Leitsatz (redaktionell)

Die sorgeberechtigte Mutter hat keinen Anspruch auf Kindergeld für die in ihrem Haushalt lebende Tochter, wenn der Vater für das Kind Kinderzuschuß aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht.

 

Orientierungssatz

1. Der Anwendung des BKGG § 8 Abs 1 Nr 1 steht nicht entgegen, daß derjenige der den Anspruch auf Kindergeld geltend macht und der Empfänger des Kinderzuschusses nicht identisch sind.

2. Die gesetzliche Regelung des BKGG § 8 Abs 1 Nr 1 ist eindeutig; sie verstößt auch nicht gegen GG Art 3.

3. Der Wegfall der Kinderfreibeträge des EStG § 32 aF im Rahmen der Neuregelung des Familienlastenausgleichs ist mit GG Art 3 Abs 1 und GG Art 6 vereinbar (vgl BVerfG 1976-11-23 1 BvR 150/75 = BVerfGE 43, 108).

 

Normenkette

BKGG § 8 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1964-04-14, § 2 Abs. 1 Fassung: 1964-04-14; RVO § 1262 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1957-02-23; GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23, Art. 6 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23; EStG § 32

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 26.11.1976; Aktenzeichen L 1 Kg 4/76)

SG Kiel (Entscheidung vom 04.03.1976; Aktenzeichen S 5 Kg 10/75)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 26. November 1976 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten für das Revisionsverfahren sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin war in erster Ehe mit Paul Sch (Sch.) verheiratet. Diese Ehe wurde im Februar 1968 (richtig wohl: 1969) geschieden. Aus der Ehe ist eine Tochter Christa (geboren am 9. April 1963) hervorgegangen. Diese lebt im Haushalt der Mutter, der durch Beschluß des Amtsgerichts Kiel vom 21. März 1969 das Sorgerecht übertragen worden ist. Sch. bezieht seit 1969 Altersruhegeld aus der Rentenversicherung der Arbeiter. Die Rente ist um den Kinderzuschuß erhöht.

Am 14. Oktober 1974 beantragte die Klägerin beim Arbeitsamt (ArbA) K - Kindergeldkasse - die Gewährung von Kindergeld für ihre Tochter Christa. Das ArbA lehnte diesen Antrag durch Bescheid vom 8. November 1974 unter Hinweis auf § 8 Abs. 1 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) ab, weil der geschiedene Ehemann Kinderzuschüsse aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehe. Der Widerspruch der Klägerin war erfolglos (Widerspruchsbescheid des ArbA Kiel vom 11. August 1975). Das Sozialgericht (SG) hat die Klage durch Urteil vom 4. März 1976 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin durch Urteil vom 26. November 1976 zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Es hat u.a. ausgeführt, die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Ziff. 1 BKGG für die Nichtgewährung von Kindergeld seien gegeben. Der Anwendung dieser Vorschrift stehe nicht entgegen, daß derjenige, der den Anspruch auf Kindergeld geltend mache - hier also die Klägerin -, und der Empfänger des Kinderzuschusses nicht identisch seien. Diese Folge entspreche dem Zweck der Vorschrift, der darin bestehe, eine mehrfache Gewährung gleichwertiger öffentlicher Leistungen für ein und dasselbe Kind zu verhindern. Die Kinderzuschüsse seien auch keine Gegenleistung für erbrachte Versicherungsbeiträge. Die Rechtsfolge des § 8 Abs. 1 Ziff. 1 BKGG verstoße entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin auch nicht gegen Verfassungsrecht, insbesondere nicht gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -) und des sozialen Rechtsstaates (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG). Allerdings könne die mit der Kindergeldregelung beabsichtigte Entlastung (Familienlastenausgleich) durch die Zahlung des Kinderzuschlages (Kinderzuschusses) dann nicht unmittelbar erreicht werden, wenn der Empfänger des Kinderzuschlages (Kinderzuschusses) und derjenige, der an sich Anspruch auf Kindergeld hätte - hier die Klägerin -, nicht in einem gemeinsamen Haushalt lebten. Durch das Unterhaltsrecht könne jedoch sichergestellt werden, daß ein Kinderzuschlag auch dann dem Kind bzw. der Familie, der es tatsächlich angehöre, zugute komme, wenn der Empfangsberechtigte nicht im gleichen Haushalt wohne. Es bestehe eine unterhaltsrechtliche Verpflichtung, Kindergeld, Kinderzuschläge und Kinderzulagen ausschließlich für den Unterhalt des Kindes zu verwenden. Die Sachgerechtigkeit des § 8 Abs. 1 Ziff. 1 BKGG werde außerdem durch § 1615g des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), der für eheliche Kinder entsprechend gelte, erhärtet. Danach sei das auf das Kind entfallende Kindergeld bzw. der Kinderzuschlag, wenn diese Leistung einem anderen als dem - die Anspruchsvoraussetzungen ebenfalls erfüllenden - Vater zustehe, zur Hälfte auf den Unterhaltsbedarf anzurechnen. Das von der Klägerin offenbar angesprochene Einkommensteuerreformgesetz (EStRG) sei in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Kindergeld und Kinderzuschläge einerseits sowie die steuerlich-rechtliche Entlastung der Familie im Hinblick auf die Kinder - insbesondere durch sogenannte Kinder- oder Haushaltsfreibeträge - andererseits ständen in keinem unmittelbaren Zusammenhang.

