Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Ersatzkasse. Beitrag. Arbeitgeberanteil. Verfassungsmäßigkeit des § 520 RVO

 

Orientierungssatz

1. Der Arbeitgeber hat für Versicherte bei Ersatzkassen gemäß § 520 RVO die Hälfte des Beitrages zu zahlen, den er zu zahlen hätte, wenn der Arbeitnehmer nicht bei der Ersatzkasse pflichtversichert wäre. Eine vom Gesetzeswortlaut abweichende Auslegung ist aufgrund der geschichtlichen Entwicklung und der verschiedenen sich bietenden Gestaltungsmöglichkeiten abzulehnen (vgl BSG vom 17.3.1981 12 RK 27/80 = SozR 2200 § 520 Nr 2).

2. Ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG ist nicht erkennbar, da alle Arbeitgeber grundsätzlich gleich belastet werden. Unterschiede in der Belastung ergeben sich nur durch unterschiedliche Beitragssätze der Pflichtkassen. Wie der erkennende Senat bereits entschieden hat, bestehen dagegen jedoch keine Bedenken (vgl BSG vom 22.5.1985 12 RK 15/83 = BSGE 58, 134).

3. Ein nach Art 14 GG unzulässiger Eingriff in Eigentumsrechte, insbesondere in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, ist aus der Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung des halben Pflichtkassenbeitrags nicht abzuleiten. Wie der erkennende Senat bereits im Anschluß an das BVerfG entschieden hat, kommt ein Verstoß gegen Art 14 GG nur in Betracht, wenn die Belastung so erheblich ist, daß sie "Erdrosselungswirkung" hat (vgl BSG vom 1.3.1978 12 RK 14/77 = SozR 4100 § 186b Nr 1 S 3 mwN). Auch die in Art 12 GG geschützte Berufsfreiheit wird durch eine Belastung mit Zwangsbeiträgen nicht berührt (vgl BSG vom 17.12.1985 12 RK 38/83 = SozR 2200 § 1385 Nr 16 S 31 mwN).

 

Normenkette

RVO § 520 Abs 1 Fassung: 1923-09-27; GG Art 3 Abs 1 Fassung: 1949-05-23; GG Art 14 Abs 1 Fassung: 1949-05-23; GG Art 12 Abs 1 Fassung: 1968-06-24

 

Verfahrensgang

SG Hildesheim (Entscheidung vom 11.06.1986; Aktenzeichen S 2 Kr 19/86)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Beitragsanteils, den die Beklagte als Arbeitgeberin gemäß § 520 der Reichsversicherungsordnung (RVO) zur Krankenversicherung des bei ihr beschäftigten Klägers zu zahlen hat.

Der Kläger ist Mitglied einer Ersatzkasse und nach § 517 RVO von der Mitgliedschaft bei der Pflichtkrankenkasse befreit. Streitig ist der Beitrag für Januar 1986. Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte des Beitrages gezahlt, den er an seine Ersatzkasse zu entrichten hat. Der Kläger ist demgegenüber der Auffassung, daß die Beklagte ihm als Arbeitgeberanteil die Hälfte des Beitrages schulde, den sie zahlen müßte, wenn er bei der zuständigen Pflichtkrankenkasse versichert wäre. Die Differenz errechnet er mit 47,05 DM.

Seine Klage hatte Erfolg (Urteil des Sozialgerichts Hildesheim -SG- vom 11. Juni 1986). Das SG hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 47,05 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 22. April 1986 (Eingang der Klage beim SG) zu zahlen.

