Leitsatz (amtlich)

1. ÄndG 1. NOG KOV Art 4 § 1 Abs 2 S 3 vom 1961-04-20 betrifft die Rückwirkung des binnen 6 Monaten nach Verkündung der Rechtsverordnung gestellten Antrages, hat aber keine Bedeutung für den sachlich-rechtlichen Inhalt der Rechtsverordnung und den Beginn der durch die Verordnung gewährten Ansprüche.

2. Der Verordnungsgeber der DV 1961 zu § 13 BVG war nicht verpflichtet, die in den §§ 2 Nr 1, 5 Abs 1 und 2 als Kannleistung vorgesehene Erhöhung des Zuschusses zur Beschaffung eines Motorfahrzeuges auf 2000 DM rückwirkend ab 1960-06-01 in Kraft treten zu lassen.

3. Wurde unter dem zeitlichen Geltungsbereich der 2. ÄndV DV § 13 BVG ein Zuschuß zur Beschaffung eines Motorfahrzeuges bewilligt, so ist die Versagung der Erhöhung dieses Zuschusses gemäß der seit 1961-06-11 geltenden DV zu § 13 BVG nicht rechtswidrig.

 

Normenkette

BVG § 13 Abs. 5 Fassung: 1960-06-27, § 13 DV § 17 Fassung: 1961-06-06, § 13 DV § 5 Abs. 1 Fassung: 1961-06-06, § 13 DV § 5 Abs. 2 Fassung: 1961-06-06, § 13 DV § 5 Abs. 2 Fassung: 1956-08-18, § 13 DV § 2 Nr. 1 Fassung: 1961-06-06; KOVNOG1ÄndG Art. 4 § 1 Abs. 2 S. 3 Fassung: 1961-04-20

 

Tenor

Auf die Sprungrevision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28. Oktober 1963 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Bei dem Kläger ist als Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) der Verlust beider Beine als Folge einer Schlagadererkrankung mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 vom Hundert (v. H.) anerkannt. Am 29./30. Juni 1960 beantragte der Kläger an Stelle eines handbetriebenen Krankenfahrzeuges einen Zuschuß zur Beschaffung eines Motorfahrzeuges. Das Landesversorgungsamt (LVersorgA) bewilligte mit Bescheid vom 3. September 1960 nach § 5 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung des § 13 BVG vom 18. August 1956 (DVO 1956) einen Zuschuß von 900,- DM, der am 15. September 1960 zur Zahlung angewiesen wurde. Der Kläger hat das Fahrzeug am 23. August 1960 erworben; es wurde auf seinen Namen zugelassen.