Die Klägerin hat Revision eingelegt.

Sie beantragt,

unter Aufhebung der Urteile des Sozialgerichts Kiel vom 4. März 1976 und des Landessozialgerichts Schleswig vom 26. November 1976 den Bescheid des Arbeitsamtes K - Kindergeldkasse - vom 8. November 1974 und dessen Widerspruchsbescheid vom 11. August 1975 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin für ihre Tochter Christa ab 1. Januar 1975 Kindergeld zu gewähren.

Zur Begründung trägt sie vor, die anhängigen Rechtsfragen müßten vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden werden. Das LSG habe sich zwar mit der sozialrechtlichen Problematik befaßt, dabei aber das bürgerliche Unterhaltsrecht unzutreffend gewürdigt. Der unterhaltspflichtige Vater habe unter Umständen - bei geringer eigener Rente - durch die Zahlung des Kinderzuschusses einen finanziellen Vorteil. Gerade im Falle der Christa Sch. habe der Unterhaltsrichter die Abführung des vollen Kindergeldbetrages und darüberhinaus eines Betrages von 80,- DM aus der Grundrente des Vaters mit der Begründung abgelehnt, daß der Vater lediglich verpflichtet wäre, von seiner Gesamtrente einschließlich des Kindergeldbeitrages ein Fünftel an sein Kind abzuführen. Im vorliegenden Rechtsstreit gehe es allerdings vordringlich um ein anderes Problem, nämlich darum, daß der unstreitig als Teil der Gesamtrente anzusehende Kindergeldbeitrag nicht eine Sozialleistung oder eine Leistung des Familienlastenausgleichs seitens des Staates sei, sondern eine Gegenleistung für eine vorher erbrachte Leistung des Vaters, nämlich für die Zahlung der Beiträge. Wenn das Kindergeld ein unselbständiger Bestandteil der Rente sei, so sei es zwangsläufig eine Leistung, die auf dem Versicherungsvertrag beruhe und nicht eine Sozialleistung des Staates, die zusätzlich aus der Rentenversicherung bzw. den Rentnern gewährt werde.

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend und verweist weiter auf die Entscheidung des BVerfG vom 23. November 1976 (BVerfGE 43, 108 = NJW 1977 S. 241).

Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die durch Zulassung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) statthafte Revision ist von der Klägerin frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. Die Revision ist daher zulässig; sie erweist sich jedoch als unbegründet. Die Beklagte und die Vordergerichte haben zutreffend die Voraussetzungen für das von der Klägerin für ihre Tochter Christa begehrte Kindergeld verneint, weil der Vater (Sch.) zu seiner Rente aus der Rentenversicherung (RV) der Arbeiter einen Kinderzuschuß gem. § 1262 der Reichsversicherungsordnung (RVO) für seine Tochter erhält.

Nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 des BKGG vom 14. April 1964 (BGBl I 265 - BKGG -), der seither unverändert geblieben ist (vgl. auch Neufassung vom 31. Januar 1975, BGBl I 412, 413), wird Kindergeld nicht für ein Kind gewährt, für das einer Person, bei der das Kind nach § 2 Abs. 1 BKGG berücksichtigt wird, Kinderzulagen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (UV) oder Kinderzuschüsse aus der gesetzlichen RV zustehen. Das trifft auf die Tochter Christa zu. Zwar steht der Klägerin selbst kein Kinderzuschuß aus der RV zu; ihre Tochter wird aber bei dem (geschiedenen) Vater - und damit bei einer "Person" i.S. des § 8 Abs. 1 BKGG - berücksichtigt (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 BKGG), weshalb sie sich diese Leistungen anrechnen lassen muß. Auf die alleinige oder ausschließliche Bezugsberechtigung der Klägerin, in deren Haushalt die Tochter lebt und der das Sorgerecht übertragen ist, kommt es nach der klaren und eindeutigen Regelung des § 8 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 BKGG nicht an. Vielmehr ist der Anspruch auf Kindergeld auch dann ausgeschlossen, wenn der Anspruchsberechtigte für das Kindergeld nach §§ 1 und 2 BKGG nicht zugleich der Empfänger des Kinderzuschusses aus der gesetzlichen RV ist (vgl. BSG SozR KGG § 3 Nr. 4). Die Revision verkennt insoweit auch nicht, daß der Ausschlußtatbestand des § 8 Abs. 1 Nr. 1 BKGG erfüllt ist. Sie hält diese Regelung jedoch für die Zeit seit dem Inkrafttreten des EStRG vom 5. August 1974 (BGBl I 1769, 1847) für unvereinbar mit dem Sinn und Zweck des Kindergeldrechts und der zivilrechtlichen Unterhaltsregelung. Diese Auffassung trifft jedoch nicht zu.

Seit der erstmaligen Einführung eines gesetzlichen Kindergeldes mit dem Kindergeldgesetz (KGG) vom 13. November 1954 (BGBl I 333) war der Kindergeldanspruch ausgeschlossen bzw. betragsmäßig eingeschränkt, wenn für Kinder öffentlich-rechtliche Leistungen bestimmter Art gewährt wurden (vgl. § 3 Abs. 2 KGG). Dazu gehörten von jeher neben den auf besoldungsrechtlichen und versorgungsrechtlichen Vorschriften beruhenden vergleichbaren Leistungen für Kinder die Kinderzulagen aus der gesetzlichen UV und die Kinderzuschüsse aus der gesetzlichen RV (§ 3 Abs. 2 Nr. 3 KGG i.d.F. vom 13. November 1954 sowie § 3 Abs. 2 Nr. 7 KGG i.d.F. von § 10 Nr. 3 des Kindergeldergänzungsgesetzes - KGEG - vom 23. Dezember 1955, BGBl I 841; § 3 Abs. 3 des Kindergeldkassengesetzes - KGKG - vom 18. Juli 1961, BGBl I 1001; § 8 Abs. 1 Nr. 1 BKGG, BGBl I 265, der bis heute unverändert fortgilt). Dieser Ausschluß rechtfertigt sich aus dem das gesamte Kindergeldrecht beherrschenden Grundsatz, Doppelleistungen für dasselbe Kind auszuschließen (vgl. Urteil BSG vom 23. März 1971, SozR KGG § 3 Nr. 4). Kindergeld soll danach nicht neben den in anderen Sozialgesetzen vorgesehenen Leistungen gewährt werden (vgl. §§ 7 und 8 BKGG a.F.). Für den Gesetzgeber war dabei ausschlaggebend, daß die in den Ausnahmebestimmungen aufgezählten Leistungen mit dem Kindergeld vergleichbar sind (vgl. BT-Drucks. IV/818 S. 15 zu § 7). Ebenso wie die in dem bis zum 31. Dezember 1974 geltenden § 7 BKGG a.F. aufgeführten Leistungen wurzeln auch die Kinderzulagen bzw. Kinderzuschüsse in sozialen und fürsorgerischen Erwägungen, wobei es unerheblich ist, daß jene nach außen als Teil der Dienstbezüge und diese als Teil der Renten in Erscheinung traten. Im übrigen stellt die Kindergeldgesetzgebung nur eine der besonderen Formen von Kinderbeihilfen dar, die sich im Laufe einer langen Entwicklung herausgebildet haben, woraus sich auch die verschiedenen finanziellen Quellen erklären, aus denen die unterschiedlichen Leistungen fließen (vgl. BSGE 26, 160, 163). Die Kindergeldgesetzgebung begründet deshalb, ohne daß der Gleichheitssatz verletzt wäre, auch heute noch kein einheitliches System der Kinderbeihilfen (vgl. BVerfGE 11, 105, 115).

