Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung. vorübergehender Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat der EU ohne Ausübung einer Berufstätigkeit während der Kindererziehung. Versicherungszeiten in einem geringen Umfang in einem weiteren Mitgliedstaat der EU vor der Kindererziehung

 

Orientierungssatz

Art 21 Abs 1 AEUV ist in einer Konstellation, in der eine Person ihren Wohnsitz vorübergehend in einen anderen Mitgliedstaat als den ihrer Herkunft verlegt hat, dahin auszulegen, dass er die zuständige Einrichtung des Herkunftsstaates dazu verpflichtet, im Hinblick auf die Gewährung einer Altersrente Kindererziehungszeiten, die in einem anderen Mitgliedstaat von einer Person zurückgelegt wurden, die zur Zeit der Geburt ihrer Kinder ihre Berufstätigkeit vorübergehend eingestellt und ihren Wohnsitz aus rein familiären Gründen im Hoheitsgebiet des zweiten Mitgliedstaats begründet hatte, so zu berücksichtigen, als seien diese Kindererziehungszeiten im Inland zurückgelegt worden, wenn vor und nach der Geburt der Kinder eine berufliche Tätigkeit in dem ersten Staat und in dem zweiten Mitgliedstaat nicht ausgeübt worden ist, und zwar auch dann, wenn in einem dritten Mitgliedstaat eine berufliche Tätigkeit in einem so geringen Umfang ausgeübt worden ist, dass er zu keinem eigenständigen Rentenanspruch in diesem Mitgliedstaat führt.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 27. August 2018 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren. Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer höheren Rente an die Klägerin unter Berücksichtigung weiterer Kindererziehungszeiten streitig.

Die 1948 geborene, verheiratete Klägerin war vom 1. April 1964 bis 30. September 1970 in der Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt. Vom 1. Oktober 1970 bis 31. August 1975 lebte sie in Großbritannien. Ausweislich der Auskunft des Britischen Rentenversicherungsträgers war sie dort in der Zeit vom 9. November 1970 bis 6. Juni 1971 insgesamt zehn Wochen versicherungspflichtig beschäftigt. Am 28. November 1970 heiratete sie den Beigeladenen.

Vom 2. Februar 1976 bis 31. Mai 1976 war die Klägerin erneut in der Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt. 1977 wurde ihre Tochter C., 1980 ihr Sohn C. geboren. Vom 16. November 1980 bis zum 30. September 1985 lebte die Klägerin mit ihrer Familie in Frankreich. In dieser Zeit übte sie keine Beschäftigung aus. Danach kehrte sie mit ihrer Familie in die Bundesrepublik Deutschland zurück und war hier erneut in der Zeit vom 1. September 1990 bis zum 31. Mai 2008 versicherungspflichtig beschäftigt.

Auf ihren Antrag auf Kontenklärung und auf Feststellung von Zeiten der Kindererziehung vom 12. Februar 1990, in welchem die Klägerin einen Auslandsaufenthalt in Frankreich nicht angegeben hatte, stellte der Beklagte mit Vormerkungsbescheid vom 22. März 1990 die bis zum 31. Dezember 1983 zurückgelegten Zeiten fest und berücksichtigte hierbei für das Kind C. die Zeit vom 1. April 1977 bis 31. März 1978 und für das Kind C. die Zeit vom 1. Juli 1980 bis 30. Juni 1981 als Versicherungszeit in der gesetzlichen Rentenversicherung wegen Kindererziehung.

Am 6. März 2003 stellte die Klägerin bei der Beklagten den Antrag auf Feststellung von Kinderziehungszeiten/Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung und gab hierbei an, ihre Kinder von Dezember 1980 bis 1985 in Frankreich erzogen zu haben.

Auf Anfrage der Beklagten teilte der Arbeitgeber des zum Verfahren beigeladenen Ehemanns der Klägerin mit (Schreiben vom 2. September 2003 und 18. September 2003), dieser sei in der Zeit von Oktober 1980 bis September 1985 zur Tochtergesellschaft in Frankreich versetzt worden. Während der Dauer des Einsatzes habe ein ruhendes Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber in Deutschland und ein aktives Arbeitsverhältnis mit der Auslandstochtergesellschaft bestanden. Bei dem Einsatz sei von einer Befristung bzw. einer vorübergehenden Beschäftigung ausgegangen worden. Die betriebliche Altersversorgung sei während des Auslandseinsatzes aufrechterhalten worden. Aufgrund des ruhenden Arbeitsverhältnisses habe der Ehemann der Klägerin das Recht gehabt, nach der Rückkehr erneut einen Arbeitsplatz in Deutschland zu erhalten. Ein Rückrufrecht und eine zeitliche Befristung der Auslandstätigkeit seien schriftlich nicht vereinbart worden, jedoch seien beide Parteien davon ausgegangen, dass spätestens zur Schulpflicht der Kinder die Familie wieder nach Deutschland zurückkehre.

Mit Schreiben vom 14. Oktober 2003 teilte die Beklagte der Klägerin mit, der Bescheid vom 22. März 1990 sei insoweit rechtswidrig, als die Zeit vom 1. Dezember 1980 bis 30. Juni 1981 als Erziehungszeit für die Erziehung des Sohnes C. anerkannt worden sei. Eine Rücknahme des Bescheides se...

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