Leitsatz (redaktionell)

1. Der Verpächter von landwirtschaftlichen Grundstücken, der selbst keine Landwirtschaft betreibt, hat auch keine landwirtschaftlichen Einkünfte; die Pachteinnahmen zählen in diesem Fall vielmehr zu den Einkünften aus Haus- und Grundbesitz iS des DV § 33 BVG § 12.

Somit können die Pachteinnahmen und die Einkünfte aus Haus- und verbliebenem Grundbesitz nur gemeinsam der Ermittlung der Einkünfte aus einer Einkunftsart zugrunde gelegt werden.

2. Ein Verlust aus Hausbesitz ist bei Pachteinnahmen aus demselben Grundstück zunächst aus diesem abzudecken.

 

Normenkette

BVG § 33 Abs. 2 Fassung: 1957-07-01, § 33 DV § 12 Fassung: 1958-08-02

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 19. Dezember 1961 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte verurteilt wird, in dem neuen Bescheid die Pachteinnahmen bis zur Höhe des Verlustes aus Hausbesitz nicht als sonstiges Einkommen im Sinne des § 33 BVG anzurechnen. Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

Die Klägerin bezieht als Kriegerwitwe Grund- und Ausgleichsrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Sie ist Eigentümerin eines landwirtschaftlichen Grundstücks von 4.36 ha mit einem Einheitswert von 6.700,- DM, zu dem ein Wohngebäude gehört, das nach Zerstörung durch Brand 1951 mit einer hypothekarischen Belastung von 15.400,- DM wieder aufgebaut wurde. Es wird von der Klägerin und ihren Angehörigen und einer Familie E bewohnt. Den Eheleuten E ist ein lebenslängliches unentgeltliches Wohnrecht eingeräumt weil sie die Klägerin beim Aufbau des Hauses unterstützt haben. 4 ha des Grundstücks sind in zwei Teilstücken zu je 200,- DM an Landwirte verpachtet. Das übrige Land wird von der Klägerin als Hausgarten genutzt.

Mit Bescheid vom 27. Februar 1958 stellte das Versorgungsamt (VersorgA) die Witwenrente ab 1. Mai 1957 neu fest. Es berücksichtigte bei der Ausgleichsrente als sonstiges Einkommen nach § 33 Abs. 2 BVG die Witwenrente der Klägerin aus der Rentenversicherung mit 60,- DM sowie die Pachteinnahmen mit monatlich 33,33 DM. Nach Abzug des Freibetrages von 15,- DM monatlich verblieb ein anrechenbares Einkommen von 78,- DM, das von dem Grenzeinkommen von 120,- DM abgezogen wurde und eine Ausgleichsrente von 42,- DM ergab. Einkünfte aus dem Wohnhaus blieben außer Ansatz, weil die Lasten die Roheinnahmen überstiegen. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, die Pachteinnahmen müssten zum Ausgleich des sich aus der Bewirtschaftung des Hausgrundstücks ergebenden Verlustes herangezogen werden; sie habe kein Einkommen aus Haus- und Grundbesitz gehabt. Mit Bescheid vom 5. April 1959 wurde dem Widerspruch teilweise abgeholfen und der inzwischen ergangene weitere Bescheid vom 6. Januar 1959 aufgehoben; die Grundsteuer und die Beiträge zum Sielverband, zur Berufsgenossenschaft und zur Familienausgleichskasse, insgesamt 177,60 DM, wurden von der Pacht abgezogen. Dadurch und durch Abzug der Kirchensteuer verminderte sich das Einkommen aus der Pacht auf 18,17 DM monatlich und der anrechnungspflichtige Betrag von 78,- DM auf 63,- DM; die Ausgleichsrente erhöhte sich auf 57,- DM. Ein Verlustausgleich wurde wiederum nicht vorgenommen. Den Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 19. Oktober 1959 zurück.