Im Juni 1961 beantragte er unter Bezugnahme auf die Verordnung zur Durchführung des § 13 des Bundesversorgungsgesetzes vom 6. Juni 1961 (DVO 1961) den Zuschuß auf 2.000,- DM zu erhöhen. Das LVersorgA lehnte den Antrag mit Bescheid vom 4. Juli 1961 ab; der Widerspruch war erfolglos. Das Sozialgericht (SG) hob mit Urteil vom 28. Oktober 1963 die Bescheide auf und verpflichtete den Beklagten, über den Antrag vom 29. Juni 1961 einen neuen Bescheid zu erteilen. Die Berufung wurde zugelassen. Nach Art. IV § 1 Abs. 2 Satz 1 und 2 des Ersten Neuordnungsgesetzes vom 27. Juni 1960 (1. NOG) idF des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des 1. NOG vom 20. April 1961 (ÄndG) seien die Anträge des Klägers von Juni 1960 und Juni 1961 mit Wirkung ab 1. Juni 1960 nach der DVO 1961 zu beurteilen. Art. I Nr. 2 des vor Erlaß der DVO 1961 ergangenen ÄndG bestimme, daß neue Ansprüche, die sich aus dem 1. NOG ergeben oder erst auf Grund einer nach dem 1. NOG zu erlassenden Rechtsverordnung festgestellt werden können, ab 1. Juni 1960 wirksam zu machen seien, falls der Antrag binnen sechs Monaten nach Verkündung des 1. NOG bzw. der entsprechenden Rechtsverordnung gestellt werde. Da dies geschehen sei und als neue Ansprüche entsprechend dem Geist und dem Gesamtinhalt des 1. NOG nicht nur ihrer Art nach neu eingeführte Leistungen, sondern auch Leistungsverbesserungen anzusehen seien, habe der Zuschuß nach § 2 Ziff. 1 DVO 1961 bis zur Höhe von 2.000,- DM gewährt werden können. Die angefochtenen Bescheide hätten aufgehoben werden müssen, weil der Beklagte die erforderliche Ermessensprüfung nicht vorgenommen habe.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte unter Vorlage einer schriftlichen Einwilligungserklärung des Klägers Sprungrevision eingelegt. Er rügt Verletzung des Art. IV § 1 Abs. 2 des 1. NOG idF des Art. I Nr. 2 des ÄndG. Als Sondervorschrift zu den §§ 60, 61 BVG habe diese Bestimmung im wesentlichen verfahrensrechtlichen Charakter für die Übergangszeit gehabt und nur sicherstellen sollen, daß die Berechtigten die Leistungsverbesserungen des 1. NOG ab 1. Juni 1960 voll ausschöpfen konnten. Sie setze voraus, daß es sich bei dem neuen Anspruch um eine wiederkehrende Versorgungsleistung handele. Der Zuschuß zur Beschaffung eines Motorfahrzeuges sei eine einmalige Leistung. Für die Beurteilung ihrer Ablehnung sei das im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung geltende Recht, hier § 5 Abs. 2 DVO 1956, maßgebend. Nachdem auf Grund dieser Vorschrift der Zuschuß gewährt worden sei, habe er erneut nur nach dem in § 5 Abs. 2 DVO 1956 bzw. § 5 Abs. 1 Ziff. 5 DVO 1961 bestimmten Zeitablauf zuerkannt werden können. Zu Unrecht habe das SG den lediglich im Leistungsumfang angehobenen Anspruch als neuen Anspruch im Sinne des Art. IV § 1 Abs. 2 DVO 1961 angesehen und einer wiederkehrenden Leistung gleichgesetzt. Der Beklagte beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Nach § 17 DVO 1961 sei die Verordnung (VO) mit Ausnahme des § 13 DVO erst am 11. Juni 1961 in Kraft getreten. Im Gegensatz hierzu hätten die Durchführungsverordnungen zu den §§ 25 - 27 c BVG vom 30. Mai 1961, zu § 30 Abs. 3 und 4 vom 30. Juli 1961, § 31 Abs. 5 vom 17. April 1961 und zu § 33 BVG ab 1. Juni 1960 Geltung erlangt. Mit Ausnahme der DVO 1961 zu § 13 sei damit der einheitliche Leistungsbeginn zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des 1. NOG sichergestellt gewesen. Art. I Nr. 2 des ÄndG vom 20. April 1961 bestimme, daß die Zahlung mit dem 1. Juni 1960 beginnt, wenn die neuen Ansprüche erst aufgrund der nach dem 1. NOG zu erlassenden Rechtsverordnungen festgestellt werden konnten und der Antrag binnen sechs Monaten nach Verkündung der jeweiligen Rechtsverordnung gestellt werde. Die Übergangsregelung nach Art. IV § 1 Abs. 2 des 1. NOG idF des Art. I Nr. 2 des ÄndG trage dem verspäteten Erlaß der Durchführungsverordnungen Rechnung und betreffe ihrem Wortlaut nach zwar nur "neue Ansprüche" und laufende Leistungen; der Verordnungsgeber sei aber nicht berechtigt gewesen, ein hiervon abweichendes Übergangsrecht für die DVO zu § 13 BVG zu schaffen. § 17 DVO 1961 gehe über den Rahmen des § 13 Abs. 5 BVG idF des 1. NOG (nF) hinaus und sei daher rechtsunwirksam, soweit bestimmt sei, daß die VO erst am Tage nach ihrer Verkündung, also am 11. Juni 1961, in Kraft trete. § 13 Abs. 5 BVG nF habe die Bundesregierung nur ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrats Vorschriften über Art und Umfang der Ausstattung mit Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln zu erlassen, nicht auch den Zeitpunkt des Inkrafttretens der DVO zu bestimmen. Es habe nur eine Belastung des Gesetzes mit technischen Einzelheiten vermieden werden sollen; damit sei der von dem Verordnungsgeber auszufüllende Rahmen eindeutig abgesteckt worden. Wäre die Auffassung der Revision richtig, würden alle Beschädigten, die den Zuschuß vor dem Inkrafttreten der DVO 1961 aus zwingenden beruflichen Gründen beantragt haben, gegenüber den Beschädigten benachteiligt sein, die ihn unter den gleichen sachlichen Voraussetzungen erst nach dem 10. Juni 1961 beantragt hätten. Der Auffassung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) im Rundschreiben vom 23. Oktober 1961 (BVBl 61, S. 158) könne jedenfalls nicht zugestimmt werden, daß die DVO 1961 zu § 13 BVG nur anwendbar sei, wenn bis zum Inkrafttreten dieser DVO über den Antrag noch nicht entschieden oder der Zuschuß bis dahin noch nicht ausgezahlt worden war. Soweit der Wortlaut von Art. IV § 1 Abs. 2 des 1. NOG idF des Art. I Nr. 2 ÄndG entgegenstehe, müsse die sich ergebende Gesetzeslücke ausgefüllt werden.