Das Bundessozialgericht (BSG) hat demgemäß keinen Verstoß gegen das GG, insbesondere gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 GG gesehen, wenn der Gesetzgeber die Bezieher von Leistungen, die dem Kindergeld vergleichbar sind, von der Kindergeldgewährung ausschließt (vgl. BSGE aaO zu § 7 BKGG a.F.). Was insoweit für die in dem früheren § 7 BKGG a.F. genannten Leistungen für gilt, kann umso weniger für die Kinderzulagen bzw. Kinderzuschüsse des § 8 Abs. 1 Nr. 1 BKGG abweichend beurteilt werden. So hat der 7. Senat des BSG in der bereits genannten Entscheidung vom 23. März 1971 (SozR KGG § 3 Nr. 4) unter Hinweis auf den Beschluß des BVerfG vom 11. Juli 1967 (BVerfGE 22, 163 = SozR GG Art. 3 Nr. 63) keinen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des dem jetzigen § 8 Abs. 1 Nr. 1 BKGG entsprechenden § 3 Abs. 2 Nr. 7 KGG gehabt und dort den Anspruch des Vaters auf Kindergeld verneint, weil der Großvater für dieses Kind einen Kinderzuschuß aus der gesetzlichen RV erhielt. Im gleichen Sinne hat das BSG bereits zu § 8 Abs. 1 Nr. 1 BKGG entschieden (vgl. SozR BKGG § 8 Nr. 3). Das BVerfG hat in der erwähnten Entscheidung (BVerfGE 22, 163) die Verfassungsmäßigkeit des § 3 Abs. 1 Nr. 1 KGKG, wonach Doppelleistungen der öffentlichen Hand für ein und dasselbe Kind ausgeschlossen waren, grundsätzlich bejaht, weil die Kindergeldgesetze allgemein dem sozialpolitischen Zweck dienten, einen "Familienlastenausgleich" herbeizuführen (vgl. auch BVerfGE 11, 105, 115ff). Der Gesetzgeber habe gerade diejenigen kinderreichen Familien erfassen wollen, die nicht schon auf andere Weise aus öffentlichen Mitteln einen Ausgleich für die durch Kinder bedingten besonderen Lasten erhalten (vgl. auch Begründung zum Regierungsentwurf des KGKG, BT-Drucks. III/2648 S. 11). Unter diesem Gesichtspunkt erscheine es sachgerecht, wenn nach dem Grundgedanken des § 3 Abs. 1 KGKG - ebenso wie nach § 3 Abs. 2 KGG und § 7 Abs. 1 BKGG - das Kindergeld nur subsidiären Charakter habe; es solle entfallen, wenn bereits aus anderem Rechtsgrund eine vergleichbare Kinderbeihilfe aus öffentlichen Mitteln gezahlt werde.

