Entscheidungsstichwort (Thema)

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Umschulung zum Arbeitserzieher. rechtswidrige Ablehnung durch Rentenversicherungsträger. Kostenerstattung für selbstbeschaffte Leistung. sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Auswahlermessen. Ermessensreduzierung auf null. Wunsch und Wahlrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Das Ermessen des Versicherungsträgers bei der Auswahl von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben verengt sich auf die vom Versicherten gewählte Maßnahme, wenn der Versicherte mit einer geeigneten Maßnahme begonnen hat, nachdem der Versicherungsträger die Bewilligung dieser Maßnahme zu Unrecht als ungeeignet abgelehnt hatte.

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 16.05.2013 sowie der Bescheid der Beklagten vom 04.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.08.2011 aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die Ausbildung zum Arbeitserzieher Kosten in Höhe von 6.540,00 € zu erstatten und ihm ergänzende Leistungen in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 01.09.2011 bis 31.08.2013 zu gewähren.

Die Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Erstattung von Kosten einer Ausbildung zum Arbeitserzieher als selbstbeschaffte Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben.

Der 1975 geborene Kläger ist gelernter Industriemechaniker. Als solcher war er zuletzt in Vollzeit im Sondermaschinenbau versicherungspflichtig beschäftigt. Ab dem 18.05.2010 war der Kläger arbeitsunfähig krank bzw arbeitslos.

Am 14.12.2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Er gab dabei an, dass er wegen eines Bandscheibenvorfalls, Haut- und Atemwegsproblemen, beanspruchter Psyche wegen eines negativen Umfelds und Tinnitus durch Lärm und Stress die bisherige Arbeit nicht mehr verrichten könne und eine Umschulung wünsche.

In einem von der Beklagten veranlassten Gutachten stellte Dr. H. beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen fest: Rückenbeschwerden bei Fehlhaltung, Bandscheibenvorfall im untersten LWS-Segment, Verschleiß, Untergewicht, Asthenie, chronische Kieferhöhlenentzündung rechts, Belastungsschmerz in der rechten Hüfte, leichte Hüftdysplasie und Ohrgeräusche. Dr. H. kam in dem Gutachten vom 26.02.2010 zu der Einschätzung, dass körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten möglich seien. Die bisherige Tätigkeit geschehe zur Zeit noch nicht auf Kosten der Gesundheit, es sei jedoch damit zu rechnen, dass mittelfristig wiederholte Arbeitsunfähigkeitszeiten anfielen und eine derartige Tätigkeit nicht mehr abverlangt werde könne. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben würden vorgeschlagen. In einem Reha-Beratungsgespräch mit der Beklagten am 12.07.2010 gab der Kläger an, seine berufliche Zukunft im sozialen Bereich zu sehen. Er leide zur Zeit an einem Burn-out und sei deswegen in stationärer Behandlung.

Mit Bescheid vom 23.09.2010 bewilligte die Beklagte eine Arbeitserprobungsmaßnahme im Berufsförderungswerk E.. Während der Maßnahme wurde vom Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie R. vom Medizinischen Dienst des Berufsförderungswerks ein nervenärztliches Gutachten erstellt. In dem Gutachten vom 05.11.2010 führte Herr R. aus, dass die vom Kläger angestrebte Umschulung zum Arbeitserzieher bzw Arbeitspädagogen aufgrund der verminderten Stressbelastbarkeit sowie der mangelnden Abgrenzungsfähigkeit wie auch eine Umschulung in einen sonstigen sozial helfenden, therapeutischen oder pädagogischen Beruf nervenärztlicherseits abzulehnen sei. Nervenärztlicherseits bestünden keine Bedenken gegen Umschulungsmaßnahmen in sachbezogene Berufe zB leichte handwerkliche Berufe oder in dem kaufmännischen Bereich. Im Ergebnisbericht des Berufsförderungswerks vom 01.12.2010 wurde angegeben, dass eine Rückkehr in den erlernten Beruf des Industriemechanikers nicht leidensgerecht sei. Von einer Umschulung zum Arbeitserzieher sei neben dem nervenärztlichen Gutachten auch aufgrund der Ergebnisse der arbeitspraktischen Erprobung abzuraten. Gleiches gelte für den Beruf des Mediengestalters. Für kaufmännische Berufe lägen volle Eignungsvoraussetzungen vor, allerdings fehle die Motivation des Klägers. Im Ergebnisbericht vom 01.12.2010 wurde der Kläger für folgende Berufe als geeignet angesehen: kaufmännischer Bereich (außer Veranstaltungskaufmann, Speditionskaufmann), zeichentechnische Berufe, Augenoptiker, pharmazeutisch-technischer Assistent, Einrichtungsberater Küche, Facility-Management-Assistent, Sozialversicherungsfachangestellter, Hörgeräteakustiker. Keine Eignung bestehe für folgende Tätigkeiten: Industriemechaniker, Zerspanungsmechaniker, Physiotherapeut, Masseur, medizinischer Bademeister, Arbeitserzieher und Arbeitspädagoge.

Mit Bescheid vom 04.03.2011 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme für die Umschulung zum Arbeitserzieher ab, da für die angestrebte Ausbildung keine gesundheitliche Eignung bestehe. Eine berufliche Eingliederun...

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