Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeldanspruch. Bemessungsentgelt. Auslandsbeschäftigung -Nichtberücksichtigung des in der Schweiz erzielten Arbeitsentgelts. Berücksichtigung des Arbeitsentgelts der letzten Beschäftigung im Inland. Zufluss nach Eintritt der Arbeitslosigkeit. keine fiktive Bemessung. europarechtliche Koordinierung. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim BSG: B 11 AL 9/17 R

 

Orientierungssatz

1. Folgt auf Zeiten einer Auslandsbeschäftigung eine Beschäftigung im Inland, richtet sich die Bemessung des Arbeitslosengeldes nach Art 62 Abs 1 EGV 883/2004 ausschließlich nach dem bei der letzten Beschäftigung im Inland erhaltenen Arbeitsentgelt (vgl BSG Urteil vom 17.3.2015 - B 11 AL 12/14 R = SozR 4-4300 § 131 Nr 6).

2. Eine fiktive Bemessung nach § 152 SGB 3 ist auch dann ausgeschlossen, wenn im Bemessungszeitraum kein Arbeitsentgelt nach deutschen Rechtsvorschriften erwirtschaftet wurde und das im Inland erwirtschaftete Arbeitsentgelt erst nach Beendigung der letzten Beschäftigung ausgezahlt wurde.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 17.09.2020; Aktenzeichen B 11 AL 1/20 R)

BSG (EuGH-Vorlage vom 23.10.2018; Aktenzeichen B 11 AL 9/17 R)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten und die (selbstständige) Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 19. Januar 2016 werden zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger 1/10 der außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten steht die Höhe des dem Kläger bewilligten Arbeitslosengeldes (Alg) im Streit.

Der 1956 geborene Kläger war vom 1. Juli 1990 bis 31. Oktober 2014 in F.-W. in der Schweiz bei der Firma M.-M. als Werkzeugvoreinsteller bzw. Fräser tätig. Sein Arbeitseinkommen betrug im Jahr 2012 80.645,45 CHF, im Jahr 2013 72.800,- CHF und im Zeitraum 1. Januar 2014 bis 31. Oktober 2014 83.086,20 CHF. Der Kläger ist während seiner Tätigkeit in der Schweiz täglich von seinem Wohnort zu seinem Arbeitsplatz gependelt.

Bereits am 4. Februar 2014 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er zum 31. Mai 2014 gekündigt worden sei und meldete sich arbeitsuchend. In einem Erstgespräch am 14. Februar 2014 führte er aus, dass er aufgrund einer Betriebsschließung zum 31. Mai 2014 gekündigt worden sei. Er suche eine Stelle in Vollzeit in RT., S., K., Grenzgebiet Schweiz als Fräser und bewerbe sich bereits aktiv. Zwischen dem Kläger und der Beklagten wurde eine Eingliederungsvereinbarung abgeschlossen. Am 12. Mai 2014 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass sein Arbeitsverhältnis bis 31. August 2014 verlängert worden sei. Am 6. August 2014 teilte er eine weitere Verlängerung des Arbeitsverhältnisses bis zum 31. Oktober 2014 mit. Die Beteiligten schlossen daraufhin eine neue Eingliederungsvereinbarung ab. Am 20. Oktober 2014 meldete sich eine Mitarbeiterin der XYZ Präzisionstechnik GmbH L. bei der Beklagten und teilte mit, dass sie den Kläger gerne einstellen möchten. Sie erkundigte sich nach Fördermöglichkeiten. Am 24. Oktober 2014 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er eine vielversprechende Bewerbung bei der XYZ Präzisionstechnik GmbH am L. habe. Am selben Tag schlossen die Beteiligten nochmals eine Eingliederungsvereinbarung ab. Am 24.Otober 2014 meldete sich der Kläger außerdem arbeitslos für die Zeit ab 1. November 2014. Am 30. Oktober 2014 teilte der Kläger der Beklagten sodann mit, dass er ab 1. November 2014 eine Tätigkeit bei der XYZ Präzisionstechnik GmbH aufnehmen werde. Seine Arbeitslosmeldung zum 1 November 2014 wurde daraufhin wieder gelöscht.

Vom 1. November 2014 bis 24. November 2014 war der Kläger sodann bei der Firma XYZ in L. als Werkzeugvoreinsteller tätig. Das Arbeitsverhältnis wurde durch Kündigung des Arbeitgebers am 10. November 2014 in der Probezeit zum 24. November 2014 beendet. Der Kläger wurde sofort freigestellt. Dem Kläger wurde für diese Tätigkeit ausweislich der Lohn- und Gehaltsabrechnung ein Arbeitsentgelt in Höhe von 2.232,77 € ausgezahlt.

Am 10. November 2014 meldete sich der Kläger wieder arbeitslos und stellte einen Antrag auf Bewilligung von Alg. Mit Bescheid vom 2. Januar 2015 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alg für den Zeitraum 25. November 2014 bis 24. November 2016 (720 Tage) in Höhe von täglich 29,48 € (monatlich 884,40 €, Bemessungsentgelt täglich 73,73 €, Lohnsteuerklasse I).

Gegen den Bewilligungsbescheid erhob der Kläger am 13. Januar 2015 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, dass die Höhe des Alg nicht korrekt sei. Er habe über 24 Jahr lang in der Schweiz gearbeitet und lediglich über eine Woche in Deutschland. Daher sehe er nicht ein, dass sein Schweizer Gehalt nicht als Grundlage für die Berechnung diene. Mit der jetzigen Höhe des Arbeitslosengeldes könne er seine Raten nicht mehr zahlen, könne Insolvenz anmelden und sein Auto verkaufen. Wäre ihm bewusst gewesen, dass er im Nachhinein bestraft werde, dass er die Tätigkeit in Deutschland aufgenommen habe, hätte er keine Arbeit in Deutschland aufgenommen.

Der Wid...

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