Mit Urteil vom 5. Januar 1961 verurteilte das Sozialgericht (SG) den Beklagten, das Einkommen aus Hausbesitz und Verpachtung gemeinsam nach § 12 der (Ersten) Durchführungsverordnung (DVO) zu § 33 BVG zu berechnen. Es ließ die Berufung zu. Das Landessozialgericht (LSG) wies mit Urteil vom 19. Dezember 1961 die Berufung des Beklagten mit der Maßgabe zurück, dass der Urteilstenor wie folgt gefaßt wurde: Der Bescheid des Beklagten vom 19. Oktober 1959 wird aufgehoben. Die Bescheide vom 27. Februar 1958 6. Januar 1959 und 5. April 1959 werden geändert. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin über die Gewährung der Ausgleichsrente ab 1. Mai 1957 einen neuen Bescheid unter gemeinsamer Errechnung des Einkommens aus Hausbesitz und Verpachtung zu erteilen. Es ließ die Revision zu. Pachteinnahmen seien Einkünfte aus Haus und Grundbesitz im Sinne des § 12 der Verordnung zur Durchführung des § 33 BVG vom 2. August 1958 (BGBl I S. 567). Die Klägerin sei nicht als Inhaberin eines landwirtschaftlichen Unternehmens anzusehen. Darum kämen die §§ 8, 9 DVO nicht zur Anwendung. Die Möglichkeit wirtschaftlicher Trennung zwischen Haus- und Grundbesitz bedeute nicht, dass die Pachteinkünfte anders als die Einkünfte aus dem Haus zu behandeln seien. Für eine Anwendung des § 13 DVO sei kein Raum, weil diese Vorschrift nur die in den vorangegangenen Bestimmungen nicht aufgeführten Einkunftsarten erfasse. Das Einkommen aus Haus- und Grundbesitz könne man zwar zu dem sogenannten "mühelosen Einkommen" rechnen. Es sei aber anders behandelt als z. B. das Einkommen aus Kapitalvermögen (§ 11 DVO) und sonstige Einkünfte (§ 13 DVO). Ob zwischen den einzelnen Einkunftsarten ein Verlustausgleich stattzufinden habe, könne dahingestellt bleiben, denn hier sei nur der Verlustausgleich innerhalb der Einkünfte aus Haus- und Grundbesitz streitig. Auch die ab 1. Juni 1960 geltenden Vorschriften der Verordnung zur Durchführung des § 33 BVG vom 11. Januar 1961 (BGBl. I 19) führten zu demselben Ergebnis. Nach § 1 Abs. 4 letzter Satz sei ein Verlustausgleich zwischen einzelnen Einkunftsarten nicht vorzunehmen. Als solche hätten die in § 2 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) beschriebenen Einkunftsarten zu gelten. Im Einkommensteuerrecht seien Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung als eine Einkunftsart beschrieben. Darum sei auch nach dieser Verordnung das Einkommen der Klägerin aus dem Haus und aus der Grundstücksverpachtung gemeinsam zu errechnen.

Mit der Revision rügt der Beklagte Verletzung der §§ 12, 13 DVO zu § 33 BVG. Bei den Einkünften aus Hausbesitz und Verpachtung handele es sich um verschiedene Einkunftsarten, darum könnten Verluste aus Hausbesitz nicht mit Einnahmen aus Verpachtung verrechnet werden. Für die Pachteinnahmen als mühelose Einkünfte enthalte § 13 DVO eine besondere Regelung. Dagegen spreche nicht, dass von Pachteinnahmen auch die mit dem Grundstück verbundenen Ausgaben nach § 12 DVO abgesetzt werden könnten, obwohl diese Ausgaben in § 13 DVO nicht erwähnt seien. Durch die Bezugnahme auf § 7 in § 13 DVO würden die absetzbaren Ausgaben nicht begrenzt, sondern erweitert. Auch durch die ab 1. Juni 1960 geltende Neufassung der DVO zu § 33 sei eine Änderung nicht eingetreten. Der Hinweis auf § 1 Abs. 4 DVO und auf § 2 Abs. 3 EStG und die Aufzählung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in § 21 EStG besagten nichts für die Beurteilung des hier streitigen Fragenkomplexes. Auch nach der Verordnung vom 11. Januar 1961 seien die Einkünfte aus Hausbesitz und Verpachtung getrennt ohne Verlustausgleich zu behandeln.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Die durch Zulassung statthafte Revision (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG) und damit zulässig. Sachlich ist sie nicht begründet.