Aus diesen vom BVerfG wiederholt gebilligten Grundsätzen des Kindergeldrechts (vgl. auch BVerfGE 22, 100, 105) vermag auch der erkennende Senat in der Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 1 BKGG keinen Verstoß gegen Verfassungsnormen zu erkennen. Dabei kann es nicht entscheidend darauf ankommen, ob die Mittel für die Zahlungen der allgemeinen Leistungen aus der Unfall- oder Rentenversicherung durch Beiträge der Unternehmer, Arbeitgeber bzw. Beschäftigten oder auch zum Teil aus Steuermitteln aufgebracht werden. Denn gerade die Kinderzulagen bzw. Kinderzuschüsse sind Leistungen, die ihrer Höhe nach nicht von den Beiträgen abhängig sind, die für oder von den Versicherten oder Beitragspflichtigen aufgebracht werden. Diese Zuschüsse dienen allein der Minderung der durch Kinder erhöhten finanziellen Belastungen und hängen - neben der gesetzlich bestimmten Höhe (bzw. Mindesthöhe) - in der RV nur von der Zahl der Kinder, in der UV zusätzlich von der Höhe der Rente ab (§ 1262 RVO; § 39 Angestelltenversicherungsgesetz - AVG -; § 583 RVO). Sie unterscheiden sich daher in ihrer rechtlichen Qualität im Rahmen des Familienlastenausgleichs nicht von den Kinderzulagen, die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes bis zum 31. Dezember 1974 erhielten und die nach § 7 BKGG a.F. und den früheren entsprechenden Regelungen den Anspruch auf Kindergeld ausschlossen, wobei die tatsächliche Höhe dieser vergleichbaren Leistungen, z.B. bei dem Zweitkindergeld nach dem KGKG, nicht immer von Bedeutung war (vgl. Urteil des BSG vom 3. Juni 1965, SozR KGKG § 35 Nr. 1).

Mit dem EStRG ist der gesetzliche "Familienlastenausgleich" insbesondere aus sozialen und aus Gründen der Gleichbehandlung umgestaltet worden. Einerseits ist der Kinderfreibetrag der Einkommensteuer (§ 32 Einkommensteuergesetz - EStG - a.F.) weggefallen (vgl. Art. 1 Nr. 40 EStRG). Andererseits wurden die Bezugsberechtigung des Kindergeldes mit der Neufassung der §§ 1 und 10 BKGG (vgl. Art. 2 Nrn. 1 und 9 EStRG) bereits auf das erste Kind ausgedehnt und die Leistungen auf 50,- DM für das erste, 70,- DM für das zweite und 120,- DM für das dritte und jedes weitere Kind erhöht. Ab 1. Januar 1978 verbessern sich diese Leistungen für das zweite Kind auf 80,- DM und für die weiteren Kinder auf je 150,- DM monatlich (vgl. Art. 2 des Steueränderungsgesetzes 1977 - StÄndG 1977 - vom 16. August 1977, BGBl I 1586). Unverändert geblieben ist jedoch weiterhin § 8 Abs. 1 Nr. 1 BKGG, währenddessen § 7 weggefallen ist (vgl. Art. 2 Nr. 6 EStRG), nachdem die dort aufgeführten Leistungen weitgehend nicht mehr gewährt werden und die Ausschlußtatbestände nunmehr in § 8 BKGG zusammengefaßt sind.

Der Kinderzuschuß aus der gesetzlichen RV (jährlich ein Zehntel der allgemeinen Bemessungsgrundlage, § 1262 Abs. 4 RVO, § 39 Abs. 4 AVG) hat sich von 1957 bis heute von 35,70 DM auf 152,90 DM erhöht und wird nach wie vor unabhängig von der individuellen Rentenhöhe und den früher entrichteten Versicherungsbeiträgen gezahlt. Dies hat auch das BVerfG in drei im wesentlichen gleichgelagerten Fällen betont (vgl. Beschlüsse vom 9. August 1977 - 1 BvR 452/74; 1 BvR 220/75 und 1 BvR 274/75 -). Die Annahme der Revision, es handele sich bei den Kinderzuschüssen um eine vertragsgemäße "Gegenleistung" für die Entrichtung der Beiträge, trifft sonach nicht zu. Die Kinderzulage aus der gesetzlichen UV für Schwerverletzte beträgt 10 v.H. der Verletztenrente, wobei gewisse Mindestbeträge (§ 583 Abs. 1 und 2 RVO) gelten. Ab 1. Januar 1975 darf sie das auf das Kind entfallende Kindergeld, das ohne den Anspruch auf die Kinderzulage zu zahlen wäre (§ 12 Abs. 4 BKGG), nicht unterschreiten (§ 583 Abs. 2 Satz 1 RVO i.d.F. des Art. 28 Nr. 3 Buchst. a des Einführungsgesetzes zum EStRG vom 21. Dezember 1974, BGBl I 3656, 3668). Gerade diese Angleichung zwischen Kindergeld und Kinderzulagen hinsichtlich ihrer Höhe ist ein weiterer Hinweis für den Willen des Gesetzgebers, die Kinderzulagen aus der gesetzlichen UV - und entsprechend die Kinderzuschüsse aus der gesetzlichen RV - vorrangig vor dem Kindergeld zu gewähren und die Empfänger bzw. Anspruchsberechtigten von Kinderzuschüssen und Kinderzulagen von dem Bezug von Kindergeld auszuschließen (so bereits zum früheren Recht: Urteil BSG vom 3. Juni 1965, SozR KGKG § 35 Nr. 1). Auf den gleichen Erwägungen beruht auch die Regelung des § 8 Abs. 2 BKGG, wonach in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und 2 das Kindergeld zur Hälfte gewährt werden kann, wenn die andere Leistung 75 v.H. des Kindergeldes nicht erreicht. Im Hinblick auf die bereits erwähnten Entscheidungen des BVerfG und des BSG hat der Gesetzgeber offenbar keinen Anlaß gesehen, die Ausschluß- und Anrechnungstatbestände grundlegend zu ändern oder entfallen zu lassen.