Mit der zugelassenen Sprungrevision macht die Beklagte geltend, daß die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17. März 1981 (SozR 2200 § 520 Nr 2) in mehreren Punkten einer Überprüfung bedürfe. Sie bezieht sich vor allem auf ein Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen vom 18. Dezember 1985 - L 4 Kr 31/84 - (KVRS A-5330/4), das ihre Auffassung teile. Im einzelnen trägt die Beklagte vor: Dem Kläger fehle bereits die Klagebefugnis, wie der Wortlaut des § 520 RVO zeige. Die darin enthaltene Verweisung auf § 393 Abs 3 RVO, der ebenfalls nur das Verhältnis Einzugsstelle/Arbeitgeber betreffe, bestätige dies. Unzutreffend sei, daß der Arbeitgeberverpflichtung zur Auszahlung des Beitragsanteils an den Versicherten ein entsprechender Anspruch des Versicherten gegenüberstehen müsse. Die alleinige Gläubigerschaft der Ersatzkasse ergebe sich aus dem Gesetz und habe auch einen Sinn. Hierdurch werde diese in die Lage versetzt, entweder ihren satzungsmäßigen Beitrag dem der Pflichtkasse anzupassen oder einen niedrigeren Beitrag zu erheben; in letzterem Fall verzichte sie gleichzeitig auf den die Hälfte dieses Beitrags übersteigenden Arbeitgeberanteil. Nur so werde das die Sozialversicherung prägende Hälftelungsprinzip gesichert. Ausnahmen könnten allenfalls aus sozialen Gründen hingenommen werden, nicht aber für eine ganze Personengruppe. Dies zeige auch die Regelung des § 405 RVO. Die Ähnlichkeit privater Versicherungsverhältnisse und der Versicherung bei einer Ersatzkasse schließe eine unterschiedliche Behandlung aus. Dies gelte um so mehr, als der Gesetzgeber in § 405 RVO freiwillige Versicherungen in der gesetzlichen Krankenversicherung und private Krankenversicherungsverhältnisse gleichgestellt habe. § 520 RVO bezwecke, Arbeitgeber vor Überforderungen zu schützen, wenn der Beitrag der Ersatzkasse höher sei als der der Pflichtkasse. Der Arbeitgeber solle nie mehr zahlen müssen, als den halben Pflichtkassenbeitrag. Sei der halbe Ersatzkassenbeitrag jedoch niedriger als der halbe Pflichtkassenbeitrag, so stehe der Ersatzkasse als Arbeitgeberanteil nach dem Hälftelungsprinzip nur ihr halber Beitrag zu; auch verlangen. Schließlich spreche gegen die Auffassung des BSG die dadurch herbeigeführte Wettbewerbsverzerrung. Letztlich werde die Ersatzkasse durch höhere Leistungen des Arbeitgebers subventioniert und erhalte damit einen Wettbewerbs- und Werbevorteil. Dies führe zur Auszehrung der Pflichtkassen, die ohnehin die schlechteren Risiken zu tragen hätten. Deren vom Gesetzgeber hervorgehobene privilegierte Rolle dürfe nicht über § 520 RVO gefährdet werden.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des SG abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Er beruft sich im wesentlichen auf die Rechtsprechung des BSG.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die gegen die bisherige Rechtsprechung des erkennenden Senats vorgetragenen Argumente überzeugen nicht, auch wenn die bestehende Rechtslage sozialpolitisch nicht ganz unbedenklich erscheinen und ein Bedürfnis erkennbar sein mag, vor allem zur Sicherung der Leistungsfähigkeit der Ortskrankenkassen die geltende Regelung zu ändern. Eine solche Änderung überschreitet jedoch die Möglichkeiten der Rechtsprechung. Die gegenwärtige Gesetzeslage erlaubt jedenfalls nicht die von der Beklagten gezogenen Schlußfolgerungen.

Ein Anspruch des Ersatzkassenversicherten gegen den Arbeitgeber auf Zahlung des Arbeitgeberanteils und - daraus folgend - auch seine Klagebefugnis sind bereits mit Urteil des BSG vom 18. Dezember 1959 - 3 RK 22/56 - (BSGE 11, 218, 221) anerkannt worden. Andernfalls würde, wie dort ausgeführt ist, der Versicherte eines eigenen Rechtsschutzes entbehren, was besonders unbefriedigend wäre, wenn er bereits seinen vollen Mitgliedsbeitrag an die Ersatzkasse geleistet hätte und nunmehr auf die Hilfe der Ersatzkasse beim Vorgehen gegen den säumigen Arbeitgeber angewiesen wäre. Dem tritt der erkennende Senat bei. Insoweit ist auch auf die Rechtsprechung des Senats zu verweisen, daß überall dort, wo sich die Beitragszahlung des Arbeitgebers zugunsten des Versicherten auswirkt, der Versicherte einen eigenen Beitragsabführungsanspruch gegen seinen Arbeitgeber hat (SozR 1500 § 75 Nr 41, dort für die Abführung von Beiträgen an die Einzugsstelle entschieden). Das ist auch bei dem nach § 520 RVO zu zahlenden Arbeitgeberanteil der Fall, wenn und soweit der Arbeitgeberanteil die Hälfte des Ersatzkassenbeitrags übersteigt, weil die Zahlung dieses Anteils den Versicherten faktisch von eigenen Beitragspflichten entlastet.

