Entscheidungsstichwort (Thema)

Fingiertes Arbeitsverhältnis. Arbeitnehmerüberlassung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Gemäß § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG gilt ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zu dem zwischen dem Entleiher und dem Verleiher für den Beginn der Tätigkeit vorgesehenen Zeitpunkt als zu Stande gekommen, wenn der Vertrag zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer gem. § 9 Nr. 1 AÜG unwirksam ist.

2. § 5 Abs. 5 LuftSiG stellt keine die Regelungen der §§ 9, 10 AÜG verdrängende Spezialnorm dar.

3. Die Annahme einer Arbeitnehmerüberlassung scheidet aus, wenn das wesentliche Kriterium der vollständigen Verlagerung des Weisungsrechts auf den Entleiher nicht gegeben ist.

 

Normenkette

AÜG § 10 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Urteil vom 04.03.2010; Aktenzeichen 7 Ca 319/09)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 18.01.2012; Aktenzeichen 7 AZR 723/10)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 04. März 2010 – 7 Ca 319/09 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren um den Bestand eines Arbeitsverhältnisses zur Beklagten, primär wegen behaupteter illegaler Arbeitnehmerüberlassung gemäß § 10 Abs. 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) im Bereich der Fluggastkontrolle am Flughafen Hamburg.

Bei der Fluggastkontrolle handelt es sich um eine hoheitliche Aufgabe nach Maßgabe des Bundespolizeigesetzes und des Luftsicherheitsgesetzes (LuftSiG).

Die Bundespolizei führt als Luftsicherheitsbehörde u.a. Fluggast- und Gepäckkontrollen teils mit eigenen Mitarbeitern (Kontroll-Beamten oder angestellten Fluggastkontrollkräften) durch. Daneben kann die Luftsicherheitsbehörde nach § 5 Abs. 5 Satz 1 LuftSiG geeigneten Personen als Beliehenen die Wahrnehmung bestimmter Aufgaben bei der Durchführung von Sicherheitsmaßnahmen übertragen.

§ 5 LuftSiG lautet auszugsweise:

„§ 5 Besondere Befugnisse der Luftsicherheitsbehörden

(5)

Die Luftsicherheitsbehörde kann geeigneten Personen als Beliehenen die Wahrnehmung bestimmter Aufgaben bei der Durchführung der Sicherheitsmaßnahmen gemäß den Absätzen 1 bis 4 übertragen. Die Beleihung kann jederzeit widerrufen werden. Der Beliehene ist im Rahmen der ihm übertragenen Aufgaben und der sonst geltenden Gesetze befugt, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen.

(6)

Die Aufgaben und Befugnisse der Polizeivollzugsbehörden bleiben unberührt.”

Die Beklagte schloss mit der FIS Flug- und Industriesicherheit Service und Beratungs-GmbH (im Folgenden: FIS GmbH) im Oktober 2005 einen Vertrag über die Durchführung von Aufgaben der Luftsicherheit nach § 5 LuftSiG auf dem Flughafen Hamburg.

Der Vertrag sah auszugsweise Folgendes vor:

㤠1 Gegenstand des Vertrages

(1) Die Auftraggeberin überträgt der Auftragnehmerin Fluggastkontrolldienstleistungen nach § 5 des Luftsicherheitsgesetzes auf dem Flughafen Hamburg.

(2) Der Leistungsinhalt und Leistungsumfang ist in der Anlage zum Vertrag (Leistungsverzeichnis und dessen Anlagen 1 bis 5) festgelegt.

….”

„…

§ 3 Abruf von Einsatzstunden

(1) Das Verfahren zum Abruf von Einsatzstunden ist dem Leistungsverzeichnis zu entnehmen.

(2) Die Auftragnehmerin ist verpflichtet, die so geforderte Anzahl von Einsatzstunden zu erbringen.

§ 4 Aufgaben der Auftragnehmerin

(1) Die Auftragnehmerin erbringt die Leistung nach § 1 Abs. 1 dieses Vertrages durch ihre Mitarbeiter/-innen.

(2) Die Auftragnehmerin ist verpflichtet, die sich aus dem Leistungsverzeichnis ergebenden Mindestregelungsinhalte in eine Dienstanweisung aufzunehmen. Diese Dienstanweisung ist mit dem zuständigen Bundespolizeiamt einen Monat vor Leistungsbeginn abzustimmen.

§ 5 Vergütung

(1) Zur Abgeltung der Leistungen der Auftragnehmerin zahlt die Auftraggeberin der Auftragnehmerin eine Pauschalvergütung

pro eingesetzte Fluggastkontrollkraft und geleisteter Stunde in Höhe von …

§ 10 Aufsicht/Weisung

(1) Die seitens der Auftragnehmerin zur Vertragserfüllung eingesetzten Fluggastkontrollkräfte nehmen unter Aufsicht des jeweils auf Seiten der Bundespolizei zuständigen Bundespolizeipräsidiums und Bundespolizeiamtes die Aufgaben nach § 5 des Luftsicherheitsgesetzes wahr.

(2) Bedienstete der Bundespolizei sind berechtigt, der Auftragnehmerin zur Aufgabendurchführung jederzeit im Rahmen der ihnen als Luftfahrtbehörde nach § 5 des Luftsicherheitsgesetzes obliegenden Aufsicht fachliche Weisungen zu erteilen.

(3) Die Auftragnehmerin gewährleistet, dass während der gesamten Kontrollzeit ein Ansprechpartner mit Leitungsfunktion zur Verfügung steht. Das Weisungsrecht wird vorrangig gegenüber solchen Mitarbeitern der Auftragnehmerin ausgeübt, die Leitungsfunktionen wahrnehmen. Weisungen der Bundespolizei in operative Organisationseinheiten hinein erfolgen nur, wenn dies zur Abwehr einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr erforderlich ist; solche Weisungen von Bediensteten der Bundespolizei haben Vorrang vor Weisungen des Führungspersonals der Auftragnehmerin.

§ 11 Haftung

(1) Für Schäden, die von beliehenen Mitarbeitern/-innen der Auftragnehm...

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