Streitig ist, ob der Beklagte in dem Bescheid vom 5. April 1959 (Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 1959) mit Recht einen Ausgleich zwischen dem aus dem Hausbesitz der Klägerin sich ergebenden Verlust und den Pachteinnahmen versagt hat. Die DVO zu § 33 vom 2. August 1958 regelt mit Rückwirkung zum 1. Mai 1957 (§ 20 DVO) auf Grund der in § 33 Abs. 2 Satz 6 BVG idF des Sechsten Änderungsgesetzes vom 1. Juli 1957 (BGBl I S. 661) enthaltenen Ermächtigung das Nähere über die Berechnung des sonstigen Einkommens im Sinne des § 33 Abs. 2 und des § 41 Abs. 6 BVG. In enger Anlehnung an die in § 2 Abs. 3 EStG bestimmten Einkunftsarten sind in der DVO zu § 33 BVG die Einkommensquellen aufgeführt, aus denen sich die Einkünfte im einzelnen ergeben. Auf den Zusammenhang mit dem Einkommensteuerrecht weisen § 10 DVO und die Bezugnahme auf das EStG in §§ 5 Abs. 2, 8 Abs. 1 DVO sowie auch der mehrfach verwendete Ausdruck "Einkunftsart" hin. Dabei ist jeweils bestimmt, welche Absetzungen, Werbungskosten, Sonderausgaben oder besondere Ausgaben innerhalb einer Einkunftsart (aus nichtselbständiger Arbeit, aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit, aus Kapitalvermögen, aus Haus- und Grundbesitz sowie aus sonstigen Einkünften) zugelassen werden und wie somit das Einkommen aus der einzelnen Einkunftsart errechnet wird, soweit nicht bereits die nach § 2 DVO allgemein nicht zu berücksichtigenden Einkünfte das Ergebnis zugunsten des Versorgungsberechtigten beeinflussen. Ähnlich wie in § 2 Abs. 3 Nr. 6 EStG, wo die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zusammen als eine besondere Einkunftsart bezeichnet sind, werden in § 12 DVO die Einkünfte aus Haus und Grundbesitz zusammengefasst. Darunter fällt allerdings nicht wie unter § 2 Abs. 3 Nr. 6 EStG die Vermietung bzw. Verpachtung von beweglichem Vermögen und von Rechten. Die im Vergleich zum EStG engere Fassung des § 12 DVO erlaubt aber nicht die Auslegung, dass es sich bei den in § 12 DVO zusammengefassten Einkünften nicht um eine besondere Einkunftsart handelt und dass darum innerhalb dieser Einnahmen kein Ausgleich zwischen Gewinn und Verlust möglich sei. Gegen eine solche Auffassung spricht nicht nur die insoweit dem EStG angepasste Systematik der DVO, sondern auch die ausdrückliche Trennung der einzelnen Einkunftsarten in § 13 DVO, denn hier werden nur die Einkünfte als sonstige Einkünfte erfasst, die nicht den in den §§ 5, 8 bis 12 genannten "Einkunftsarten" zuzurechnen sind. Auch § 12 DVO bietet keinen Anhalt dafür, dass die Einkünfte aus der Einkunftsart Haus- und Grundbesitz etwa nicht gemeinsam ermittelt werden dürfen. Abs. 1 bezeichnet - ohne Unterscheidung zwischen Haus- und Grundbesitz - den Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten als Einkünfte; nach Abs. 2 soll - wiederum ohne eine solche Trennung - von den monatlichen Roheinnahmen ausgegangen werden. Nach Abs. 3 Buchst. b sind Steuern "von Grundbesitz" abzugsfähig und nach Abs. 3 Buchst. d kann die Pauschale von 1 vom Hundert (v. H.) der Jahresroheinnahmen für sonstige "zur Bewirtschaftung des Haus- und Grundbesitzes" notwendige Aufwendungen eingesetzt werden. Abs. 6 lässt überdies in dem dort bestimmten Umfang den Abzug besonderer Ausgaben zu, soweit sie nicht schon bei einer "anderen Einkunftsart" oder als Werbungskosten berücksichtigt worden sind. Schließlich beschränkt § 12 Abs. 7 DVO zwar die Abzugsfähigkeit der in Abs. 3 bis 6 genannten Ausgaben auf die Höhe der Roheinnahmen zuzüglich des Mietwerts der Wohnung im eigenen Hause, aber nicht auf die Roheinnahmen allein aus dem Hausgrundstück. Im Gegensatz zu der Auffassung der Revision können somit die Einkünfte aus Haus- und Grundbesitz nicht getrennt sondern nur gemeinsam der Ermittlung der Einkünfte aus dieser Einkunftsart zugrunde gelegt werden.