Die nach §§ 150 Nr. 1, 161 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Sprungrevision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG) und daher zulässig. Sie ist auch sachlich begründet.

Streitig ist, ob dem Kläger die im Juni 1961 beantragte Erhöhung des Zuschusses zur Beschaffung eines Motorfahrzeuges auf 2.000,- DM versagt werden durfte, weil er bereits auf den im Juni 1960 gestellten Antrag im September 1960 900,- DM erhalten hatte. Der Zuschuß von 900,- DM war nach § 5 Abs. 2 der VO zur Durchführung des § 13 BVG idF vom 18. August 1956 (BGBl I 751) - DVO 1956 - im Ermessenswege bewilligt worden. Die VO zur Durchführung des § 13 BVG vom 6. Juni 1961 (BGBl I 669) - DVO 1961 - ließ als Kannleistung einen Zuschuß bis zu 2.000,- DM zu (vgl. §§ 2 Nr. 1, 5 Abs. 1 und 2 DVO 1961). In § 17 Satz 1 DVO 1961 ist bestimmt, daß die VO mit Ausnahme des § 13, der sich auf den Ersatz von außergewöhnlichen Kosten für Kleider- und Wäscheverschleiß bezieht, am Tage nach der Verkündung in Kraft tritt. Da die DVO am 10. Juni 1961 verkündet wurde, sind die hier in Betracht kommenden Vorschriften der DVO am 11. Juni 1961 in Kraft getreten. Der Kläger ist der Auffassung, daß, wenn es sich bei dem Zuschuß nach der DVO 1961 nicht um einen neuen Anspruch im Sinne des Art. IV § 1 Abs. 2 des 1. NOG vom 27. Juni 1960 (BGBl I 453) handeln sollte, er doch jedenfalls nach Art. I Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des 1. NOG vom 20. April 1961 (ÄndG) - BGBl I 443 - mit Rückwirkung zum 1. Juni 1960 gewährt werden müßte. Durch dieses Gesetz, das mit Wirkung zum 1. Juni 1960 in Kraft getreten ist (Art. VI), ist dem Art IV § 1 Abs. 2 des 1. NOG ein dritter Satz eingefügt worden. Die beiden ersten Sätze des § 1 Abs. 2 lauten: Im übrigen werden neue Ansprüche, die sich aus diesem Gesetz ergeben, nur auf Antrag festgestellt. Wird der Antrag binnen sechs Monaten nach Verkündung dieses Gesetzes gestellt, so beginnt die Zahlung mit dem 1. Juni 1960, frühestens mit dem Monat, in dem die Voraussetzungen erfüllt sind. Der dritte Satz hat folgenden Wortlaut: Sie beginnt mit dem gleichen Zeitpunkt, wenn die neuen Ansprüche erst auf Grund einer nach diesem Gesetz zu erlassenden Rechtsverordnung festgestellt werden können und der Antrag binnen sechs Monaten nach Verkündung der Rechtsverordnung gestellt wird. Die Entscheidung hängt somit davon ab, ob die durch § 2 Nr. 1 DVO 1961 eröffnete Möglichkeit eines Zuschusses bis zu 2.000,- DM einen neuen Anspruch im Sinne des Art. IV § 1 Abs. 2 des 1. NOG darstellt und ob Bundesregierung und Bundesrat durch das ÄndG vom 20. April 1961 gehindert waren, den Beginn der Leistungen nach der DVO 1961 anders als mit Wirkung vom 1. Juni 1960 an zu bestimmen. Der Senat ist der Auffassung, daß Art. IV § 1 Abs. 2 Satz 3 des 1. NOG - jedenfalls für den vorliegenden Anspruch - eine solche Bindung nicht enthält.

