Präambel

Die Selbsthilfe ist ein wichtiger und unentbehrlicher Bestandteil des Sozial- und Gesundheitssystems. Das Wesen der Selbsthilfe ist die wechselseitige Hilfe auf der Basis gleicher Betroffenheit. Um behinderten oder von Behinderung bedrohten Menschen eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen und hier insbesondere die Bedürfnisse behinderter oder von Behinderung bedrohter Frauen und Kinder nachdrücklich einzubringen (vgl. § 1 SGB IX), ist die Selbsthilfe ein bedeutender Wirkungsfaktor. Im Sinne der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung (UN-BRK) wird in dieser Gemeinsamen Empfehlung Behinderung nicht als individuelles Schicksal verstanden. Zu den Menschen mit Behinderung zählen nach Art. 1 UN-BRK vielmehr Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können.[1]

Die Selbsthilfe ergänzt nicht nur die Maßnahmen zur Rehabilitation und Teilhabe der Leistungsträger, sondern schließt eine Lücke zwischen den Angeboten von Leistungserbringern und Institutionen und den Bedürfnissen der unmittelbar betroffenen Menschen mit Behinderung. Charakteristikum und wesentlicher Vorzug der Selbsthilfe ist ihre Betroffenenkompetenz, die Akzeptanz bei den Adressaten schafft und niedrigschwellige Beratungs- und Hilfestrukturen ermöglicht. Diese spezifische Fachkompetenz, die auf der Kenntnis der Lebenssituation von Menschen mit Behinderung aufgrund unmittelbarer, eigener Erfahrung beruht, ermöglicht es, bedarfsgerechte und perspektivisch sinnvolle Hilfen zur Teilhabe zu ermitteln und einzuleiten. Selbsthilfeangebote sind in allen Phasen des Rehabilitationsprozesses von großer Bedeutung und wirken mit bei der dauerhaften Sicherung des Rehabilitationserfolgs. Für die besonderen Lebenslagen behinderter oder von Behinderung bedrohter Frauen und Kinder sind spezifische Beratungs- und Unterstützungsangebote der Selbsthilfe unverzichtbar und grundsätzlich zu fördern.

Der Gedanke der sozialen Inklusion ist ein tragender Grundsatz und Leitbegriff der UN-BRK (Art. 3). Inklusion steht für die Offenheit eines gesellschaftlichen Systems in Bezug auf soziale Vielfalt. Es geht darum, gesellschaftliche Strukturen so zu gestalten, dass sie der realen Vielfalt menschlicher Lebenslagen von Beginn an gerecht werden. Um Menschen mit Behinderung in die Lage zu versetzen, ein Höchstmaß an Unabhängigkeit, umfassende körperliche, geistige, soziale und berufliche Fähigkeiten sowie die volle Einbeziehung in alle Aspekte des Lebens und die volle Teilhabe an allen Aspekten des Lebens zu erreichen und zu bewahren (Art. 26 UN-BRK), bedarf es wirksamer und geeigneter Maßnahmen. Zu diesen gehört unbedingt auch die Unterstützung durch andere Menschen mit Behinderung. Im Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung der UN-BRK wird ausdrücklich die Bedeutung und Förderung der Selbsthilfe dargestellt.

Die Förderung der Selbsthilfe ist eine gesamtgesellschaftliche und damit eine Gemeinschaftsaufgabe aller Sozialleistungsträger, der öffentlichen Hand wie auch der privaten Kranken- und Pflegeversicherung.

Die Vereinbarungspartner unterstützen und fördern die Aktivitäten der Selbsthilfe zur Prävention, Rehabilitation, Früherkennung und Bewältigung von Krankheiten und Behinderungen sowie zur Verwirklichung von Selbstbestimmung und gleichberechtigter Teilhabe von Menschen mit Behinderung durch ideelle, infrastrukturelle und/oder finanzielle Hilfen nach ihren jeweiligen gesetzlichen Vorgaben. Die Vereinbarungspartner streben an, ihre Unterstützungsleistung barrierefrei zur Verfügung zu stellen. Auch die Selbsthilfe strebt eine größtmögliche Barrierefreiheit ihrer Angebote an.

Zu diesem Zweck vereinbaren

  • die gesetzlichen Krankenkassen,
  • die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung,
  • die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung,
  • die Bundesagentur für Arbeit sowie
  • die Träger der Kriegsopferversorgung und -fürsorge im Rahmen des Rechts der sozialen Entschädigung bei Gesundheitsschäden

unter Beteiligung

  • der Bundesarbeitsgemeinschaft SELBSTHILFE von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen e.V. (BAG SELBSTHILFE),
  • der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) e.V.,
  • von Der PARITÄTISCHE Gesamtverband e.V.,
  • der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. (ISL),
  • der Fürst Donnersmarck-Stiftung,
  • der Nationalen Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen (NAKOS) und
  • des Weibernetz e.V. (in Vertretung der Interessenvertretung von Frauen mit Behinderung)

die nachfolgende Gemeinsame Empfehlung gemäß § 26 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX.

Die Träger der Eingliederungshilfe und der öffentlichen Jugendhilfe orientieren sich bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben an dieser Gemeinsamen Empfehlung oder können ihr beitreten (vgl. § 26 Abs. 5 Satz 2 SGB IX).

Die im Folgenden...

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