Entscheidungsstichwort (Thema)

Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung bei einem Spätaussiedler aus Kasachstan. Zuordnung der Kindererziehungszeiten zum Vater. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den (hier verneinten) Voraussetzungen für die Anerkennung von Kindererziehungszeiten eines Spätaussiedlers in Kasachstan.

 

Orientierungssatz

Die Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung sind einem Vater nicht schon lediglich deswegen zuzuordnen, weil seine Ehefrau, der diese Zeiten nach dem Auffangtatbestand zustünden, die Voraussetzungen des § 56 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 6 nicht erfüllt. Dies ist auch nicht verfassungswidrig (vgl BSG vom 25.2.2020 - B 13 R 284/18 B = juris RdNr 7).

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 29.07.2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Anerkennung von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung.

Der 1958 in K. (K.) geborene Kläger zog am 19.12.1996 gemeinsam mit seiner Ehefrau sowie mit den beiden gemeinsamen Söhnen A. (geboren 1987) und W. (geboren 1982) in die Bundesrepublik Deutschland zu. Der Kläger ist nach § 4 Bundesvertriebenengesetz (BVFG) als Spätaussiedler, seine Ehefrau als Ehegatte eines Spätaussiedlers nach § 7 Abs 2 BVFG anerkannt.

Im Oktober 2003 stellte der Kläger bei der Landesversicherungsanstalt S. einen Antrag auf Kontenklärung und machte Angaben zu seinen Beschäftigungen in der ehemaligen Sowjetunion bzw der Republik K.. Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung machte er ausdrücklich nicht geltend („8 Angaben zu Kindererziehungs-/Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung Werden Kindererziehungszeiten/ Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung geltend gemacht? x nein“). Er legte das Arbeitsbuch vor, wonach er zum 11.08.1981 zum Leiter der Maschinen-Traktoren-Werkstatt ernannt, vom 13.01.1982 bis 18.11.1982 als Hauptingenieur in der Sowchose „S.“ sowie vom 14.12.1982 bis 17.12.1996 als Schlosser, Meister und Elektroschweißer in dem Werk für Reparatur der Bergtransportausrüstung K. beschäftigt war.

Wegen knappschaftlicher Zeiten wurde der Kläger der Knappschaftlichen Rentenversicherung zugeordnet. Mit Bescheid vom 22.03.2012 stellte die Beklagte nach § 149 Abs 5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) die in dem beigefügten Versicherungsverlauf enthaltenen Daten für die Zeit bis zum 31.12.2005 verbindlich fest. Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung berücksichtigte die Beklagte nicht.

Am 19.04.2012 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 22.03.2012 ein mit der Begründung: „In dem vorliegenden Bescheid wurden die Kindererziehungszeiten nicht berücksichtigt. (aufgrund eigenen Versäumnisses)“. Am 30.04.2012 reichte der Kläger den Formularantrag „Antrag auf Feststellung von Kindererziehungszeiten/Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung“ bei der Beklagten ein. In diesem gab er an, er habe die Kinder jeweils von der Geburt bis zu deren vollendetem zehnten Lebensjahr erzogen. Die Erziehung sei ohne Unterbrechung gemeinsam mit dem anderen Elternteil erfolgt. Seine Ehefrau habe die Kinder nicht überwiegend erzogen. Eine übereinstimmende Erklärung über die Zuordnung der Erziehungszeit zu einem anderen Elternteil sei bei einem Rentenversicherungsträger nicht abgegeben worden. Eine Entscheidung über den Widerspruch bzw Antrag des Klägers erfolgte nicht.

Am 04.06.2018 beantragte der Kläger erneut die Feststellung von Kindererziehungszeiten/Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung. Auch in diesem Antrag gab er an, dass er die Kinder von der Geburt bis zur Vollendung des zehnten Lebensjahres jeweils erzogen habe. Die Erziehung sei ohne Unterbrechung gemeinsam mit dem anderen Elternteil erfolgt. Der andere Elternteil habe die Kinder nicht überwiegend erzogen. Eine übereinstimmende Erklärung über die Zuordnung der Erziehungszeiten zu einem anderen Elternteil sei nicht erfolgt. Seine Ehefrau bestätigte die Angaben des Klägers mit ihrer Unterschrift (wie bereits im Antrag vom 30.04.2012).

Mit Bescheid vom 10.09.2018 lehnte die Beklagte die Vormerkung einer Kindererziehungszeit vom 01.01.1983 bis 31.12.1984 sowie einer Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung vom 14.12.1982 bis zum 31.12.1992 für das Kind W. sowie einer Kindererziehungszeit vom 01.06.1987 bis zum 31.05.1989 und eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung vom 08.05.1987 bis zum 07.05.1997 für das Kind A. ab, weil eine übereinstimmende Erklärung zugunsten des Klägers nicht abgegeben worden sei und eine überwiegende Erziehung durch den Kläger nicht vorgelegen habe. Dagegen legte der Kläger am 10.10.2018 Widerspruch ein. Die Beklagte zog einen Gesamtkontospiegel der Ehefrau des Klägers bei und ermittelte, dass der kontoführende Rentenversicherungsträger, die Deutsche Rentenversicherung (DRV), die Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungsz...

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