Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. Oktober 1956 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I

Die Arbeitnehmer der Klägerin waren vom 1. Juni 1946 bis 1. Oktober 1949 bei der Beklagten gegen Krankheit versichert.

Seit Herbst 1946 leistete die Klägerin auf Verlangen der Beklagten im Laufe eines jeden Monats auf die voraussichtlich zu zahlenden Sozialversicherungsbeiträge eine Vorauszahlung von jeweils 250.000,– Reichsmark (RM), und zwar letztmalig kurz vor der Währungsumstellung (20. Juni 1948).

Am 20. April 1948 hatte die Beklagte in der Tageszeitung „Die Rheinpfalz” folgende Bekanntmachung veröffentlicht:

„Es mehren sich die Fälle, in denen Sozialversicherungsbeiträge auf längere Zeit im voraus entrichtet werden. Zur Vermeidung von Mißverständnissen und späteren Streitigkeiten weisen wir darauf hin, daß diese Zahlungen nur als Vorauszahlungen anzusehen sind, die im Hinblick auf die bevorstehende Währungsreform nur unter Vorbehalt angenommen werden.”

Diese Bekanntmachung war auch der Klägerin bekannt. Deren Angestellte erhielten 1948 Monatsgehälter, die am letzten Tage eines jeden Monats ausbezahlt wurden. Die Arbeiter erhielten Löhne, die am 15. eines jeden Monats für den Vormonat abgerechnet und gezahlt wurden, nachdem am Letzten des Vormonats jeweils eine Abschlagszahlung in Höhe des voraussichtlichen halben Nettolohnes geleistet worden war. Nach dem 21. Juni 1948, dem Stichtag der Währungsreform, erhielten am 30. Juni nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Umstellungsgesetzes (UG) die Angestellten ihr fälliges Junigehalt in Deutscher Mark (DM) und die Arbeiter die fällige Abschlagszahlung – etwa die Hälfte des Monatslohns ebenfalls in DM. Die Lohnsteuer für die Junigehälter und für die Lohnabschlagszahlungen der Arbeiter vom 30. Juni 1948 wurde am 10. Juli 1948 in DM geleistet.

Die Vorauszahlung der Klägerin von 250.000,– RM für den Monat Juni 1948 war am 19. Juni 1948 bei der Beklagten eingegangen und wurde am 21. Juni 1948 auf 25.000,– DM umgestellt. Sie wurde anteilmäßig auf die Krankenversicherung (7.093,75 DM), die Arbeitslosenversicherung (7.655,– DM), die Invalidenversicherung (8.092,75 DM) und die Angestelltenversicherung (2.158,50 DM) verteilt. Die gesamte Beitragsschuld für Juni 1948 betrug 613.524,69 DM. Die Klägerin bezahlte sie Ende Juli 1948 nach Abzug von 250.000,– DM, d. h. unter Anrechnung ihrer Vorschußzahlung im Verhältnis 1:1, in zwei Beträgen von 100.059,36 und 263.465,33 DM.

