus § 107 BSHG anwendbar. Danach verjähren Kostenerstattungsansprüche aufgrund des Umzugs des Sozialhilfeempfängers nach § 107 BSHG in analoger Anwendung des § 113 Abs 1 SGB 10 idF vom 18.1.2001 in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden sind. Dies ist der Zeitpunkt, in dem der Träger die Leistung tatsächlich erbracht hat und ihm die tatsächlichen Kosten entstanden sind (vgl BSG vom 22.8.2000 - B 2 U 24/99 R - SozR 3-1300 § 111 Nr 9).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 24.03.2009; Aktenzeichen B 8 SO 34/07 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. Mai 2006 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung des Beklagten zur Kostenerstattung nach § 107 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) mit Blick auf die Bagatellgrenze des § 111 Abs. 2 BSHG.

Die hilfesuchenden S.K. (im Folgenden: S.K.) und ihre minderjährigen Töchter V., N. und L. (geb. 1994, 1996 und 1998) wohnten ab Mitte Februar 1998 bis zu ihrem am 1. Oktober 1999 erfolgten Umzug in den Bereich der klagenden Stadt im Zuständigkeitsbereich des Beklagten, wo sie durch die Außenstelle K. des Kreissozialamts Sozialhilfe erhielten. In der Zeit ab 6. Oktober 1999 bis zum erneuten Umzug (Dezember 2003) leistete die Klägerin - mit Unterbrechungen - Sozialhilfe außerhalb von Einrichtungen in Form laufender Hilfe zum Lebensunterhalt (HLU), einmaliger Beihilfen sowie Krankenhilfe für S.K. und ihre drei Töchter sowie für das im April 2001 geborene vierte Kind A. .

Mit Schreiben vom 6. April 2000 (Eingang beim Beklagten am 12. April 2000) beantragte die Klägerin Kostenerstattung für die vier Hilfeempfängerinnen gemäß § 107 BSHG für die Zeit ab 1. Oktober 1999 für die Dauer von zwei Jahren. Schließlich bezifferte die Klägerin den nunmehr für die Zeit von Oktober 1999 bis Mai 2001 geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch in einem weiteren Schreiben vom 21. Mai 2002 (Eingang 24. Mai 2002) mit 12.012,25 Euro und legte hierzu Kostenaufstellungen bei. Hierauf sowie auf die Erinnerungsschreiben vom 14. November 2002, 18. Oktober und 8. Dezember 2005 erhielt die Klägerin keine Antwort vom Beklagten.

Am 22. Dezember 2005 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben, mit der sie die Erstattung eines Betrags von 2.172,79 Euro zuzüglich Zinsen gefordert hat. Sie hat vorgebracht, dass mit der Klage nur noch die Aufwendungen vom 1. Januar bis 31. Mai 2001 in der vorgenannten Höhe geltend gemacht würden, weil die Kosten für die Zeit vom 1. Oktober 1999 bis 31. Dezember 2000 verjährt seien. Die für diese Zeit eingetretene Verjährung sei hinsichtlich der allein noch verlangten Kostenerstattung für den übrigen Zeitraum mit Blick auf den Bagatellgrenzbetrag rechtlich unerheblich; maßgeblich sei vielmehr, dass dieser Grenzbetrag bereits in den ersten zwölf Monaten der Leistungsgewährung überschritten gewesen sei. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten; eine Erstattung sei ausgeschlossen, weil ein Teilbetrag der Kostenerstattungsforderung verjährt sei und hinsichtlich des übrigen Zeitraums die Bagatellgrenze von 2.560 Euro unterschritten sei. Mit Urteil vom 19. Mai 2006 hat das SG den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 2.172,79 Euro nebst 4 v.H. Jahreszinsen hieraus ab 22. Dezember 2005 zu zahlen; die Berufung hat es nicht zugelassen. In den Entscheidungsgründen hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, die Vorschrift des § 111 Abs. 2 BSHG sei so zu verstehen, dass Kosten unterhalb der Grenze von 2.560 Euro von vornherein nicht zu erstatten seien; der Anspruch nach § 107 BSHG entstehe in diesen Fällen schon gar nicht. Die Bagatellgrenze lasse sich jedoch nicht mit der Einrede der Verjährung vergleichen oder gar in ihren Vorteilen kombinieren; vielmehr bleibe es trotz der von der Klägerin berücksichtigten Verjährung dabei, dass die Bagatellgrenze bezogen auf den Zeitraum der Leistungsgewährung überschritten gewesen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird...

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