Entscheidungsstichwort (Thema)

Schülerunfallversicherung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Auslegung des Begriffs "Erneuerung des Arbeitsgerätes" (RVO § 549) beim Abholen der bei einer Buchhandlung bestellten Schulbücher durch den Schüler einer allgemeinbildenden Schule (RVO § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst b).

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Erbringt die Krankenkasse im Rahmen der Familienkrankenhilfe Leistungen aus Anlaß eines Arbeitsunfalls, gründet sich der Ersatzanspruch der Krankenkasse auf eine entsprechende Anwendung des RVO § 1510.

2. Zu den "Arbeitsgeräten" iS der gesetzlichen Unfallversicherung gehören auch Schulbücher.

 

Normenkette

RVO § 539 Abs. 1 Nr. 14 Buchst. b Fassung: 1971-03-18, § 549 Fassung: 1963-04-30, § 1510

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 02.02.1977; Aktenzeichen L 17 U 103/75)

SG Dortmund (Entscheidung vom 25.04.1975; Aktenzeichen S 1 (30, 18) U 75/73)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 2. Februar 1977 wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Tochter A des bei der Klägerin für den Fall der Krankheit versicherten Friedhelm B ist Schülerin der H Schule, Städt. Realschule für Mädchen, in F. Am 7. August 1972, dem ersten Schultag nach den Sommerferien, fuhr die Schülerin nach dem Mittagessen von ihrer Wohnung mit der Straßenbahn in die Innenstadt von E. Dort holte sie von einer Buchhandlung die Schulbücher ab, welche ihre Mutter kurz nach Beginn der Sommerferien dort bestellt hatte. Die Bestellung war auf Grund einer Liste erfolgt, welche die Schülerin von ihrer Lehrerin erhalten hatte und auf der die für das neue Schuljahr benötigten Bücher verzeichnet waren. Für den Ankauf der Bücher hatte die Schule Gutscheine zur Verfügung gestellt. Nachdem die Schülerin die Bücher abgeholt hatte, ging sie zu einer Straßenbahnhaltestelle, um nach Hause zu fahren. An der Haltestelle wurde sie von einem Bus der Deutschen Bundesbahn angefahren und verletzt. Die Klägerin wandte für den Transport der Schülerin zum Krankenhaus und eine dort durchgeführte Behandlung insgesamt 76,37 DM auf. Sie begehrte die Erstattung dieses Betrages von der Beklagten. Diese hat das abgelehnt, weil ein Schülerwegeunfall iS des § 539 Abs 1 Nr 14b der Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht vorgelegen habe. Allein durch die Tatsache, daß sich der Unfall nach Beendigung des Unterrichts am Nachmittag ereignet habe, sei eine Lösung vom Betrieb (Schule) eingetreten.

Das Sozialgericht (SG) Dortmund hat die Beklagte verurteilt, den Unfall der Schülerin vom 7. August 1972 als Arbeitsunfall anzuerkennen und der Klägerin die dadurch entstandenen Kosten in gesetzlichem Umfang zu erstatten. Die Berufung hat es zugelassen (Urteil vom 25. April 1975). Die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen zurückgewiesen (Urteil vom 2. Februar 1977). Der Ersatzanspruch der Klägerin sei nach § 1504 RVO begründet. Die Schülerin habe einen nach § 539 Abs 1 Nr 14b RVO iVm § 549 RVO versicherten Arbeitsunfall erlitten. Sie sei auf einem Weg verunglückt, der mit der Erneuerung von Arbeitsgerät zusammengehangen habe. Schulbücher dienten ihrer Zweckbestimmung nach hauptsächlich dem Schulbesuch und seien Arbeitsgeräte. Im vorliegenden Falle habe es sich nicht um die Erstbeschaffung gehandelt, denn die Schülerin habe bereits gleichartige Bücher besessen, die durch die Tätigkeit im vorangegangenen Schuljahr unbrauchbar geworden, dh verbraucht worden seien. Es sei auch keine Vorratsbeschaffung gewesen. Die Bücher seien für den Unterricht am nächsten und an den folgenden Tagen gebraucht worden. Überdies sei der Senat der Auffassung, daß vom Grundgedanken des Versicherungsschutzes her die Beschaffung von Lernmitteln auch nach § 548 RVO Versicherungsschutz genieße.