Die Beklagte wollte demgegenüber die Vorauszahlung nur im Verhältnis 10:1 auf die Beitragsforderung anrechnen. Das von ihr angerufene Versicherungsamt L. schloß sich ihrer Auffassung im Beschluß vom 26. November 1951 an. Daraufhin legte die Klägerin Beschwerde ein, die in der Folgezeit als Klage auf das Sozialgericht (SG) Speyer überging. Durch Urteil vom 15. Juni 1954 entschied dieses, daß die am 19. Juni 1948 geleistete Vorauszahlung volle schuldtilgende Wirkung gehabt habe. Sie sei auf Grund einer entsprechenden Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Beklagten erfolgt und habe die Beitragsforderung in Höhe von 250.000,– DM getilgt. Die Auffassung, daß § 23 UG vorgehe, sei rechtsirrig. Gegen dieses Urteil haben die Beklagte und die Beigeladenen mit Erfolg Berufung eingelegt. Durch Urteil vom 19. Oktober 1956 stellte das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz unter Aufhebung des angefochtenen Urteils fest, daß die von der Klägerin am 19. Juni 1948 geleistete Vorauszahlung von 250.000,– RM auf die Ende Juni 1948 fällig gewordenen Versicherungsbeiträge nur im Verhältnis 10:1 anzurechnen sei. Es hielt alle Berufungen für form- und fristgerecht eingelegt, obwohl die Berufungsschrift der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) vom 23. Juli 1954 nur in einer von einer Büroangestellten beglaubigten Ausfertigung eingegangen war. Durch die Unterschrift auf der Ausfertigung werde das Erfordernis der Schriftlichkeit gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erfüllt. Die Berufungen seien auch begründet, da die Klägerin die Beiträge zur Sozialversicherung nach § 23 UG (entspricht § 62 der Französischen Verordnung Nr. 160, Journal Offiziell S. 1537) für den Monat Juni 1948 in DM hätte leisten müssen. Zwar sei der Anwendungsbereich dieser Vorschrift durch § 13 Abs. 3 UG eingeschränkt, wonach das Dritte Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens – Umstellungsgesetz – auf Reichsmarkverbindlichkeiten, die bei Beginn des 21. Juni 1948 bereits erloschen waren, keine Anwendung finde. Bei den Vorauszahlungen von jeweils monatlich 250.000,– RM habe es sich jedoch nicht um Zahlungen auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung gehandelt, wodurch ihnen schuldtilgende Wirkung für entsprechende Teile der Beitragsschuld beigelegt worden wäre. Es könne dahingestellt bleiben, ob die von der Beklagten erlassene „Anordnung” einer regelmäßigen Vorschußleistung von 250.000,– RM zum 15. eines jeden Monats, wenn sie nach § 403 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in Verbindung mit § 27 der Satzung der Beklagten ergangen wäre, eine Teilerfüllung bewirkt hätte. Eine Vorschußanordnung im Sinne dieser Bestimmungen habe schon deswegen nicht vorgelegen, weil die Voraussetzungen des § 27 der Satzung nicht gegeben gewesen seien. Insbesondere sei der Tatbestand des § 27 Nr. 5 nicht erfüllt gewesen, wonach Vorschüsse für jeweils vier Wochen angefordert werden konnten, wenn die Zahlungsfähigkeit von Betriebsführern zweifelhaft war. Lediglich infolge der bestehenden französischen Treuhänderschaft hätten sich die Zahlungen der Klägerin mitunter verzögert, während ihre Zahlungsfähigkeit niemals zweifelhaft gewesen sei.

Durch die erfolgte Absprache über Vorauszahlungen im Zusammenhang mit dem späteren Verhalten der Beteiligten sei auch keine Vereinbarung dahingehend zustande gekommen, daß durch die Vorschüsse von jeweils 250.000,– RM der entsprechende Teil der Beitragsschuld für den jeweiligen Monat hätte getilgt werden sollen. Die Belegschaft der Klägerin von rund 10 000 Arbeitnehmern sei vom 1. Juni 1946 an nach Auflösung der Betriebskrankenkasse der Klägerin bei der beklagten Allgemeinen Ortskrankenkasse versichert worden. Dadurch seien deren Leistungen sofort sprunghaft angestiegen, während die Versicherungsbeiträge erst am Ende des Monats fällig und häufig noch später gezahlt wurden. Die Beklagte hätte daher Versicherungsleistungen teilweise bis zu zwei Monaten auszahlen müssen, ohne vorher Beiträge zu erhalten. Ihre schon an sich ungünstige Kassenlage sei damit auf das Äußerste angespannt gewesen. Hierauf sei es zurückzuführen, daß sie von der Klägerin schon vor Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge Zahlungen verlangt und schließlich auch bekommen habe, ohne daß jedoch an den satzungsmäßigen Fälligkeits- und Abrechnungsterminen etwas geändert worden sei. Selbst unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben könne die Juni-Zahlung nicht als Tilgung der Beitragsschuld in gleicher Höhe angesehen werden. Schließlich stelle es auch kein arglistiges Verhalten dar, daß die Beklagte die Zahlung nur im Verhältnis 10:1 angerechnet habe.