In der Sache selbst vermag die Argumentation der Beklagten ebenfalls nicht zu überzeugen. Die meisten ihrer Argumente sind bereits in dem Urteil des erkennenden Senats vom 17. März 1981 (aa0) gewürdigt worden. § 520 RVO schreibt eindeutig vor, daß der Arbeitgeber bei Ersatzkassenversicherten einen Beitragsanteil leisten muß, der dem halben Beitrag der an sich zuständigen Pflichtkasse entspricht. Es ist nirgends ersichtlich, daß diese Bestimmung lediglich den Schutz der Arbeitgeber vor einer Belastung durch hohe Ersatzkassenbeiträge bezweckt. Sie ist vielmehr stets dahin verstanden worden, daß dem Arbeitgeber ein Beitritt des Arbeitnehmers zu einer Ersatzkasse weder zum Vorteil noch zum Nachteil gereichen, der Beitritt also für ihn kostenneutral sein soll (vgl Hoffmann/Kreil, RVO, Krankenversicherung, 9. Aufl, 1939, § 520 Erl. zu Abs 1).

Dies entspricht auch der Rechtsentwicklung. Vor dem Inkrafttreten der Verordnung vom 27. September 1923 (RGBl I 908), durch die § 520 RVO im wesentlichen seine heutige Gestalt erhielt, hatten die Arbeitgeber gemäß § 517 Abs 2 RVO idF vom 19. Juli 1911 (aF) für die bei Ersatzkassen Versicherten den Arbeitgeberanteil - damals gemäß § 381 RVO aF ein Drittel - nach den für die Pflichtkassen geltenden Beitragssätzen an diese abzuführen. Die Pflichtkassen konnten bei bestimmten Gruppen von Versicherten (Personen in Berufen mit häufigem Ortswechsel, Handlungslehrlingen, Handlungsgehilfen, Musikern, Büroangestellten ua) verpflichtet werden, vier Fünftel des Arbeitgeberanteils an die zuständige Ersatzkasse weiterzuleiten (§ 518 Abs 1 RVO aF). Die Gründe für diese Regelung wurden bei der Beratung der RVO nur teilweise genannt. Offenbar bezweckte die Abführung des Arbeitgeberanteils an die Pflichtkasse vor allem eine Zurückdrängung der Ersatzkassen; lediglich "Hilfskassen", für die ein besonderes Bedürfnis bestand (wie für Berufe mit häufigem Ortswechsel), und solche, die man aus besonderen Gründen fördern wollte (Kassen für Handlungsgehilfen), sollten einen Anspruch auf vier Fünftel des Arbeitgeberanteils erhalten können (vgl dazu Verhandlungen des Reichstags, 176. Sitzung vom 16. Mai 1911, S 6786 rechte Spalte unten bis S 6790; 186. Sitzung vom 29. Mai 1911, S 7266 rechte Spalte bis S 7267). Zugleich spielte aber bei der Verpflichtung der Arbeitgeber zur Abführung ihres Beitragsanteils an die Pflichtkasse auch der Gedanke eine Rolle, daß die Arbeitgeber nicht veranlaßt werden sollten, ihre Arbeitnehmer zum Überwechseln in eine Ersatzkasse zu drängen, weil deren Mitglieder damals die Beiträge allein zu tragen hatten.

Die Gründe für die Neuregelung des Beitragsrechts der Ersatzkassen durch die Verordnung vom 27. September 1923 ergeben sich aus einer vorausgegangenen Gesetzesvorlage (Reichstagsdrucksache 1. Wahlperiode 1920/23 Nr 5689, S 11, § 523d des Entwurfs eines Gesetzes zur Erhaltung leistungsfähiger Krankenkassen idF der Beschlüsse des zuständigen Reichstagsausschusses und dazu die Begründung in den Verhandlungen des Reichstags, 325. Sitzung vom 23. März 1923, S 10334 rechte Spalte und 10340 rechte Spalte). Danach war es damals das Ziel, die Beitragsabführung zu vereinfachen; der Umweg über die Pflichtkassen, auf dem bisher Ersatzkassen Beitragsanteile der Arbeitgeber erhalten hatten - auf die Kompliziertheit dieses Verfahrens war schon in der Reichstagsdebatte über die Schaffung des § 518 RVO aF hingewiesen worden -, sollte beseitigt werden. Als einfachste Lösung erschien die Auszahlung des Arbeitgeberanteils an den Arbeitnehmer zur Weiterleitung an die Ersatzkasse. Zugleich wurde stillschweigend die Privilegierung bestimmter Berufsgruppen und damit bestimmter Ersatzkassen aufgehoben. Die Frage, wem die Differenz zugute kommen sollte, wenn der Beitrag der Ersatzkasse niedriger war als der der Pflichtkasse, wurde, soweit ersichtlich, nicht erörtert. Aus der Rechtsentwicklung sind mithin keine Anhaltspunkte für die von der Beklagten vertretene Auslegung des § 520 RVO zu gewinnen.

