Entscheidungsstichwort (Thema)

Alterssicherung der Landwirte. Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Wiederaufnahmemöglichkeit. Verfahrensgegenstand nach neuem Bescheid

 

Leitsatz (amtlich)

Die Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens als Voraussetzung für einen Rentenanspruch - hier in Form der Änderung bestehender Verträge - lässt sich nicht über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch herstellen.

 

Orientierungssatz

1. Es liegt keine Abgabe iS des § 21 ALG vor, wenn der landwirtschaftliche Unternehmer aufgrund seiner rechtlichen Stellung oder tatsächlicher Befugnisse weiterhin in der Lage ist, alsbald oder jederzeit die Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen wieder aufzunehmen und so die Unternehmereigenschaft zurückerlangen kann (vgl BSG vom 19.10.2000 - B 10 LW 21/99 R = SozR 3-5868 § 21 Nr 2).

2. Zum Leitsatz hinsichtlich der Berücksichtigung einer in der Gestaltungsmacht ausschließlich des Bürgers liegenden Disposition bei einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch vgl BSG vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 63/06 R = SozR 4-1200 § 14 Nr 10.

 

Normenkette

ALG § 21 Abs. 1, 2 S. 1, Abs. 7 S. 2, § 13 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 1 Abs. 5 S. 1; GAL § 2 Abs. 2; SGB VI § 43; SGG § 96 Abs. 1

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 22.01.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Kläger begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) für die Zeit vom 01.05.2010 bis 31.01.2012.

Der am 1947 geborene Kläger bewirtschaftete ein landwirtschaftliches Unternehmen oberhalb der Mindestgröße von acht Hektar (Bl. 123 SG-Akte) und war von Januar 1971 bis Januar 2010 zur Beklagten versicherungspflichtig (Bl. 117 SG-Akte). Er ist Eigentümer von 10,5263 Hektar landwirtschaftlicher Flächen (Bl. 110 SG-Akte), die er zwischenzeitlich verpachtet hat. Bereits im Jahr 2007 hatte er an W. G. das Flurstück 10735 (0,3743 Hektar) und das Flurstück 10736 (1,7320 Hektar), beides Äcker, und an R. F. das Flurstück 9186 (0,1459 Hektar), ebenfalls Acker, für die Zeit vom 01.01.2007 bis 30.11.2013 verpachtet (Bl. 17 ff. LSG-Akte). Die entsprechenden schriftlichen Verträge vom 03.05.2007 enthielten in § 10 Regelungen über eine außerordentliche Kündigung und in § 11 als zusätzliche Vereinbarung unter Absatz 3 den Passus “Der Verpächter kann jederzeit mit einer Frist von 12 Monaten den Vertrag vorzeitig kündigen„. Beide Verträge sind mit schriftlicher Vereinbarung vom 27.01.2012 dahingehend geändert worden, dass der Pachtvertrag bis zum 30.11.2013 beibehalten und das außerordentliche Kündigungsrecht gemäß § 10 des Pachtvertrages ausgesetzt worden ist. Ebenfalls am 27.01.2012 hat der Kläger mit M. S. einen Pachtvertrag u.a. über die eben erwähnten Flurstücke und die Zeit vom 01.12.2013 bis 30.11.2023 abgeschlossen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die in den Verwaltungsakten bzw. den Senatsakten befindlichen Kopien dieser Verträge Bezug genommen.

Den Rentenantrag des Klägers vom August 2009 lehnte die Beklagte nach medizinischer Sachaufklärung (Gutachten der Fachärztin für Psychiatrie Dr. K. : chronifizierte depressive Entwicklung, Leistungsvermögen unter drei Stunden, medikamentöse Therapie empfohlen; beratungsärztliche Stellungnahme, Bl. 29 VA: bisher keinerlei Therapieversuch, daher sechs Stunden und mehr leistungsfähig) mit Bescheid vom 06.11.2009 und Widerspruchsbescheid vom 23.03.2010 ab. Leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes seien sechs Stunden und mehr möglich. Außerdem sei die Voraussetzung der Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens nicht erfüllt.

Während des hiergegen am 16.04.2010 beim Sozialgericht Freiburg eingeleiteten Klageverfahrens und nach entsprechender Sachaufklärung (psychiatrisches Gutachten von Prof. Dr. E. : depressive Episode mit somatischem Syndrom, Leistungsfähigkeit unter sechs Stunden ab Untersuchungsdatum, Besserung durch eine medikamentöse Therapie innerhalb von sechs Monaten möglich; psychiatrisch-psychosomatisches Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetzes - SGG - von Dr. G. : chronifizierte schwere depressive Episode, Leistungsfähigkeit unter sechs Stunden seit Oktober 2009, keine Besserungsaussicht nach durchgeführter Pharmakotherapie) hat die Beklagte im Dezember 2011 das Vorliegen von Erwerbsminderung nach § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) anerkannt (Bl. 109 SG-Akte) und der Kläger hat dieses Anerkenntnis angenommen (Bl. 112 SG-Akte). Nach Vorlage der oben erwähnten Verträge vom 27.01.2012 hat die Beklagte mit Bescheid vom 09.02.2012 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Grund Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes ab dem 01.02.2012 bewilligt. Zur Begründung des Rentenbeginns hat sie ausgeführt, eine rechtlich wirksame Abgabe sei am 27.01.2012 durch schriftlichen Vertragsabschluss erfolgt. Die Verträge vom 03.05.2007 h...

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