Gegen das ihr am 20. Dezember 1956 zugestellte Urteil, in dem die Revision zugelassen worden war, hat die Klägerin am Montag, dem 21. Januar 1957, Revision eingelegt. Sie rügt die Rechtsansicht des Berufungsgerichts als fehlerhaft, daß die von ihr am 19. Juni 1948 gezahlten 250.000,– RM keine schuldtilgende Wirkung gehabt hätten. Beiträge, welche von einer öffentlichen Anstalt den an ihr besonders Beteiligten auferlegt werden, gehörten ebenso wie Gebühren und Steuern zu den öffentlichen Abgaben. Diesen Charakter hätten insbesondere die hier streitigen Beitragsleistungen zur Sozialversicherung gehabt. Vorauszahlungen, die in Wirklichkeit Abschlagszahlungen seien, führten aber bei einer Steuerschuld zum Erlöschen, und was für Steuern gälte, könne für die übrigen öffentlichen Abgaben nicht anders geregelt sein. Allein maßgebend müsse sein, daß mit Einverständnis der Beklagten vorausgeleistet worden sei. Diese sei ermächtigt gewesen, Vorschüsse einzufordern, und habe von ihrer im § 27 der damals geltenden Satzung eingeräumten Befugnis Gebrauch gemacht. Sollten die Voraussetzungen für eine solche Anforderung gefehlt haben, so würde dieser Mangel die Klägerin zwar berechtigt haben, gegen die gemachten Auflagen vorzugehen. Keineswegs berechtige aber eine etwa vorliegende Gesetzesverletzung die Beklagte, sich auf die Nichtigkeit ihrer Maßnahmen zu berufen. Es würde anerkannten Rechtsgrundsätzen zuwiderlaufen, wollte man der Beklagten den Einwand gestatten, ihre allgemeinen und speziellen Aufforderungen zu Vorauszahlungen und ihre Entgegennahme beruhten auf einem nichtigen Verwaltungsakt.

Die Klägerin und Revisionsklägerin beantragt,

  • das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 19. Oktober 1956 aufzuheben und die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen gegen das Urteil des SG Speyer vom 15. Juni 1954 zurückzuweisen,
  • hilfsweise,

    die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Die Beklagte und Revisionsbeklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen,

Entscheidend für die Beurteilung des Rechtsstreits sei die Frage, wann die Verpflichtung zur Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge entstanden sei, und wann diese Beiträge fällig geworden seien. Am 19. Juni 1948 habe die Klägerin weder die Gehälter und die Löhne für den Monat Juni 1948 an ihre Belegschaft gezahlt, noch habe damals festgestanden, in welcher Höhe am Monatsende die Zahlung hätte erfolgen müssen. Es sei noch nicht einmal klar gewesen, ob überhaupt noch in RM würde gezahlt werden können. Parallel hierzu sei die Einbehaltung der Sozialversicherungsbeiträge und ihre Abführung gelaufen. Die Beitragsanteile der Betriebsangehörigen hätten nur bei den Lohn- und Gehaltszahlungen abgezogen werden können. Das bedeute, daß auch die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung seines Beitragsanteiles sowie zur Abführung der gesamten Beiträge frühestens mit der Auszahlung der Gehälter und Löhne entstehe. Da diese endgültig erst im Juli 1958 bezahlt worden seien, wäre die Klägerin erst zu diesem Zeitpunkt leistungspflichtig geworden. Eine Teilerfüllung sei nicht vereinbart worden. Zwar habe die Beklagte mit Rücksicht auf die von der Französischen Militärregierung angeordneten Seqesterverwaltung seit 1946 Vorschüsse verlangt. Andererseits habe sie aber zwei Monate vor der Währungsumstellung in der Presse ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß sie Vorschußzahlungen nur unter Vorbehalt entgegennehme. Da es an einer ausdrücklichen Vereinbarung über die schuldtilgende Wirkung der Vorschüsse gefehlt habe und diese nur unter Vorbehalt angenommen worden seien, im übrigen damals weder die Höhe der künftig entstehenden und fällig werdenden Beitragsverpflichtungen noch die für sie maßgebende Währung festgestanden habe, könne der Vorschußzahlung keine schuldtilgende Wirkung beigemessen werden.