Auch die von ihr angeführten systematischen Gründe stützen ihre Auffassung nicht. Ein angeblich für die Sozialversicherung durchgängig geltendes Hälftelungsprinzip (Beschränkung des Arbeitgeberanteils auf die Hälfte des zu zahlenden Beitrags) läßt sich angesichts des klaren Wortlauts des § 520 RVO nicht begründen. Daran ändert auch die Regelung in § 405 RVO und die vom Kläger behauptete Nähe der Ersatzkassen zu den privaten Versicherungsunternehmen nichts. Wenn der Gesetzgeber im Bereich der Pflichtversicherung die Arbeitgeber einheitlich mit Beiträgen belastet hat, dh ohne Rücksicht darauf, ob die Arbeitnehmer bei einer gesetzlichen Krankenkasse oder einer Ersatzkasse versichert sind, dies aber im Bereich der Nichtversicherungspflichtigen (§ 405 RVO) nicht für erforderlich hielt, so kann diese Entscheidung nur der Gesetzgeber selbst, nicht aber ein Gericht korrigieren, zumal es sich sachlich rechtfertigen läßt, im Bereich der Pflichtversicherung stärker zu generalisieren als im Bereich der freiwilligen Versicherung. So besteht zB nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats im Bereich der freiwilligen Versicherung ein weiterer Spielraum für Satzungsbestimmungen als in der Pflichtversicherung (Urteile vom 19. Juni 1986 - 12 RK 7/85 und 12 RK 28/85 - zur freiwilligen Versicherung von Rentnern bei Ersatzkassen). Im übrigen zeigt gerade die Regelung des § 405 RVO (und auch die des § 1304e Abs 2 Satz 2 RVO = § 83e Abs 2 Satz 2 AVG), daß dem Gesetzgeber die Begrenzung des Arbeitgeberbeitragsanteils auf den halben vom Versicherten zu tragenden Beitrag durchaus als Regelungsmöglichkeit geläufig ist. Wenn er dennoch an der bisherigen Fassung des § 520 RVO festgehalten und an ihr in den mehr als sechs Jahren seit der klarstellenden, in der Öffentlichkeit lebhaft und kontrovers diskutierten Entscheidung des erkennenden Senats vom 17. März 1981 (aa0) nichts geändert hat, so läßt das nur den Schluß zu, daß diese Fassung bewußt aufrechterhalten wurde, und zwar in Kenntnis der damit für die Ersatzkassen verbundenen erheblichen Wettbewerbsvorteile.

Nicht eingegangen zu werden braucht in diesem Zusammenhang auf das von der Beklagten angeführte Urteil des LSG Niedersachsen vom 18. Dezember 1985 (L 4 Kr 31/84 - KVRS A-5330/4). Danach soll, wenn und soweit die Ersatzkasse selbst keinen Anspruch gegen den Arbeitgeber geltend machen könnte (zB wegen Verjährung), auch der Versicherte gegen ihn keinen Anspruch haben. Ein solcher Fall liegt hier indes nicht vor. Es sind keine Gründe erkennbar, die hier die Ersatzkasse gehindert haben könnten, von der Beklagten die Auszahlung des streitigen Beitragsanteils an den Kläger und vom Kläger die Entrichtung des Gesamtbeitrags zu fordern.

Unerheblich für die Entscheidung dieses Verfahrens ist auch, ob mit § 520 RVO ursprünglich die Vorstellung verbunden war, daß der Arbeitnehmer den Arbeitgeberanteil nur als "Bote" empfangen und neben seinem eigenen Beitragsanteil an die Ersatzkasse weiterzuleiten hatte; denn auch bei dieser Auslegung wäre die Beklagte verpflichtet, den halben Pflichtkassenanteil an den Kläger zu zahlen.

