Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenversicherung. Vorstandsmitglied einer Vor-Aktiengesellschaft. Versicherungspflicht bzw -freiheit in einer weiteren Beschäftigung. Bestehen einer Aktiengesellschaft. Handelsregistereintag vor dem 6.11.2003. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Personen, die am 06.11.2003 lediglich Mitglieder des Vorstands einer Vor-AG waren, waren zum Zeitpunkt ihrer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit auch nach § 1 S. 4 SGB a.F. nicht von der Rentenversicherungspflicht ausgenommen und werden deshalb von der Übergangsregelung des § 229 Abs. 1a SGB VI nicht erfasst.

2. Der eng auszulegende Tatbestand des § 1 S. 4 SGB VI ist nicht auf Vorstandsmitglieder einer Vor-AG zu erstrecken.

 

Orientierungssatz

1. Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften sind nur dann auf Grund der Übergangsregelung des § 229 Abs 1a SGB 6 von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung hinsichtlich einer weiteren Beschäftigung ausgenommen, wenn der Handelsregistereintrag der Gesellschaft vor dem 6.11.2003 erfolgt ist.

2. Am Maßstab des Art 3 Abs 1 GG ist nicht zu beanstanden, dass Vorstandsmitglieder, die am 6.11.2003 lediglich Mitglieder des Vorstandes einer Vor-Aktiengesellschaft waren, vom Anwendungsbereich des § 229 Abs 1a S 1 SGB 6 ausgenommen sind.

 

Normenkette

SGB IV § 28i S. 2; SGB VI § 1 S. 4, § 229 Abs. 1a

 

Tenor

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger hinsichtlich seiner Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1. der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegt.

Der Kläger ist bei der Beigeladenen zu 1. abhängig beschäftigt. Mit Wirkung zum 6. November 2003 wurde er zusammen mit Frau E. zum Vorstand der F. Aktiengesellschaft (AG) bestellt. Diese AG, die in keinem unternehmerischen Zusammenhang mit der Beigeladenen zu 1. steht, wurde laut Satzung zum 6. November 2003 errichtet und am xx. xx. 2004 in das Handelsregister eingetragen. Gegenstand der AG ist laut Handelsregisterauszug die Verwaltung des eigenen Vermögens.

Am 18. Oktober 2004 beantragte der Kläger bei der Betriebskrankenkasse (BKK) Hoechst unter Verweis auf seine Vorstandstätigkeit die Feststellung der Rentenversicherungsfreiheit. Die BKK Hoechst fusionierte zum 1. Januar 2007 mit der Taunus BKK und der sancura BKK zur Beklagten.

Mit Bescheid vom 3. Mai 2005 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger auch weiterhin versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung sei. Die Gründung der F. AG sei nur deshalb erfolgt, damit der Kläger nicht der Rentenversicherungspflicht unterliege. Den hiergegen erhobenen Widerspruch begründete der Kläger damit, dass eine Umgehungsabsicht nicht vorgelegen habe.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2005 als unbegründet zurück. Da die Gründung der AG nur zu dem Zweck erfolgt sei, dass der Kläger nicht der Rentenversicherungspflicht in einer daneben ausgeübten Beschäftigung unterliege, falle die Bestellung zum Vorstand der AG bis zum 6. November 2003 nicht unter die Vertrauensschutzregelung des § 229 Abs. 1a des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI).

Hiergegen hat der Kläger beim Sozialgericht Gießen am 19. August 2005 Klage erhoben. Ein Missbrauchsfall liege nicht vor. Es sei nicht rechtsmissbräuchlich, steuer- und sozialrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten noch am letzten Tag auszuschöpfen. Auch vor Eintragung in das Handelsregister sei eine Aktiengesellschaft eine rechtlich existierende Einheit, die mit Sonderrechten ausgestattet sei. § 229 Abs. 1a SGB VI sei auch auf eine Vor-AG anwendbar. Denn § 41 Abs. 1 Satz 1 Aktiengesetz (AktG) treffe keine Aussage über die Sozialversicherungspflicht. Auch sei nach herrschender Identitätstheorie die entstandene Gesellschaft mit der errichteten Gesellschaft identisch - wenngleich mit unterschiedlicher Rechtsform ausgestattet. Der Vorstand könne bereits für die Vor-AG Rechte und Pflichten begründen, die auf die eingetragene AG übergingen. Hierfür hafte der Vorstand in vollem Umfang, gemäß § 41 Abs. 1 Satz 2 AktG auch persönlich. Ferner sei nicht nachvollziehbar und verfassungsrechtlich bedenklich, dass auf den Zeitpunkt der Eintragung ins Handelsregister abgestellt werde. Hierdurch werde die Sozialversicherungspflicht von Zufälligkeiten abhängig gemacht. Es verstoße zudem gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und den grundgesetzlich gewährten Anspruch auf Versorgungsfreiheit. Bei der Vor-GmbH spiele der Umstand der Handelsregistereintragung für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung des Geschäftsführers keine Rolle.

Mit Urteil vom 8. März 2007 hat das Sozialgericht Gießen die Klage abgewiesen. Der Kläger sei hinsichtlich seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. rentenversicherungspflichtig. Hieran habe auch seine Bestellung zum Vorstandsmitglied der F. AG nichts geändert. Vorstandsmitg...

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