Die Beigeladenen schließen sich den Anträgen und den Ausführungen der Beklagten an.

II

Die nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthafte Revision der Klägerin ist rechtzeitig eingelegt und fristgerecht begründet, sie konnte jedoch keinen Erfolg haben.

Vorweg war zu prüfen, ob das LSG zu Recht die Berufung der beigeladenen B. als form- und fristgerecht eingelegt erachtet hat; denn hierbei handelt es sich um die Frage, die das Verfahren als Ganzes berührt. Hierzu hat das Bundessozialgericht u. a. in BSG 1, 243 und im Sozialrecht § 164 SGG Bl. Da 8 Nr. 26 entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Ansicht ausgeführt, dem Erfordernis der schriftlichen Einlegung eines Rechtsmittels (hier § 151 Abs. 1 SGG) sei nur dann genügt, wenn die Rechtsmittelschrift von dem für ihren Inhalt Verantwortlichen eigenhändig unterzeichnet ist; die handschriftliche Beglaubigung des nicht eigenhändigen Namenszuges reiche dagegen nicht aus. Inwieweit an dieser Auffassung auch mit Rücksicht auf die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Deutsches Verwaltungsblatt – DVBl – 1960, 245 und 284) festzuhalten ist, braucht hier nicht entschieden zu werden. Ausweislich der Prozeßakten hatte nämlich die beigeladene Landesversicherungsanstalt (LVA) R. als sie am 6. August 1954 gegen das Urteil des SG Berufung einlegte, diese zugleich im Namen der beigeladenen B. eingelegt. Da ihre Geschäftsführer von der B. Prozeßvollmacht hatten und diese auch zu den Gerichtsakten überreicht war (§ 73 Abs. 2 Satz 1 SGG), stellt die rechtzeitige Berufung der LVA zugleich eine rechtzeitig eingelegte Berufung der B. dar. Deshalb kommt es auf die Frage, ob der Schriftsatz der B. vom 23. Juli 1954 eine formgerechte Berufung war, nicht an.

In der Sache hat das LSG den Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen zu Recht stattgegeben. Dem Verlangen der Klägerin, ihre Vorauszahlung von 250.000,– RM auf die in DM geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge im Verhältnis 1:1 anzurechnen, kann aus Rechtsgründen nicht stattgegeben werden.

Nach § 23 Satz 2 Halbs. 2 des Dritten Gesetzes zur Neuordnung des Geldwesens (Umstellungsgesetz) hatte ein Versicherter Beiträge zur Sozialversicherung von dem Tage an, zu dem zum ersten Mal für ihn Lohnsteuer in DM einbehalten wurde, zu demselben Nennbetrag in DM zu leisten wie bisher in RM. Hierzu hatte allerdings das Büro für Währungsfragen in einer Pressenotiz zunächst die Auffassung vertreten, diese Bestimmung besage nur, daß vom Tage der Auszahlung der Löhne und Gehälter in DM auch die Versicherungsbeiträge in DM zu zahlen seien. Habe demnach ein Versicherter seinen Lohn oder sein Gehalt für Juni in RM erhalten und seien die Beträge zur Sozialversicherung in RM abgeführt worden, so habe es damit sein Bewenden; habe der Versicherte seinen Lohn oder sein Gehalt für Juni in DM erhalten- und seien die Sozialversicherungsbeiträge für Juni am Stichtag noch nicht abgeführt, so seien sie in DM zu entrichten; seien die Beiträge jedoch im Juni im voraus in RM entrichtet und sei die Lohn- und Gehaltszahlung postnumerando in DM erfolgt, so könne eine weitere Beitragszahlung nicht gefordert werden; was für die Beiträge der Versicherten zur Sozialversicherung gesagt sei, gelte entsprechend für die Arbeitgeberanteile (vgl. Harmening/Duden, Kommentar zu den Währungsgesetzen § 23 UG Anm. 4).