Durch Beschluß vom 8. September 1977 hat der erkennende Senat auf die Beschwerde der Beklagten die Revision zugelassen.

Die Beklagte hat dieses Rechtsmittel eingelegt und im wesentlichen wie folgt begründet: Das LSG habe sich fast ausschließlich auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 22. Oktober 1975 - 8 RU 68/75 - (SozR 2200 § 549 Nr 2 - Schulhefturteil) gestützt, ohne die unterschiedlichen Sachverhalte zu würdigen. Sie - die Beklagte - räume zwar ein, daß Schulbücher "Arbeitsgerät" iS des § 549 RVO sind, sei aber nach wie vor der Meinung, daß zwischen dem Abholen der Schulbücher durch die Schülerin und der nach § 539 Abs 1 Nr 14b RVO versicherten Tätigkeit kein Zusammenhang bestehe. Dem Erfordernis des engen zeitlichen Zusammenhanges zwischen dem Abholen der Bücher und dem Gebrauch im Unterricht habe das LSG nicht ausreichend Rechnung getragen. Das BSG habe in einem weiteren Urteil vom 26. Juli 1977 - 8 RU 4/77 - (Malkastenurteil) klargestellt, daß die Erneuerung des Arbeitsgerätes mit dem Schulbesuch in einem verhältnismäßig engen Zusammenhang stehen müsse. Es liege eine nicht mehr versicherte Gelegenheits- oder Vorratsbeschaffung vor, wenn das erneuerte Arbeitsgerät nicht für die unmittelbar anstehende nächste Fachstunde benötigt werde. Das LSG habe keine Ermittlungen darüber angestellt, für welche lehrplanmäßigen Unterrichtsstunden die beschafften Schulbücher tatsächlich benötigt worden seien, ob die Beschaffung auch bei anderen Gelegenheiten hätte erfolgen können und ob gerade zur Unfallzeit eine Dringlichkeit zur Besorgung der Schulbücher bestanden habe. Es sei auch nicht einmal festgestellt worden, um welche Schulbücher im einzelnen es sich gehandelt habe, wann deren Abholung erstmals möglich gewesen wäre und ob der Unterrichtsstoff der alten Lehrbücher, für die Folgebände beschafft worden seien, im abgelaufenen Schuljahr bereits abschließend behandelt worden seien. Die Schülerin habe zudem die Möglichkeit gehabt, nach Beendigung des Unterrichts am Vormittag, den Weg von der Schule zum Elternhaus zu unterbrechen, um die bestellten Schulbücher abzuholen, so daß es einer zusätzlichen Fahrt am Nachmittag nicht bedurft hätte. Ihrer Ansicht nach handele es sich auch nicht um eine Erneuerung des Arbeitsgerätes. Denn Schulbücher der vorangegangenen Schuljahre könnten auch später noch, zB beim Wiederholen des Lehrstoffes, gebraucht werden. Sie seien auch für andere Versicherte noch zu gebrauchen. Die neu angeschafften Schulbücher seien zudem keine Ersatzbeschaffung von Gegenständen gleicher Art. Vielmehr habe es sich um eine Erstbeschaffung gehandelt, bei der kein Versicherungsschutz bestehe. Der Erneuerungsvorgang werde im vorliegenden Fall von zwei zeitlich voneinander getrennten Tätigkeiten gebildet, und zwar durch den Bestell- und den Abholvorgang. Für den Abholvorgang, der lediglich als logische Folge des Bestellvorganges anzusehen sei, könne keine andere rechtliche Würdigung Platz greifen als für den Bestellvorgang. Beim Bestellen der neuen Schulbücher seien die alten noch im Unterricht verwendet worden. Unter diesen Umständen sei die Bestellung der neuen Schulbücher eine Vorratsbeschaffung gewesen, so daß eine Erneuerung nach § 549 RVO ausgeschlossen erscheine. Zu der Auffassung des LSG, daß Versicherungsschutz auch nach § 548 RVO gegeben sei, vertrete sie eine gegenteilige Rechtsansicht. Das LSG stehe damit im Widerspruch zur Kausalitätstheorie von der wesentlichen Bedingung. Es habe auch hier die Kausalitätsprüfung ohne Berücksichtigung des erforderlichen zeitlichen Zusammenhanges zwischen Unfallereignis und versicherter Tätigkeit angestellt. Würde § 548 RVO anzuwenden sein, wäre § 549 RVO überflüssig.

