Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilferecht: Übernahme von Schulgeld als Leistung der Eingliederungshilfe für Behinderte

 

Orientierungssatz

Die Leistungen der Eingliederungshilfe für Behinderte umfassen im Hinblick auf einen Schulbesuch nur solche Leistungen, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung stehen. Dagegen sind von der Eingliederungshilfe nicht solche Ausgaben umfasst, welche die Finanzierung der Schulbildung selbst betreffen. Insoweit ist die Übernahme von Schulgeld für eine private Ersatzschule keine im Rahmen der Eingliederungshilfe vom Sozialhilfeträger zu erbringende Hilfe für eine angemessene Schulbildung (Anschluss BSG, Urteil vom 15. November 2012, Az.: B 8 SO 10/11 R).

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 27. November 2009 aufgehoben, soweit darin der Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin ab dem 20. Juni 2007 Leistungen in Höhe von 150,00 € monatlich zu zahlen. Die Klage wird auch insoweit abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander für das Verfahren erster und zweiter Instanz keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten, ob der Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin ab dem 20. Juni 2007 Leistungen der Eingliederungshilfe in Form von Schulgeld zu gewähren.

Die 1996 geborene Klägerin hat das Down-Syndrom. Bei der Einschulungsuntersuchung am 7. Januar 2002 wurde eine multiple Dyslalie mit Dysgrammatismus und ein globaler Entwicklungsrückstand diagnostiziert. Mit Bescheid des Staatlichen Schulamts vom 10. April 2002 wurde ein sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt und die Schule für Praktisch Bildbare, B-Stadt als konkrete Schule bestimmt. Auf Antrag der Eltern vom 26. April 2002 auf Bestimmung der D-Schule erklärte das Staatliche Schulamt mit Schreiben vom 3. Mai 2002 sein Einverständnis mit einer Beschulung der Klägerin in dieser staatlich genehmigten Ersatzschule und Schule für praktisch Bildbare, Körperbehinderte, Lernhilfe und Erziehungshilfe auf anthroposophischer Grundlage. Die Eltern der Klägerin entschieden sich gegen die Schule für Praktisch Bildbare, B-Stadt und für die D-Schule, weil diese im Gegensatz zu jener einen strukturierten Tagesablauf, der an der staatlichen Schule gefehlt habe, biete. Sie versprachen sich von dieser Schulwahl, auch wenn sie für sie selbst finanziell ungünstiger war, eine bessere intellektuelle Förderung ihrer Tochter.

In einem undatierten Schulvertrag zwischen den Eltern der Klägerin und dem Verein für heilende Erziehung B-Stadt/BX. e.V., dem Träger der D-Schule, wurde die Klägerin mit Wirkung vom 12. August 2002 in die erste Klasse dieser Schule aufgenommen. Ziffer 6 des Vertrages lautet: “Das Schulgeld wird mit dem Kostenträger vereinbart„. In einer “Beitragserklärung„ vom 22. Juli 2002 sagten die Eltern gegenüber dem Verein für heilende Erziehung B-Stadt e.V. zu, ein monatliches Schulgeld in Höhe von 150,00 € zu zahlen, und erteilten eine entsprechende Einzugsermächtigung.

Mit Schreiben vom 19. Juni 2007, bei dem Beklagten eingegangen am 20. Juni 2007, beantragte die D-Schule im Namen der Eltern der Klägerin (und der Eltern eines weiteren Kindes) unter Vorlage entsprechender Vollmachten die Übernahme des für die Klägerin (und des weiteren Kindes) entstehenden Schulgeldes in Höhe von monatlich 302,92 € [sic] ab sofort gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII.

Der Beklagte hat den Antrag mit Bescheid vom 25. November 2008 abgelehnt und den Widerspruch der Klägerin vom 9. Dezember 2008 mit Widerspruchsbescheid vom 31. März 2009 zurückgewiesen.

Die Klägerin hat am 8. April 2008 Klage beim Sozialgericht Marburg erhoben. Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 27. November 2009 den Bescheid des Beklagten vom 25. November 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. März 2009 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, an die Klägerin ab dem 20. Juni 2007 Leistungen in Höhe von 150,00 € monatlich zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die zulässige Klage sei im tenorierten Umfang begründet. Anspruchsgrundlage für die Übernahme des Schulgeldes sei § 53 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII (Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung). Die Klägerin gehöre zum Kreis der Personen die eingliederungshilfeberechtigt seien, denn sie habe eine Behinderung im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX), die wesentlich ihre Fähigkeit, am Leben in der Gesellschaft teilzuhaben, einschränke. Die geistigen Fähigkeiten der Klägerin wichen von dem für das Lebensalter typischen Zustand ab, denn sie leide an einem globalen Entwicklungsrückstand bei Morbus Down. Diese Defizite beeinträchtigten sie in ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Die Übernahme des Schulgeldes stelle auch eine mögliche Leistung der Eingliederungshilfe dar. Wie sich schon aus § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII ergebe, gehörten Hilfen zu einer angemessenen Schulbild...

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