Entscheidungsstichwort (Thema)

Verhaltensbedingte Kündigung. Beteiligung der Mitarbeitervertretung

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine verhaltensbedingte Kündigung kommt in Betracht, wenn ein arbeitsvertragswidriges Verhalten vorliegt, das zu einer erheblichen Betriebs- oder Vertrauensstörung führt, daraus die Prognose gerechtfertigt ist, in Zukunft sind ähnliche Verhaltensweisen zu erwarten und eine Interessenabwägung ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses ergibt.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2; MAVO Erzdiözese Freiburg § 30

 

Verfahrensgang

ArbG Mannheim (Urteil vom 27.02.2002; Aktenzeichen 2 Ca 259/00)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 25.03.2004; Aktenzeichen 2 AZR 380/03)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom27.02.2002 – Az.: 2 Ca 259/00 – abgeändert: Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Die Revision wird – beschränkt auf die ordnungsgemäße Anhörung der Mitarbeitervertretung – zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung.

Der 1951 geborene unverheiratete Kläger stand seit dem 01.01.1992 mit dem Beklagten in einem Arbeitsverhältnis als diplomierter Sozialarbeiter. Seine zuletzt bezogene monatliche Vergütung betrug DM 5.395,81 (EUR 2.756,42) brutto. Der beklagte Verein hat mehrere hundert Mitarbeiter. Es besteht eine gewählte Mitarbeitervertretung (im folgenden; MAV). Der Kläger war zunächst im Bereich der Asylbewerberbetreuung eingesetzt. Grundlage hierfür war ein zwischen dem beklagten Verein und der Stadt M… im Jahre 1992 abgeschlossener Betreuungsvertrag. Der Kläger sollte hier Sozialbetreuung in den Bereichen Einzelfallberatung, Gemeinwesenorientierung und Gruppenarbeit leisten. Nachdem die von ihm innegehabte Stelle wegen Beendigung des Betreuungsvertrages mit der Stadt M… weggefallen war, wurde der Kläger in das neu aufzubauende „Orientierungsprogramm” versetzt.

Unter dem 31.07.1998 wurde der Kläger abgemahnt (ABl. I, 54), weil er trotz mehrmaliger Aufforderung, dies zu unterlassen, ratsuchende erwachsene Frauen mit „Du” angesprochen habe. In einem Beschwerdeschreiben der Stadt an den Beklagten wurden Schwierigkeiten mit dem Kläger dargestellt: Dieser sei offensichtlich der ihm übertragenen Aufgabe nicht gewachsen. Es gebe nicht nur ständig große Probleme bei der Abwicklung des laufenden Geschäftsbetriebs; auch beschwerten sich die Teilnehmerinnen ständig über sein Verhalten. In einem weiteren Beschwerdeschreiben (ABl. I, 57) vom 17.08.1998 beklagt sich die Stadt M… beim Beklagten darüber, daß der Kläger sich weigere, die Teilnehmerlisten zu unterschreiben, weil er für deren Richtigkeit die Verantwortung nicht übernehmen wolle. Die Zusammenarbeit mit dem Kläger wurde als Zumutung für alle Beteiligten bezeichnet und um Abhilfe gebeten.

Im September 1998 fand ein umfassendes Gespräch zwischen dem Geschäftsführer des Beklagten und dem Kläger statt, in welchem auch seine Vorgesetzte, der Verwaltungsleiter des Beklagten sowie Mitglieder der MAV hinzugezogen wurden.

Im November 1998 begleitete der Kläger drei Frauen aus einem Qualifizierungsprojekt zu einem Vorstellungsgespräch bei einer Zeitarbeitsfirma. Die Geschehnisse dort sind streitig.

Der Beklagte entschloß sich schließlich, den Kläger aus dem „Orientierungsprogramm” herauszunehmen und ihn im Bereich der Nichtseßhaftenhilfe einzusetzen. Die vorgesehene Arbeit sollte in einer Fachberatungsstelle und Tagesstätte für Wohnungslose in M… stattfinden, die vom Landeswohlfahrtsverband Baden als Facheinrichtung anerkannt ist und mit einem Personalkostenzuschuß nach § 72 BSHG gefördert wird. In einem beabsichtigten Nachtrag vom 01.03.1999 (ABl. I, 153) zum Dienstvertrag vom 01.01.1992 (dieser: ABl. I, 151) heißt es u.a.:

„Mit Wirkung ab 01.03.1999 wird Herr W… mit Zustimmung der Mitarbeitervertretung aus seiner bisherigen Tätigkeit im sogenannten „Orientierungsprogramm” in das Referat „Nichtseßhaftenhilfe” versetzt. Eine Planstelle dort ist zwar nicht vorhanden, jedoch soll mit dem Angebot dieser Versetzung Herrn W… aus aktuellen Gründen eine letzte Möglichkeit gegeben werden, sich beruflich zu bewähren.

Die direkte Vorgesetzte von Herrn W… ist dort Sr. S… R ….

Die Hauptaufgaben von Herrn W… im Referat „Nichtseßhaftenhilfe” bestehen aus:

Geschirrspülen

Essensausgabe

Tee und Kaffee kochen

Servieren

Kleiderausgabe

Kleiderannahme

Kleider sortieren.

Die Erfüllung der aufgezählten Arbeiten geschehen in engem Kontakt mit den Obdachlosen, denen respektvoll und in angemessener Weise begegnet werden muß.”

Hierauf ließ der Kläger noch am gleichen Tage durch einen Gewerkschaftssekretär der ÖTV antworten:

„(…)

Im Auftrag unseres Mitgliedes biete ich Ihnen ausdrücklich die Arbeitskraft von Herrn W… im Rahmen des abgeschlossenen Arbeitsvertrages vom 1.01.1992 an. Herr W… ist beim Caritasverband als Sozialarbeiter beschäftigt. Im Rahmen dieses Arbeitsvertrages können Sie unter Beachtung...

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