Die Beklagte beantragt,

die Urteile des LSG für das Land Nordrhein-Westfalen vom 2. Februar 1977 und des SG Dortmund vom 25. April 1975 aufzuheben und die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

den Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie trägt vor, daß nach dem Urteil des BSG vom 26. Juli 1977 - 8 RU 4/77 - (Malkastenurteil) die Erneuerung des Arbeitsgerätes zu dem Schulbesuch in einem verhältnismäßig engen Zusammenhang stehen müsse. Das sei hier auch der Fall gewesen. Es sei nicht erforderlich, daß alle abgeholten Bücher bereits am ersten Unterrichtstag nach den Ferien benötigt werden. Unerheblich sei es für den Versicherungsschutz, ob die Schülerin die Bücher schon am Vormittag des ersten Schultages auf dem Weg nach Hause hätte abholen können. Eine Erneuerung des Arbeitsgerätes liege auch dann vor, wenn das verbrauchte Gerät in irgendeiner Form noch benutzt werden könne. Das treffe sowohl für die "klassischen" Arbeitsgeräte als auch für Bücher zu. Eine Ersatzbeschaffung sei beim Kauf von Folgebänden stets gegeben.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.

Das LSG hat zwar zutreffend entschieden, daß die Schülerin Andrea B (B.) am 7. August 1972 einen von der Beklagten zu entschädigenden Arbeitsunfall erlitten hat. Hinsichtlich des von der Klägerin gegen die Beklagte geltend gemachten Ersatzanspruches ist das LSG jedoch unzutreffend von § 1504 RVO als Anspruchsgrundlage ausgegangen. Wie der erkennende Senat bereits entschieden hat (BSGE 39, 24, 25), ist § 1504 RVO nach seinem Wortlaut sowie nach Sinn und Zweck der Vorschrift nicht anzuwenden, wenn die Krankenkasse nicht an einen Verletzten geleistet hat, der bei ihr versichert ist, sondern dem Verletzten die Leistungen als Familienhilfe gewährt worden sind (vgl auch BSG, Urteil vom 26. Juli 1977 - 8 RU 4/77 -). Das war hier der Fall. Die Schülerin Andrea B. war bei der Klägerin nicht selbst versichert. Sie erhielt die nach dem Unfall erforderliche Heilbehandlung auf Grund der Versicherung ihres Vaters bei der Klägerin als Familienkrankenhilfe. Der Ersatzanspruch der Klägerin gründet sich in Fällen der vorliegenden Art auf eine entsprechende Anwendung des § 1510 RVO (BSGE aaO). Bereits das Reichsversicherungsamt hat in ständiger Rechtsprechung ein auftragsähnliches Verhältnis zwischen der Krankenkasse und dem Träger der Unfallversicherung angenommen, wenn die Krankenkasse im Rahmen der Familienkrankenhilfe Leistungen aus Anlaß eines Arbeitsunfalls erbringt (AN 1937, 231; EuM 44, 55, 56 und 162, 163; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 8. Aufl S. 964i). Der erkennende Senat hat sich dieser Auffassung angeschlossen.