Demgegenüber hat jedoch die Verwaltung für Arbeit des Vereinigten Wirtschaftsgebietes in ihren Richtlinien vom 21. September 1949, Arbeitsblatt 1949, 329, vorbehaltlich von Entscheidungen im Rechtszuge zur Auslegung des UG für den Bereich der Sozialversicherung unter B I a für die Pflichtversicherung ausgeführt, daß bei allen Lohn- oder Gehaltsempfängern, sofern die Bezüge für Juni 1948 voll in DM gezahlt wurden und die Lohnsteuer in DM abgeführt wurde, auch die Beiträge zur Sozialversicherung voll in DM zu berechnen und etwa in RM vorausgezahlte Beträge nur im Verhältnis 10:1 anzurechnen seien.

Harmening/Duden führen hierzu in ihrem Kommentar (a.a.O. S. 280) aus, für die Stellungnahme des Büros für Währungsfragen sei maßgebend gewesen, daß bei einer Vorauszahlung der Beiträge der Versicherte am 21. Juni 1948 seine Verbindlichkeit für Juni bereits voll erfüllt hätte, und daß deshalb gemäß § 13 Abs. 3 Satz 2 UG eine umstellungsfähige Verbindlichkeit nicht mehr vorhanden gewesen sei, während die Verwaltung für Arbeit offenbar davon ausgehe, daß diese Vorschrift für den Bereich der Sozialversicherung nicht anwendbar sei.

Von diesen Auffassungen verdient diejenige der Verwaltung für Arbeit des Vereinigten Wirtschaftsgebietes jedenfalls im Ergebnis den Vorzug. § 23 Satz 2 Halbs. 2 UG ist ein Ausdruck des in der gesamten Sozialversicherung geltenden Grundsatzes, daß sich die Höhe der Beiträge nach dem Entgelt richtet. Hieraus ergibt sich, daß die Sozialversicherungsbeiträge in RM zu berechnen waren, wenn die Arbeitnehmer ihre Bezüge für den Monat Juni 1948 noch in RM erhielten, daß die Beiträge aber in DM zu zahlen waren, wenn ihre Bezüge im Hinblick auf § 18 Abs. 1 Nr. 1 UG bereits in DM ausgezahlt wurden. Dementsprechend mußten die pflichtversicherten Arbeitnehmer sich ihre Beitragsanteile von ihrem ersten in DM ausgezahlten Lohn oder Gehalt auch in DM abziehen lassen. Für sie bestand keine Möglichkeit, Beiträge im voraus zu entrichten (§ 393 RVO). Dann aber muß auch der Arbeitgeber verpflichtet sein, die einbehaltenen DM-Beitragsanteile der Versicherten an die zuständige Einzugsstelle in DM abzuführen. Was indes für die Arbeitnehmeranteile gilt, hat wiederum für die Arbeitgeberanteile zu gelten. § 23 UG spricht ausschließlich von „Beiträgen” eines Versicherten, ohne zwischen dem Arbeitgeber- und dem Arbeitnehmeranteil zu unterscheiden. Schuldner des Gesamtbeitrages gegenüber der Ortskrankenkasse (anders gegenüber Ersatzkassen, § 520 RVO) ist sowohl hinsichtlich des Arbeitgeber- als auch hinsichtlich des Arbeitnehmeranteils der Beiträge allein der Arbeitgeber (§§ 393 ff. RVO). Seine Beitragsschuld entsteht im allgemeinen erst mit der Lohn- und Gehaltszahlung, jedenfalls nicht vor Fälligkeit des Arbeitsentgelts. Die Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung von Beiträgen zur Sozialversicherung ist davon abhängig, daß ein bestimmter Arbeitnehmer in einem bestimmten Zeitraum abhängige Arbeit leistet und einen fälligen Anspruch auf Arbeitsentgelt (§ 160 RVO) hat. Die Beitragsschuld ist demnach im allgemeinen erst feststellbar nach Leistung der Arbeit im Zeitpunkt der Fälligkeit des Arbeitsentgelts. Sie entsteht deshalb nicht vor der Fälligkeit des Arbeitsentgelts, im allgemeinen also am Tage der Auszahlung des Lohnes oder Gehalts; nur in den Fällen, in denen Lohn oder Gehalt nicht rechtzeitig gezahlt werden, ist der Arbeitsentgelt maßgebend, auf dessen Zahlung bei Fälligkeit des Arbeitsentgelts ein Rechtsanspruch besteht (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. II S. 370 b; Gr.E. Nr. 5017, AN 1936, 275). Bei der Beitragsvorauszahlung am 19. Juni 1948 war daher noch keine Beitragsschuld der Klägerin entstanden, die Zahlung kann daher nur als „à-conto-Zahlung” in Erwartung der Ende Juni entstehenden Beitragsschuld verstanden werden. Zudem war im Juni 1948, als die Währungsreform jeden Tag erwartet wurde, ungewiß, in welcher Währung der Lohn gezahlt werden mußte. Dementsprechend war auch ungewiß, in welcher Höhe und in welcher Währung die Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten waren. Daher war eine Tilgung der Beitragsschuld vor dem 21. Juni 1948 nicht möglich.