Die Überlassung von unbebauten Grundstücken zum Fruchtgenuss ist Verpachtung; die Pachtzinsen stellen die Roheinnahmen aus einem solchen Grundbesitz dar wie die Mieten einschließlich des Mietwertes der Wohnung im eigenen Haus (§ 12 Abs. 2 DVO) Roheinnahmen aus dem Hausbesitz sind. Die Feststellung des LSG, dass die Klägerin keine Land- und Forstwirtschaft hat, ist von der Revision nicht angegriffen und darum der Entscheidung durch das Revisionsgericht zugrunde zu legen (§ 163 SGG). Die Pachtzinsen werden einkommensteuerrechtlich - nur das ist maßgebend - nicht dadurch zu Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, dass die verpachteten Grundstücke landwirtschaftlich genutzt werden. Der Verpächter, der selbst keine Landwirtschaft betreibt, hat steuerrechtlich auch keine landwirtschaftlichen Einkünfte (vgl. Blümich-Falk EStG 8. Aufl. 2. Bd. § 13 Anm. 5 Abs. 1). Einkünfte aus der Verpachtung eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes oder Teilbetriebes sind Einkünfte aus Land und Fortswirtschaft nur, soweit sie in einem landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Betrieb anfallen (Blümich-Falk aaO § 13 Anm. 8; vgl. auch § 21 Abs. 3 EStG). Die Pachtzinsen der Klägerin sind somit Einkünfte aus Grundbesitz. Sie sind weder als Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 11 DVO) noch als sonstige Einkünfte (§ 13 DVO) anzusehen. Die von der Revision vertretene Auffassung, dass "müheloses Einkommen" nach § 13 DVO zu berücksichtigen sei, findet in dem Gesetz keine Stütze; es kennt diese Unterscheidung nicht, regelt in § 11 gesondert die Einkünfte aus Kapitalvermögen und hat in § 12 DVO die Grundstücksnutzung einer besonderen Einkunftsart zugewiesen.

Nach alledem war die Beklagte nicht berechtigt, die Einnahmen der Klägerin aus der Verpachtung ihrer unbebauten Grundstücke gesondert ohne Verlustausgleich bei der Einkommensermittlung nach den §§ 33 Abs. 2, 41 Abs. 6 BVG einzusetzen. Das LSG hat somit zu Recht den Bescheid vom 5. April 1959 geändert und den Beklagten verurteilt, einen neuen Bescheid unter gemeinsamer Errechnung des Einkommens aus Hausbesitz und Verpachtung zu erteilen. Dass das LSG auch den durch Bescheid vom 5. April 1959 aufgehobenen Bescheid vom 6. Januar 1959 und den abgeänderten Bescheid vom 29. Februar 1958 im Urteilstenor noch erwähnt hat, dient nur der Klarstellung. Damit wurde zum Ausdruck gebracht, dass die Bescheide vom 27. Februar 1958 und 6. Januar 1959 nach Änderung des Bescheides vom 5. April 1959 im Rahmen dieser Änderung keine rechtlichen Wirkungen mehr äußern konnten.

Die Bescheide vom 14. und 15. April 1964, durch die mit Wirkung ab 1. Juni 1960 bzw. 1. Januar 1964 nach dem 1. und 2. Neuordnungsgesetz (NOG) die Versorgungsbezüge der Klägerin neu festgestellt wurden, sind erst während des Revisionsverfahrens ergangen. Diese Bescheide haben den Bescheid vom 5. April 1959 weder abgeändert noch ersetzt. Sie sind nach § 171 Abs. 2 SGG nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens. Der Senat hatte daher nicht zu entscheiden, wie die Ausgleichsrente ab 1. Juni 1960 bzw. 1. Januar 1964 zu berechnen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2325664

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