Andrea B. hat am 7. August 1972 einen von der Beklagten zu entschädigenden Arbeitsunfall erlitten. Sie war als Schülerin einer allgemeinbildenden Schule nach § 539 Abs 1 Nr 14b RVO gegen Arbeitsunfall versichert. Als Arbeitsunfall gilt nach § 549 RVO auch ein Unfall, den ein Versicherter bei einer mit einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten zusammenhängenden Verwahrung, Beförderung und Erneuerung des Arbeitsgerätes erleidet, auch wenn es vom Versicherten gestellt wird. Der Versicherungsschutz erfaßt auch die dabei erforderlichenfalls zurückzulegenden Wege (vgl BSG SozR Nr 1 zu § 549 RVO). Wie das BSG bereits entschieden hat, ist mit § 539 Abs 1 Nr 14b RVO zwar kein umfassender Versicherungsschutz für Schüler eingeführt worden (BSGE 41, 149, 151), jedoch ist § 549 RVO auch im Rahmen der Unfallversicherung für Schüler anwendbar, weil diese Vorschrift ihrer Zweckbestimmung nach den Versicherungsschutz gerade auf den Bereich der sonst dem Versicherungsschutz entzogenen privaten Lebenssphäre des Versicherten erstreckt (BSG SozR 2200 § 549 Nr 2). Das ergibt sich aus der Begründung zu der als § 545b durch das Zweite Gesetz über Änderungen in der Unfallversicherung vom 14. Juli 1925 (RGBl I 97) in die RVO eingefügten Vorschrift (Reichstags-Drucks III. Wahlperiode 1924/25 Nr 691 S. 34), die mit dem Inkrafttreten des Sechsten Gesetzes über Änderungen in der Unfallversicherung vom 9. März 1942 (RGBl I 107) zum § 543 Abs 2 RVO und schließlich durch das Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz vom 30. April 1963 (BGBl I 241) zum § 549 RVO wurde. Nach der damaligen Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes (AN 1901, 360) wurde das außerhalb des Betriebes und ohne Benutzung von Betriebsgegenständen und -einrichtungen erfolgte Instandsetzen des dem Arbeiter selbst gehörenden Arbeitsgerätes nicht als versicherte Betriebstätigkeit angesehen. Wegen der nach Meinung des Gesetzgebers darin liegenden Härte und mit Rücksicht darauf, daß das Instandhalten des dem Versicherten gehörenden Arbeitsgerätes, wenn auch nicht unmittelbar, so doch im allgemeinen mittelbar für den Betrieb erfolgt, wurde es für gerechtfertigt gehalten, den Versicherungsschutz auf diese Tätigkeit sowie auf die Tätigkeit beim Verwahren oder bei der Erneuerung des Arbeitsgerätes zu erstrecken, auch wenn es dem Versicherten selbst gehört.