Der Senat verkennt dabei nicht, daß die Neuregelung des Familienlastenausgleichs durch das EStRG Rentnerfamilien mit Kindern, die deshalb steuerpflichtig sind, weil sie neben der Rente sonstige steuerpflichtige Einkünfte, sei es durch den Rentner, sei es - wie hier - durch dessen Ehegatten haben, gegenüber dem bis zum 31. Dezember 1974 bestehenden Rechtszustand insoweit schlechter stellt, als ihnen kein steuerlicher Kinderfreibetrag (vgl. § 32 EStG i.d.F. vor dem EStRG) mehr eingeräumt wird, sie aber weiterhin vom Kindergeldbezug ausgeschlossen bleiben. Rentnerfamilien ohne steuerpflichtiges Einkommen erfahren dagegen keine Verschlechterung und bei Familien, in denen keiner der Ehegatten Rentner ist, erfolgt je nach der Höhe des Einkommens ein gewisser Ausgleich, z.B. durch die Verbesserung der Kindergeldleistungen. Dadurch werden die Betroffenen jedoch nicht, wie das BVerfG in den genannten Beschlüssen ausgeführt hat, in ihren durch die Verfassung gewährleisteten Rechten beeinträchtigt; denn niemand hat einen verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf Fortbestand einer steuerlichen Regelung. Das in Art. 6 Abs. 1 GG enthaltene Gebot, die Familie durch geeignete Maßnahmen zu fördern, geht nicht so weit, daß der Staat gehalten wäre, jegliche die Familie treffende Belastung auszugleichen oder jeden Unterhaltspflichtigen zu entlasten (vgl. BVerfGE 23, 258, 264; 28, 104, 113; 40, 121, 132; 43, 108, 121). Die steuerliche Entlastung oder das Kindergeld sind nicht die einzigen Leistungen, die der Staat für Kinder erbringt und durch die er die Eltern wirtschaftlich entlastet. So trägt er z.B. das Schul-, Bildungs- und Ausbildungssystem zum ganz überwiegenden Teil aus Haushaltsmitteln, das den Eltern von in der Schul- oder Berufsausbildung stehenden Kindern zugute kommt. Dazu kommen die Leistungen des Staates nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG - (vgl. BVerfGE 43, 108, 121).

