Leitsatz (redaktionell)

Für eine Zustellung im Ausland ist die Form der Aufgabe eines eingeschriebenen Briefes (VwZG § 4) ungesetzlich (Vergleiche BSG 1973 -01-31 9 RV 706/71 = SozR Nr 1 zu § 14 VwZG).

 

Normenkette

VwZG §§ 14, 4

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 8. November 1972 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I

Der Kläger, der in Polen im Gebiet des früheren Oberschlesien wohnt, begehrt eine Teilversorgung gemäß § 64 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Seinen Antrag vom März 1968 lehnte das Versorgungsamt nach Einholung ärztlicher Stellungnahmen mit Bescheid vom 21. Februar 1969 ab. Der Widerspruch wurde durch den Widerspruchsbescheid vom 28. Juli 1970 zurückgewiesen. Der Bescheid ist an den Kläger als Einschreibebrief gegen Rückschein abgesandt und ihm am 6. August 1970 ausgehändigt worden. Seine Klage, die am 24. November 1970 eingegangen war, hat das Sozialgericht (SG) durch Urteil vom 25. Januar 1972 abgewiesen, weil die Klagefrist von drei Monaten nicht gewahrt sei und Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vorlägen. Die Berufung hatte aus den gleichen Gründen keinen Erfolg (Urteil des Landessozialgerichts - LSG - vom 8. November 1972). Auch das LSG hat die Klagefrist als versäumt betrachtet, keine Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gefunden und insbesondere die Sprachschwierigkeiten des Klägers nicht als hinreichenden Grund für eine Wiedereinsetzung angesehen.

Der Kläger hat Revision eingelegt und beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und unter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, sowie unter Aufhebung der Bescheide vom 21. Februar 1969 und 28. Juli 1970 den Beklagten zu verurteilen, den Kläger neu zu bescheiden.

Er rügt mit näherer Begründung eine Verletzung der §§ 67 und 71 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und bemängelt, daß das LSG nur die Frage geprüft und schließlich bejaht habe, ob dem Kläger als einem gewissenhaften Prozeßführenden die Einhaltung der Dreimonatsfrist zuzumuten gewesen sei.

Der Beklagte beantragt,

die Revision als unzulässig zu verwerfen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

II

Der Kläger hat die Revision form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Obwohl das Berufungsgericht das Rechtsmittel nicht zugelassen hat, findet es vorliegend deshalb statt, weil ein wesentlicher Mangel des Verfahrens i.S. des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG erkennbar gerügt ist und auch vorliegt. Die Revision mußte insoweit Erfolg haben, als sie zur Zurückverweisung der Sache geführt hat.

Wenn auch der Kläger hauptsächlich bemängelt, er sei zu der Zeit, als ihm der Widerspruchsbescheid zugegangen sei, beschränkt geschäftsfähig gewesen und die Dreimonatsfrist sei deshalb nicht in Lauf gesetzt worden, so hat er doch auch noch zu erkennen gegeben, daß entgegen der Ansicht des LSG die Dreimonatsfrist durch den Zugang des Widerspruchsbescheids am 6. August 1970 nicht in Gang gesetzt worden sei.

Widerspruchsbescheide sind den Beteiligten zuzustellen (§ 85 Abs. 3 SGG). Zuzustellen ist nach den §§ 2 bis 15 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) vom 3. Juli 1952 (§ 63 Abs. 2 SGG; § 27 Abs. 3 VerwVG idF des Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts - 3. NOG - vom 28. Dezember 1966). Andere Formen der Zustellung, wie sie § 27 Abs. 2 VerwVG idF vor dem 3. NOG (aF) für Bescheide der Versorgungsbehörden vorsah, gibt es nicht mehr. Das Urteil des 9. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 13. Januar 1969 (SozR Nr. 9 zu § 85 SGG) über die Zustellung eines Widerspruchsbescheids "in erleichterter Form" beruht auf der Anwendung des § 27 Abs. 2 VerwVG aF und ist daher im vorliegenden Fall ohne Bedeutung. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts darüber, daß vorliegend die Übersendung durch eingeschriebenen Brief gegen Rückschein genügt, stimmt zwar mit der früheren Rechtsprechung des BSG (vgl. auch Beschluß vom 27. Oktober 1970 - 8 RV 631/69 -) überein. Diese Rechtsprechung aber kann insbesondere nach der Änderung des Verwaltungszustellungsgesetzes durch das Gesetz vom 19. Mai 1972 (BGBl I S. 789) nicht aufrechterhalten werden, wie der 9. Senat in der Entscheidung vom 31. Januar 1973 - 9 RV 706/71 - (SozR Nr. 1 zu § 14 VwZG) entschieden hat. Dem schließt sich der erkennende Senat an. Danach ist der Wohnsitz des Klägers, wenn er auch innerhalb der Grenzen des deutschen Reiches vom 1. Januar 1937 liegt, jetzt Ausland. Die Zustellung im Ausland durch Aufgabe eines eingeschriebenen Briefes mit Rückschein war ungesetzlich, weil sie gegen die zwingende Vorschrift des § 14 VwZG verstieß. Inzwischen ist durch die Einfügung des § 15 Abs. 5 Satz 2 VwZG klar und vor allen Dingen sichergestellt, daß bei einer öffentlichen Zustellung wegen Wohnsitzes im Ausland der Zustellungsempfänger auf dem Postwege von der öffentlichen Zustellung und dem Inhalt des zuzustellenden Schriftstücks unterrichtet wird.

Infolgedessen ist das Berufungsgericht zu Unrecht davon ausgegangen, daß hier die Klagefrist versäumt worden ist. Es hat mithin das Verfahren verkannt, in welchem es entschieden hat (vgl. BSG 4, 200 ff, 201). Es hätte sich nicht darauf beschränken dürfen, zu prüfen, ob etwa Wiedereinsetzungsgründe gem. § 67 BVG vorliegen. Vielmehr hätte es den Anspruch des Klägers sachlich prüfen und eine Sachentscheidung fällen müssen und nicht lediglich eine Prozeßentscheidung des SG bestätigen dürfen. Da sonach der noch erkennbar gerügte wesentliche Mangel des des Verfahrens vorliegt und es dem Revisionsgericht verwehrt ist, selbst Feststellungen zu treffen, war die Sache wie geschehen an das LSG zurückzuverweisen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem Urteil vorbehalten, welches das Verfahren abschließen wird.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1649064

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