Damit entfällt auch für die Klägerin die Möglichkeit, sich auf § 13 Abs. 3 Satz 2 UG zu berufen, wonach das UG keine Anwendung findet auf Reichsmarkverbindlichkeiten, die bei Beginn des 21. Juni 1948 bereits erloschen sind. Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob § 13 UG überhaupt neben den Sonderregelungen des UG für die Sozialversicherung anwendbar ist; denn jedenfalls sind seine Voraussetzungen – Erlöschen der Beitragsschuld vor dem 21. Juni 1948 – nicht erfüllt. Für die Beitragsschuld der Klägerin gilt somit § 23 UG. Dem Sinn und Zweck des § 23 UG würde aber eine ihrem Nominalwert voll entsprechende Anrechnung der vorausgezahlten Beiträge widersprechen. Durch die Währungsreform hatten die Versicherungsträger ihre Mittel zum größten Teil verloren. Es war eine vordringliche Aufgabe, sie durch Zuführung neuer Mittel in DM so schnell wie möglich in den Stand zu setzen, ihren Leistungsverpflichtungen in DM gerecht zu werden. Vorauszahlungen konnten deshalb grundsätzlich nur als Anzahlungen gelten, die entsprechend der zu erwartenden gesetzlichen Regelung über die Währungsumstellung abzurechnen waren. In gleichem Sinne hat der erkennende Senat bereits entschieden, daß auch freiwillige Beiträge, die vor der Währungsumstellung für eine Zeit nach der Währungsumstellung entrichtet sind, bei der Rentenberechnung nur abgewertet berücksichtigt werden (BSG 10, 182).

Mit der im öffentlichen Interesse der Liquidität der Versicherungsträger getroffenen gesetzlichen Regelung des § 23 UG wäre es unvereinbar, wenn die Beklagte, und zwar nicht nur mit Wirkung für ihre eigene Beitragsforderung, sondern auch mit verbindlicher Kraft für die übrigen Versicherungsträger, hätte vereinbaren können, daß die im Juni 1948 noch in RM im voraus gezahlten Beiträge auf die später in DM entstehende Beitragsschuld in voller Höhe angerechnet werden.

Damit erübrigt sich ein näheres Eingehen auf die Frage, ob das LSG aus dem vorangegangenen Schriftwechsel und den gesamten Umständen zu Recht im Wege der Auslegung festgestellt hat, daß eine solche Vereinbarung jedenfalls von der Beklagten nicht beabsichtigt gewesen war und auch nicht zustandegekommen ist. Es bedurfte auch keiner Prüfung, ob das LSG zutreffend das Vorliegen einer Anordnung nach § 403 RVO i.V.m. § 27 der Satzung der Beklagten verneint hat; denn selbst durch eine solche Vorschußanordnung hätten die zwingenden Vorschriften des Umstellungsgesetzes nicht außer Kraft gesetzt werden können; sie dürften nicht zu einem Währungsgewinn führen, der allen übrigen Beitragsschuldnern versagt ist.

Die Revision der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI674137

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