Andrea B. befand sich am Unfalltag auf einem mit dem Besuch der Schule ursächlich zusammenhängenden Weg zur Erneuerung von Arbeitsgerät. Die von der Schülerin abgeholten Bücher dienten nach den Feststellungen des LSG ihrer Zweckbestimmung nach hauptsächlich dem Schulbesuch. Das LSG hat sie - unter Zustimmung der Beklagten - als Arbeitsgerät iS des § 549 RVO bezeichnet. Dieser rechtlichen Qualifizierung stimmt der erkennende Senat zu (vgl BSGE 24, 243, 246; SozR 2200 § 549 Nr 2; Brackmann aaO S. 481p). Eine Erneuerung des Arbeitsgerätes liegt nach der Rechtsprechung des BSG vor, wenn der Versicherte bereits ein gleichartiges Arbeitsgerät hatte, dieses durch die Arbeit im Unternehmen abgenutzt oder verbraucht war und der Versicherte sich als Ersatz dafür ein neues Gerät gleicher Art für seine Arbeit in diesem Unternehmen beschafft. Es kommt hier auf den Begriff der Erneuerung und nicht auf den der Beförderung an, da das erste kennzeichnend für den Weg der Schülerin war. Es kann dahinstehen, ob es sich, wie die Beklagte meint, nicht bei allen am Unfalltag abgeholten Büchern um Folgebände bereits im vorausgegangenen Schuljahr benutzter Bücher gehandelt hat, sondern sich darunter auch solche befunden haben, die erstmals angeschafft wurden. Nach dem Revisionsvorbringen der Beklagten gehörte ein wesentlicher Teil, wenn nicht sogar die Mehrzahl der abgeholten Bücher zu den Folgebänden, während einige Bücher neue Lehrbücher gewesen sein sollen. Auch dann würde es sich um die Erneuerung von Arbeitsgeräten gehandelt haben. Der Senat ist der Auffassung, daß der Begriff der Erneuerung nicht eng, sondern unter Berücksichtigung des Besuchs allgemeinbildender Schulen auszulegen ist. Ein "Verbrauchen" eines Arbeitsgeräts ist auch anzunehmen, wenn ein Arbeitsgerät, wie hier ein Schulbuch, deswegen nicht mehr benutzt wird, weil es seinem Inhalt nach nicht mehr verwertet werden kann und deshalb ein anderes Buch beschafft werden muß. Die gegenteilige Auffassung würde zu dem nicht gerechtfertigten Ergebnis führen, der äußeren Beschaffenheit eines Arbeitsgeräts eine andere Bedeutung beizumessen als seinem Inhalt. Es ist nicht erforderlich, daß ein Schulbuch generell unbenutzbar geworden ist. Es genügt eine "Abnutzung" des Arbeitsgeräts. Der Ansicht, ein Schulbuch sei erneuert worden, steht nicht entgegen, daß es etwa noch bei der Wiederholung des Lehrstoffes verwendet werden kann oder noch zu Beginn des neuen Schuljahres für einige Zeit benutzt worden ist. Der Begriff der Erneuerung ist auch erfüllt, wenn ein bisheriges Schulbuch nicht mehr verwendet werden kann, weil nunmehr ein neuer Stoff zum Unterricht ansteht. Dann können dafür bisherige Schulbücher nicht mehr verwendet werden, sie sind also insoweit unbrauchbar. Der Schüler muß sich ein gleichartiges neues Arbeitsgerät, nämlich ein neues Schulbuch, beschaffen. Die Auffassung, es handele sich in einem solchen Fall um eine Erstbeschaffung, berücksichtigt nicht genügend, daß es bei Schulbüchern, wie dargelegt, auf den Inhalt und dabei darauf ankommt, ob der Inhalt von bisherigen Schulbüchern noch verwendet werden kann. Auch zB eine Maurerkelle wird nicht nur erneuert, wenn sie zu schadhaft geworden ist, sondern auch, wenn sie durch eine - technische - Weiterentwicklung überholt ist.

