Entscheidungsstichwort (Thema)

gesetzliche Unfallversicherung. Witwenrente. Leistungsbeginn- Anmeldung des Entschädigungsanspruch innerhalb der 2-Jahresfrist. Unfallschilderung gegenüber Gemeinde-Sachbearbeiter. Empfangszuständigkeit. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Beratungsfehler. Zurechnung

 

Orientierungssatz

Zur fristgemäßen Anmeldung eines Hinterbliebenenrentenanspruchs aus der gesetzlichen Unfallversicherung gem §§ 1546, 1548 RVO, wenn die aus der ehemaligen Sowjetunion stammende Witwe auf dem Bürgermeisteramt wegen Hinterbliebenenrentenansprüchen vorsprach und einen Antrag auf eine Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung stellte.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 17.02.2009; Aktenzeichen B 2 U 34/07 R)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 28. November 2006 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für Zeiten vor dem 01.01.1997 Witwenrente zu gewähren und diese nach den damals gültigen Vorschriften zu berechnen.

Die ... 1955 geborene, aus der ehemaligen Sowjetunion stammende Klägerin ist die Witwe des 1951 geborenen und am 13.09.1983 verstorbenen W P (W. P.). Die Klägerin siedelte mit ihren drei Kindern (geboren 1975 und 1978) am 06.06.1992 aus ihrer Heimat in die Bundesrepublik Deutschland (BRD) über. Die Klägerin erhielt den Vertriebenenausweis A und besitzt seit ihrer Einbürgerung im Jahr 1997 die deutsche Staatsangehörigkeit.

Die Klägerin sprach wegen der Ansprüche der Familie auf Hinterbliebenenrenten beim Bürgermeisteramt S - Geschäftsstelle H - vor. Dort unterschrieb sie am 14.09.1992 unter anderem einen "Antrag auf Hinterbliebenenrente aus der Rentenversicherung der Arbeiter". Das Formular wurde von einer Mitarbeiterin der Stadt ausgefüllt. Dabei wurde die Frage nach bezogenen oder beantragten Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung verneint. Zur Todesursache des Verstorbenen wurde angegeben: "Verkehrsunfall (Herr P fiel unter sein Fahrzeug und wurde erdrückt)". Bei dieser Antragstellung lagen unter anderem das Arbeitsbuch des W. P. mit Übersetzung aus dem Russischen sowie die Sterbeurkunde vor. Aus dem Arbeitsbuch ergibt sich, dass der Verstorbene seit 1973 als "Fahrer" beschäftigt war. Die Sterbeurkunde führt als Todesursache: "Bluterguss unter die Hirnhaut in Folge einer Asphyxie (Zusammenpressen des Brustkorbes)" und als Todesort die Sowchose K in Kasachstan auf. Der Antrag und die beigefügten Unterlagen wurden an die damalige Landesversicherungsanstalt (LVA) Baden (heute Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg) weitergeleitet. Diese gewährte der Klägerin ab 06.06.1992 große Witwenrente.

Am 31.12.2000 stellte die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten bei der Beklagten einen Antrag auf Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach dem Fremdrentengesetz (FRG), da W. P. an den Folgen eines Arbeitsunfalles verstorben sei. Die Beklagte beauftragte die Ortsbehörde der Stadt S, die Klägerin einzubestellen und eine formularmäßige Erklärung zum Unfallhergang sowie einen Fragebogen zur Klärung der Zuständigkeit ausfüllen zu lassen. Diese Unterlagen wurden von der Klägerin am 07.11.2001 bei der Stadtverwaltung S unterzeichnet. Die Beklagte zog sodann die Akten der LVA B bei und ließ durch die Stadt B bzw. die Stadt L zwei Zeugen zu dem Unfall des W. P. vernehmen. Außerdem richtete sie zur Aufklärung des Unfalls ein Amtshilfeersuchen an die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Kasachstan. Diese übersandte das Schreiben des Ministeriums für Kultur, Information und gesellschaftlichen Konsens der Republik Kasachstan vom 14.03.2002, wonach bei den kasachischen Behörden keine Unterlagen über den Unfall mehr aufzufinden sind. Die Beklagte lehnte daraufhin die Gewährung von Witwenrente zunächst mit Bescheid vom 30.10.2002 mit der Begründung ab, es sei nicht glaubhaft gemacht, dass W. P. an den Folgen eines versicherten Arbeitsunfalles verstorben sei. In ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 22.10.2003 gab die Klägerin an, W. P. habe am Unfalltag zusammen mit seiner LKW-Kolonne der Sowchose K an Erntearbeiten teilgenommen. Die Arbeit habe sich wegen Reparaturarbeiten am Mähdrescher bis in den Abend hingezogen. Nach ihren Informationen sei der Mähdrescher dann beim Überqueren einer Brücke abgerutscht und in einen Graben gestürzt. W. P. sei unter den Mähdrescher geraten und von ihm erdrückt worden. Daraufhin half die Beklagte dem Widerspruch der Klägerin ab und gewährte dieser mit Bescheid vom 20.11.2003 ab 01.01.1997 Witwenrente in Höhe von 30 vom Hundert (v. H.) bzw. ab 01.03.2000 in Höhe von 40 v. H. des Jahresarbeitsverdienstes (JAV). Zur Begründung führte sie aus, da die Klägerin nicht unmittelbar nach ihrer Übersiedlung in die BRD am 06.06.1992 einen Leistungsanspruch angemeldet habe, sondern erst mit Schreiben vom 31.12.2000, se...

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