Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit des Ausschlusses der rentenrechtlichen Anrechnung von Kindererziehungszeiten im Ausland

 

Leitsatz (amtlich)

Der Ausschluss von Kindererziehungszeiten im Ausland von der Berücksichtigung in der gesetzlichen Rentenversicherung ist verfassungsgemäß.

 

Orientierungssatz

Zum Leitsatz vgl BVerfG vom 2.7.1998 - 1 BVR 810/90, BSG vom 23.10.2003 - B 4 RA 15/03 R = BSGE 91, 245 = SozR 4-2600 § 56 Nr 1 sowie LSG Stuttgart vom 1.3.2013 - L 4 R 4921/11.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12. August 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt die Anrechnung von Kindererziehungszeiten für die Erziehung ihrer Kinder im Ausland.

Die Klägerin ist am 1952 geboren und bei der Beklagten rentenversichert. Am 1974 heiratete die Klägerin. Die Tochter N. wurde am ... 1974 in Karlsruhe geboren. Nachdem ihr Ehemann in Deutschland keine Beschäftigung gefunden hatte, zog die Klägerin mit ihrer Familie im Januar 1977 in das Haschemitische Königreich Jordanien (im Folgenden: Jordanien). Aus der Ehe gingen zwei weitere Kinder hervor: Die Tochter M. wurde am ... 1978 in Jordanien sowie die Tochter R. am … 1981 in Jordanien geboren. Im August 1996 kehrte die Klägerin nach dem Tod ihres Ehemannes mit ihren Töchtern nach Karlsruhe zurück.

Mit Bescheid vom 20. Oktober 1992 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin unter anderem eine Kindererziehungszeit vom 1. August 1974 bis 31. Juli 1975 (betreffend die Tochter N.) fest und lehnte es ab, für die Zeit vom 1. Juni 1978 bis 31. Mai 1979 (betreffend die Tochter M.) sowie vom 1. November 1981 bis 31. Oktober 1982 (betreffend die Tochter R.) Kindererziehungszeiten festzustellen. Mit Bescheid vom 24. Oktober 2014 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin fest, dass für die Tochter N. die Zeit vom 1. August 1975 bis zum 31. Juli 1976 (zusätzlich) als Kindererziehungszeit vorgemerkt wird. Die Vormerkung beruhe auf der seit dem 1. Juli 2014 in Kraft getretenen Erhöhung der zu berücksichtigenden Kindererziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder um bis zu 12 Kalendermonate. Im selben Bescheid lehnte es die Beklagte ab, die Zeit vom 1. Juni 1979 bis zum 31. Mai 1980 als (zweite) Kindererziehungszeit für die Tochter M. sowie die Zeit vom 1. November 1982 bis zum 31. Oktober 1983 als (zweite) Kindererziehungszeit für die Tochter R. vorzumerken, weil die Kinder in dieser Zeit im Ausland erzogen worden seien.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 25. November 2014 Widerspruch. Die Ablehnung der Kindererziehungszeiten und damit der “Mutterrente„ für ihre Kinder M. und R. stelle eine unbillige Härte und Benachteiligung dar. Beide Kinder hätten in Deutschland ihr Abitur abgelegt und danach erfolgreich studiert. Beide trügen durch ihre Berufstätigkeit zum Sozialprodukt der Bundesrepublik Deutschland bei.

Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 2015 zurück. Eine Anrechnung von Kindererziehungszeiten komme nur in Betracht, wenn die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt sei und sich der Erziehende mit dem Kind dort gewöhnlich aufgehalten habe. Da sich die Klägerin ab dem 1. Januar 1977 im Ausland aufgehalten habe, komme eine Anerkennung von Kindererziehungszeiten für die Kinder M. und R. nicht in Betracht. Gleiches gelte für die Zeit der Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehungszeiten für die Zeiten des Auslandsaufenthaltes. Daher sei auch die Anerkennung des (zweiten) Kindererziehungsjahres aus demselben Grund abzulehnen gewesen.

Hiergegen erhob die Klägerin am 5. März 2015 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG). Sie und ihre Töchter seien sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Es sei nicht nachvollziehbar und auch nicht hinnehmbar, dass ihre Erziehungsleistung für ihre drei Töchter von der Beklagten nur deshalb nicht anerkannt werde, weil diese Erziehungsleistung nicht in Deutschland erbracht worden sei.

Die Beklagte trat der Klage unter Hinweis auf ihren Widerspruchsbescheid entgegen.

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 12. August 2015 ab. Die Kindererziehungszeiten für M. und R. seien nicht anzuerkennen, da die Erziehung im Ausland erfolgt sei. Im Falle der Klägerin greife auch kein Gleichstellungstatbestand ein. Weder die Klägerin noch ihr Ehemann hätten unmittelbar vor der Geburt oder während der Erziehung eine Beschäftigung ausgeübt, die Pflichtbeiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung nach sich gezogen hätten. Die Regelung des § 56 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) verstoße auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Grundgesetz (GG).

Gegen das ihr am 15. August 2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 3. September 2015 Berufung eingelegt. Das Territorialprinzip in § 56 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI verstoße gegen Art. 3 GG. Es seien durchaus Fälle denkbar, in denen für die Erziehungszeit - sei diese im In- oder...

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