Entscheidungsstichwort (Thema)

Antrag auf Vorabentscheidung nach Art 267 AEUV. Elterngeld. Bedienstete der Europäischen Zentralbank. Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland. Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach nationalem Recht. Anspruchsausschluss. Gesetzesvorbehalt. über- und zwischenstaatliches Recht. Kollisionsnorm. Anwendungsvorrang. Rechtscharakter von Art 15 EZBAbk iVm Art 36 ESZB/EZBSa. Begriff der "Beschäftigungsbedingungen". Günstigkeitsprinzip. Auslegung. Falls Frage 2 verneint wird

 

Leitsatz (amtlich)

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Vorabentscheidung gemäß Art 267 Abs 1 Buchst a und b, Abs 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) folgende Rechtsfragen vorgelegt:

1. Ist das Abkommen vom 18. September 1998 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Zentralbank (EZB) über den Sitz der EZB (Sitzstaatabkommen - juris: EZBAbk) Teil des Unionsrechts, dem Anwendungsvorrang vor dem nationalen Recht zukommt, oder handelt es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag?

2. Ist Art 15 des Sitzstaatabkommens in Verbindung mit Art 36 der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) und der EZB (juris: ESZB/EZBSa) einschränkend so auszulegen, dass die Anwendbarkeit des leistungsbegründenden deutschen Sozialrechts auf die Bediensteten der EZB lediglich dann ausgeschlossen ist, wenn den Bediensteten nach den "Beschäftigungsbedingungen" eine vergleichbare Sozialleistung durch die EZB erbracht wird?

3. Falls Frage 2 verneint wird:

a) Sind die genannten Vorschriften so auszulegen, dass sie der Anwendung einer nationalen Vorschrift entgegenstehen, die für die Gewährung von Familienleistungen allein dem Territorialitätsprinzip folgt?

b) Sind die Erwägungen des Gerichtshofs aus der Rechtssache Bosmann (vgl EuGH vom 20.5.2008 - C-352/06 = Slg 2008, I-3827, Rn 31-33) auf die Anwendung der genannten Vorschriften übertragbar? Spricht Art 15 des Sitzstaatabkommens in Verbindung mit Art 36 der Satzung des ESZB und der EZB der Bundesrepublik Deutschland nicht die Befugnis ab, den in ihrem Gebiet wohnhaften Beschäftigten der EZB Familienbeihilfen zu gewähren?

 

Tenor

I. Das Verfahren wird ausgesetzt.

II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Vorabentscheidung gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. a und b, Abs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) folgende Rechtsfragen vorgelegt:

1. Ist das Abkommen vom 18. September 1998 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Zentralbank (EZB) über den Sitz der EZB (Sitzstaatabkommen) Teil des Unionsrechts, dem Anwendungsvorrang vor dem nationalen Recht zukommt, oder handelt es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag?

2. Ist Art. 15 des Sitzstaatabkommens in Verbindung mit Art. 36 der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) und der EZB einschränkend so auszulegen, dass die Anwendbarkeit des leistungsbegründenden deutschen Sozialrechts auf die Bediensteten der EZB lediglich dann ausgeschlossen ist, wenn den Bediensteten nach den „Beschäftigungsbedingungen“ eine vergleichbare Sozialleistung durch die EZB erbracht wird?

3. Falls Frage 2 verneint wird:

Sind die genannten Vorschriften so auszulegen, dass sie der Anwendung einer nationalen Vorschrift entgegenstehen, die für die Gewährung von Familienleistungen allein dem Territorialitätsprinzip folgt?

Sind die Erwägungen des Gerichtshofs aus der Rechtssache Bosmann (Rs. C-352/06, Slg. 2008, I-3827, Rn. 31-33) auf die Anwendung der genannten Vorschriften übertragbar? Spricht Art. 15 des Sitzstaatabkommens in Verbindung mit Art. 36 der Satzung des ESZB und der EZB der Bundesrepublik Deutschland nicht die Befugnis ab, den in ihrem Gebiet wohnhaften Beschäftigten der EZB Familienbeihilfen zu gewähren?

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Zahlung von Elterngeld streitig.

Die Klägerin und Herr B. sind Eltern des 2008 geborenen Kindes EB. Sie stellten am 19. November 2008 Antrag auf Elterngeld. Dabei gab die Klägerin an, sie begehre Elterngeld unter Berücksichtigung ihres Erwerbseinkommens vor der Geburt des Kindes (Gehalt von der EZB), hilfsweise die Zahlung des Mindestbetrages (von 300,00 €). Sie sei deutsche Staatsangehörige und früher viele Jahre in Deutschland sozialversicherungs- und steuerpflichtig beschäftigt gewesen. Nunmehr sei sie Beschäftigte der EZB und zahle Lohnsteuer zu Gunsten der Europäischen Gemeinschaften. Als Mitarbeiterin der EZB sei sie im deutschen Sozialversicherungssystem nicht mehr versichert. Weiter gab die Klägerin an, die von der EZB gewährte Mutterschutzfrist laufe bis zum 30. Dezember 2008. Danach befinde sie sich bis zum 28. Februar 2009 in Elternzeit. Im Anschluss werde sie vom 1. März bis 31. August 2009 eine Teilzeittätigkeit im Umfang von 20 Wochenstunden ausüben. Ab dem 1. September 2009 werde sie wieder in Vollzeit tätig sein. Zu dem geltend gemachten Anspruch führte die Klägerin im Wesentlichen aus, sie erfülle die Anspruchsvoraussetzungen des § 1...

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