Entscheidungsstichwort (Thema)

Notwendige Beiladung des Arbeitgebers bei Streit über Beitragsentrichtung zur Angestelltenversicherung. von Amts wegen zu beachtender Verfahrensmangel

 

Orientierungssatz

1. Bei einem Streit darüber, ob Beiträge zur Rentenversicherung der Angestellten entrichtet werden können, der unmittelbar in die Rechtssphäre des Arbeitgebers eingreift, so daß auch ihm gegenüber nur einheitlich entschieden werden kann, ist er nach § 75 Abs 2 Alt 1 SGG notwendig beizuladen (vgl BSG 1981-06-24 12 RK 43/80 = SozR 1500 § 75 Nr 36).

2. Die Unterlassung einer notwendigen Beiladung ist ein im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtender und zur Zurückverweisung zwingender Verfahrensfehler (vgl BSG 1974-03-12 2 S 1/74 = SozR 1500 § 75 Nr 1).

 

Normenkette

SGG § 75 Abs 2 Alt 1 Fassung: 1953-09-03; AnVNG Art 2 § 1b; ArVNG Art 2 § 1b

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 13.03.1981; Aktenzeichen L 14 An 42/80)

SG Köln (Entscheidung vom 11.01.1980; Aktenzeichen S 3 An 85/78)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die 1957 ausgesprochene Befreiung von der Rentenversicherungspflicht in der Angestelltenversicherung auch für die am 15. Februar 1972 aufgenommene Beschäftigung gilt.

Der Kläger ist durch Bescheid der Beklagten vom 28. Juni 1957 nach Art 2 § 1b des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Angestellten (AnVNG) von der Versicherungspflicht in der Angestelltenversicherung befreit worden. Später, in der Zeit vom 3. Februar 1964 bis 14. Februar 1972, war der Kläger als Beamter der Universität zu Köln (wissenschaftlicher Assistent - Oberkustos -) nach § 6 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) versicherungsfrei. Seit 15. Februar 1972 ist er Angestellter der Stadt Köln. Diese führt für ihn seit Beginn des Beschäftigungsverhältnisses Pflichtbeiträge zu der Beklagten ab. Im Jahre 1974 wurde außerdem eine Nachversicherung für die Zeit vom 3. Februar 1964 bis 15. Februar 1972 durchgeführt.

Mit Bescheid vom 22. Mai 1978 beanstandete die Beklagte die für die Zeit vom 15. Februar 1972 bis 31. Dezember 1976 entrichteten Beiträge im Hinblick auf die 1957 ausgesprochene Befreiung von der Rentenversicherungspflicht in der Angestelltenversicherung und stellte fest, daß der Kläger auch weiterhin versicherungsfrei sei.

Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 8. August 1978), Klage (Urteil des Sozialgerichts -SG- Köln vom 11. Januar 1980) und Berufung (Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen -LSG- vom 13. März 1981) blieben ohne Erfolg. Das LSG hat die Auffassung vertreten, daß die einmal ausgesprochene Befreiung von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Angestellten nach Art 2 § 1b AnVNG weder durch eine Erklärung des Klägers noch durch seine zwischenzeitliche versicherungsfreie Beschäftigung hinfällig geworden sei.

Mit der Revision macht der Kläger geltend, daß aus seinem Verhalten und den verschiedenen von ihm abgegebenen Erklärungen zu ersehen gewesen sei, daß er auf die Befreiung habe verzichten wollen. Im übrigen habe die Beklagte die ihr obliegenden Pflichten verletzt, in dem sie den Kläger nicht rechtzeitig über die Rechtslage informiert habe. Ihm stehe deshalb ein Herstellungsanspruch zu, nach dem er so zu stellen sei, als wenn er rechtzeitig auf die Befreiung verzichtet hätte.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des LSG und des SG sowie den Bescheid

der Beklagten vom 25. Mai 1978 in der Gestalt des

Widerspruchsbescheides vom 8. August 1978 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie bezieht sich im wesentlichen auf das angefochtene Urteil.

Beide Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt, daß der Rechtsstreit durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden wird (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG.

Die Aufhebung des Berufungsurteils ist geboten, weil das Verfahren vor dem LSG an einem im Revisionsverfahren fortwirkenden prozessualen Mangel leidet, der in der Revisionsinstanz nicht beseitigt werden kann. Das LSG hat nicht beachtet, daß der Streit darüber, ob Beiträge zur Rentenversicherung der Angestellten entrichtet werden können, unmittelbar in die Rechtssphäre des Arbeitgebers eingreift und auch ihm gegenüber nur einheitlich entschieden werden kann. Ist aber der Arbeitgeber derart betroffen, so ist er nach § 75 Abs 2, 1. Fall SGG notwendig beizuladen (BSG SozR Nr 32 zu § 75 SGG und Urteil des erkennenden Senats vom 24. Juni 1981, 12 RK 43/80).

Die Unterlassung einer notwendigen Beiladung ist ein im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtender und zur Zurückverweisung zwingender Verfahrensfehler (BSG SozR 1500 § 75 Nr 1 unter Aufgabe der früheren abweichenden Auffassung).

Das auf dem Verfahrensfehler beruhende Urteil des LSG muß sonach aufgehoben werden, ohne daß - mangels Beteiligung aller vom Verfahren Betroffenen - der Senat Ausführungen zur materiell-rechtlichen Seite des Rechtsstreits machen kann.

Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1652174

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