Unerheblich ist ferner, daß die Schülerin Andrea B. die Bücher nicht schon im Anschluß an den Unterricht am Vormittag abgeholt hat. Zu welchem Zeitpunkt der Versicherte einen Weg zur Erneuerung von Arbeitsgerät zurücklegt, ist grundsätzlich unerheblich, sofern nur der ursächliche Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gewahrt ist, das Arbeitsgerät also nicht nur gelegentlich einer privaten Besorgung erneuert wird. Im vorliegenden Fall ist jedoch nicht zweifelhaft, daß der ursächliche Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit am Nachmittag des ersten Schultages nach den Ferien gegeben war, da kein Anhalt dafür besteht, daß die Schülerin auf dem zum Unfall führenden Weg noch andere Besorgungen erledigt hat oder erledigen wollte. Für den ursächlichen Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob die abgeholten Bücher alle oder ein wesentlicher Teil von ihnen bereits am nächsten Tag gebraucht wurden. Die Beklagte legt dem zeitlichen Zusammenhang eine Bedeutung bei, die ihm nicht zukommt, sie stützt sich für ihre Auffassung zu Unrecht auf die Urteile des 8. Senats des BSG vom 22.Oktober 1975 - 8 RU 68/75 - (SozR 2200 § 549 Nr 2) und vom 26.Juli 1977 - 8 RU 4/77 -. Der 8. Senat hat in diesen Urteilen zum Ausdruck gebracht, daß die Erneuerung des Arbeitsgerätes zum Schulbesuch in einem verhältnismäßig engen zeitlichen Zusammenhang gestanden haben müsse; Unfallversicherungsschutz bestehe nur, wenn das Lernmittel unverzüglich oder alsbald zum Unterricht benötigt werde. Diese Ausführungen tragen jedoch die Entscheidungen des 8. Senats nicht. In den beiden von ihm entschiedenen Fällen (Erneuerung eines Rechenheftes und Erneuerung von Malfarben) hat ein enger zeitlicher Zusammenhang bestanden - das Rechenheft wurde am Vormittag für eine Unterrichtsstunde an demselben Vormittag gekauft, und die Malfarben wurden am Abend für die ersten Unterrichtsstunden des folgenden Tages angeschafft -, der 8. Senat hatte demnach über keine Sachverhalte zu entscheiden, die Ausführungen darüber erforderlich machten, wie die Rechtslage zu beurteilen wäre, wenn der zeitliche Abstand zwischen der Erneuerung des Arbeitsgerätes und dessen Gebrauch größer als in den beiden erwähnten Fällen ist. Die besondere Betonung des Faktors Zeit widerspricht auch dem Grundsatz, daß es für den Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht auf den zeitlichen, sondern auf den ursächlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit - hier dem Schulbesuch - ankommt (Brackmann aaO S. 483n). Dies schließt nicht aus, daß der ursächliche Zusammenhang in Frage gestellt sein könnte, wenn etwa ein Schulbuch angeschafft wird, das voraussichtlich erst Jahre später benötigt wird. Im vorliegenden Fall holte die Schülerin Andrea B. jedoch Schulbücher ab, die zum Gebrauch in dem gerade begonnenen Schuljahr bestimmt waren. Dabei ist es versicherungsrechtlich unerheblich - und vom praktischen Standpunkt aus vernünftig -, daß sie die zusammen bestellten Bücher auch zusammen abholte, ohne Rücksicht darauf, an welchem Tage dieses Schuljahres die einzelnen Bücher jeweils erstmalig gebraucht werden würden. Zudem kommt es auch nicht darauf an, ob die Bücher objektiv sofort gebraucht wurden. Es reicht vielmehr aus, daß die Schülerin von ihrem Standpunkt aus der Auffassung sein konnte, daß es zweckmäßig sei, alle aufgrund der Bestellung zur Abholung bereitliegenden Bücher zusammen abzuholen (Brackmann aaO S. 480q). Unentschieden bleibt, wie ein Unfall auf dem Weg zum Bestellen von Schulbüchern rechtlich zu beurteilen ist. Für die Entscheidung dieses Falles kommt es nur auf die Beurteilung der Frage an, ob Andrea B. beim Abholen der Bücher unter Versicherungsschutz gestanden hat.

Die Schülerin Andrea B. hat hiernach einen Arbeitsunfall iS des § 549 RVO erlitten, für den von der Beklagten Entschädigung zu gewähren ist (§§ 656 Abs 1, 657 Abs 1 Nr 5 RVO). Die Beklagte hat daher der Klägerin die dieser aus Anlaß des Arbeitsunfalls erwachsenen Aufwendungen im Betrag von 76,37 DM zu ersetzen. Die Revision der Beklagten mußte zurückgewiesen werden.

Eine Kostenentscheidung entfällt (§ 193 Abs 4 SGG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1651912

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