Das BVerfG hat es deshalb grundsätzlich mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 GG für vereinbar gehalten, daß im Rahmen der Neuregelung des Familienlastenausgleichs die Kinderfreibeträge des früheren § 32 EStG a.F. fortgefallen sind. Der Gesetzgeber könne nämlich im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit bestimmen, auf welche Weise er den ihm aufgetragenen besonderen Schutz von Ehe und Familie verwirklichen wolle. Ob und ggf. in welchem Umfang die Förderung gerade mit steuerlichen Mitteln erfolgen solle, sei weitgehend seiner Entscheidung anheimgestellt (vgl. BVerfG aaO). Im übrigen hat das BVerfG in den genannten Beschlüssen einerseits darauf abgehoben, daß gleichzeitig mit dem Wegfall des steuerlichen Kinderfreibetrages die Leistungen nach dem Bundeskindergeldgesetz verbessert worden sind. Andererseits hat es für Rentnerfamilien aufgezeigt, in welch erheblichem Umfang die Kinderzuschüsse zur gesetzlichen RV seit 1957 erhöht worden sind, nämlich von 35,70 DM auf 152,90 DM. Überdies sieht § 32 EStG i.d.F. des EStRG vor, daß einem Steuerpflichtigen unter gewissen Voraussetzungen ein Haushaltsfreibetrag von 3.000,- DM jährlich gewährt wird, wenn der Steuerpflichtige "mindestens ein Kind hat". Ferner hat der Gesetzgeber eine Reihe von weiteren steuerlichen und staatlichen Entlastungen für Kinder vorgesehen, auf die das BVerfG in seiner Entscheidung vom 23. November 1976 (BVerfGE 43, 108, 122) hingewiesen hat. Hat aber nach der Rechtsprechung des BVerfG niemand einen verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf Fortbestehen einer steuerlichen Regelung und muß jeder Bürger Verminderungen seines Nettoeinkommens durch ungünstigere steuerliche Regelungen hinnehmen, ohne daß ihm auf andere Weise dafür ein Ausgleich gewährt wird, dann kann nicht festgestellt werden, daß die familienfördernden Maßnahmen bei Rentnerfamilien mit Kindern völlig unzureichend sind und der Gesetzgeber deshalb gegen das Gebot des Art. 6 oder des Art. 20 Abs. 1 GG verstoßen hätte (so auch BVerfGE 43, 108, 122).

Aus den gleichen Erwägungen hat das BVerfG in den oben genannten drei Fällen (Beschlüsse vom 9. August 1977 aaO) die Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg haben (vgl. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG i.V.m. §§ 13 Nr. 8a, 90 ff, 93a Abs. 3 des Gesetzes über das BVerfG). Der Steuergesetzgeber habe die etwaige soziale Schutzbedürftigkeit der Rentnerfamilien mit Kindern gebührend berücksichtigt; es begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn er die Kumulierung von Kindergeld und Kinderzuschuß aus der gesetzlichen RV ausschließe, weil der Kinderzuschuß nicht zu den beitragsbezogenen Versicherungsleistungen gehöre, sondern fürsorgerischen Charakter trage (vgl. BVerfGE 17, 1, 9). Er bringe das allgemeine sozialpolitische Anliegen des Familienlastenausgleichs im abgegrenzten Bereich der RV zum Ausdruck. Das BVerfG hat im übrigen darauf hingewiesen, daß auch die besitzstandswahrende Regelung im Beamtenbesoldungsrecht keine andere Beurteilung erlaube, weil die dadurch begünstigte Personengruppe nicht nur den Steuervorteil verloren habe, sondern auch die sie bis dahin begünstigende Regelung über den Kinderzuschlag im öffentlichen Dienst geändert worden sei. Den Rentnern sei hingegen der Anspruch auf Kinderzuschuß in der für sie gegenüber dem Kindergeld günstigeren Höhe erhalten geblieben.

Die von der Klägerin aufgeworfenen unterhaltsrechtlichen Fragen führen gleichfalls zu keiner anderen verfassungsrechtlichen Beurteilung (vgl. insbesondere BVerfGE 30, 355, 365 = SozR GG Art. 3 Nr. 89). Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin gem. § 48 des Sozialgesetzbuches - Allgemeiner Teil - (SGB-AT) die Auszahlung des (vollen) Kinderzuschusses an sich selbst verlangen könnte; denn jedenfalls ergäbe sich eine etwaige Minderung des Unterhaltsanspruchs für die Tochter Christa aus dem oben erörterten und als verfassungskonform angesehenen Kumulierungsverbot von Sozialleistungen. Diese Minderung würde in gleicher Weise eintreten, wenn die Ehe der Klägerin nicht geschieden wäre oder wenn die Klägerin selbst Rentnerin mit einem Anspruch auf einen Kinderzuschuß wäre und deshalb kein Kindergeld erhalten könnte.

Die Vorinstanzen haben somit die Klage zu Recht abgewiesen; die Revision der Klägerin ist zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG); einer Anrufung des BVerfG bedarf es nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1654323

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