Der Beklagten ist allerdings einzuräumen, daß sich die tatsächlichen Verhältnisse seit der Schaffung des geltenden § 520 RVO im Jahre 1923 wesentlich geändert haben, insbesondere was die Entwicklung der Beitragssätze bei den Ersatzkassen einerseits und den Pflichtkassen andererseits betrifft. Sie hat dazu geführt, daß zwischen den Beitragssätzen der Ersatzkassen und denen der Pflichtkassen, vor allem denen der Allgemeinen Ortskrankenkassen, teilweise erhebliche Unterschiede bestehen. Sind die Beiträge der Ersatzkassen wesentlich niedriger, so hat der dort Versicherte nicht nur den Vorzug, geringere Beiträge zahlen zu müssen als sein bei der Pflichtkasse versicherter Arbeitskollege; sein eigener Arbeitnehmeranteil wird auch noch durch den höheren Arbeitgeberanteil teilweise mitfinanziert.

Die seit 1923 eingetretenen Veränderungen des Beitragsgefüges berechtigen das Gericht indessen nicht, die eindeutige Entscheidung des Gesetzgebers, daß der Arbeitgeber dem bei einer Ersatzkasse versicherten Arbeitnehmer den halben Beitrag der Pflichtkasse zu zahlen hat, unbeachtet zu lassen, zumal es verschiedene Möglichkeiten gibt, den genannten Veränderungen Rechnung zu tragen, wobei die von der Beklagten erstrebte Lösung keineswegs als die sachgerechteste erscheint. Ihre Auslegung des § 520 RVO würde zwar für Arbeitnehmer den Anreiz mindern, einer Ersatzkasse beizutreten. Andererseits könnte es dann aber im Interesse der Arbeitgeber liegen, ihre Arbeitnehmer zum Beitritt zu einer Ersatzkasse zu veranlassen, wenn dies für sie - wie bei niedrigeren Ersatzkassenbeiträgen - mit einer Beitragsersparnis verbunden wäre. Es käme also nur zu einer Verschiebung der Vorteile von den Arbeitnehmern auf die Arbeitgeber; dabei wäre zwar der "Wettbewerbsgewinn" für die Ersatzkassen wahrscheinlich geringer, würde aber keineswegs beseitigt. Ob eine solche Lösung zweckmäßig wäre und ob überhaupt eine Verschiebung von Rechtsvorteilen vorgenommen werden sollte, ist eine sozialpolitische Entscheidung, die die Gerichte nicht treffen können. Die von der Beklagten angestrebte Eindämmung der Wettbewerbsvorteile von Ersatzkassen wäre im übrigen nicht nur auf dem von ihr befürworteten Wege möglich. Es wäre auch denkbar, sich an der früheren Regelung zu orientieren und etwa vorzusehen, daß die Pflichtkasse die Differenz zwischen dem (niedrigeren) Ersatzkassenbeitrag und dem (höheren) Beitrag der Pflichtkasse erhält. Dadurch würden sowohl die Wettbewerbsvorteile der Ersatzkassen beseitigt als auch ein Ausgleich dafür geschaffen, daß die Pflichtkassen vielfach mit schlechten Risiken belastet sind.

Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nach Art 100 Abs 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG), die die Beklagte hilfsweise erstrebt, kommt ebenfalls nicht in Betracht. Für eine verfassungsrechtlich bedenkliche Benachteiligung der Beklagten gibt es keinen Anhalt. Ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG ist nicht erkennbar, da alle Arbeitgeber grundsätzlich gleich belastet werden. Unterschiede in der Belastung ergeben sich nur durch unterschiedliche Beitragssätze der Pflichtkassen. Wie der erkennende Senat bereits entschieden hat, bestehen dagegen jedoch keine Bedenken (BSGE 58, 134).

Ein nach Art 14 GG unzulässiger Eingriff in Eigentumsrechte, insbesondere in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, ist aus der Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung des halben Pflichtkassenbeitrags nicht abzuleiten. Wie der erkennende Senat bereits im Anschluß an das BVerfG entschieden hat, kommt ein Verstoß gegen Art 14 GG nur in Betracht, wenn die Belastung so erheblich ist, daß sie "Erdrosselungswirkung" hat (vgl SozR 4100 § 186b Nr 1 S 3 mwN). Auch die in Art 12 GG geschützte Berufsfreiheit wird durch eine Belastung mit Zwangsbeiträgen nicht berührt (vgl BSG SozR 2200 § 1385 Nr 16 S 31 mwN).

Die Revision konnte deshalb keinen Erfolg haben und war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1663049

BB 1987, 2097

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