Art. IV § 1 Abs. 1 des 1. NOG regelt die Neufeststellung der bisher gewährten laufenden Versorgungsbezüge. Soweit sie durch das 1. NOG eine Änderung erfahren haben, sind sie von Amts wegen neu festzustellen. Im Gegensatz hierzu bestimmt Art. IV § 1 Abs. 2 des 1. NOG, daß im übrigen neue Ansprüche, die sich aus diesem Gesetz ergeben, nur auf Antrag festgestellt werden. Diese Vorschrift bezweckte, den Berechtigten die Durchsetzung aller anderen sich aus dem 1. NOG ergebenden Ansprüche, d. h. der nicht bereits in Abs. 1 genannten Ansprüche, zu ermöglichen, sofern der Antrag fristgemäß gestellt wurde. Deshalb läßt sie eine Beschränkung auf wiederkehrende Ansprüche, die in ihrer Art nach früherem Recht nicht gewährt werden konnten (vgl. BSG 17, 109; 4, 291; 7, 187), nicht zu. Sie muß auch auf einmalige Leistungen, die nach früherem Recht schon gewährt werden konnten und die nur in ihrem Betrage nach neuem Recht erhöht wurden, angewendet werden. Denn Abs. 1 dieser Vorschrift, die die Neufeststellung von Amts wegen regelt, handelt nur von "laufenden" Versorgungsbezügen. Die durch die DVO 1961 geschaffene Möglichkeit, für ein Motorfahrzeug einen Zuschuß bis zu 2.000,- DM zu gewähren, stellt somit einen "neuen" Anspruch im Sinne des Art. IV § 1 Abs. 2 Satz 1 des I. NOG dar. Der im Juni 1961 gestellte 2. Antrag des Klägers wirkt somit gemäß Art. IV § 1 Abs. 2 Satz 3 des 1. NOG auf den 1. Juni 1960 zurück.

Damit erweist sich das Klagebegehren jedoch noch nicht als begründet. Denn Art. IV § 1 Abs. 2 des 1. NOG trifft keine Bestimmung über den sachlich-rechtlichen Umfang der Ansprüche, sondern geht davon aus, daß ihre Voraussetzungen nach den jeweils in Betracht kommenden Vorschriften erfüllt sind. Darum verweist Art. IV § 1 Abs. 2 Satz 1 und 2 des 1. NOG auf die sich aus dem 1. NOG ergebenden Ansprüche und bestimmt nur abweichend von § 60 Abs. 1 und 2 BVG nF, daß die Zahlung nicht erst mit dem Antragsmonat, sondern schon mit dem 1. Juni 1960 bzw. frühestens mit dem Monat, in dem die "Voraussetzungen erfüllt sind", beginnt. Der durch das ÄndG vom 20. April 1961 in Art. IV § 1 Abs. 2 des 1. NOG als Satz 3 eingefügte Zusatz steht sachlich im engsten Zusammenhang mit den beiden vorangehenden Sätzen; er betrifft wie diese die Rückwirkung des Antrags und stellt eine Ergänzung dieser Regelung dar. Er bezieht sich zwar nicht auf die Ansprüche nach dem 1. NOG sondern auf die aufgrund der Rechtsverordnungen festzustellenden Ansprüche, regelt aber wie Satz 1 und 2 nur die Frage der Rückbeziehung des Antrags und schreibt nicht den Inhalt und den zeitlichen Geltungsbereich der Ansprüche vor, die in den Rechtsverordnungen gewährt werden. Der Zusatz in Art. IV § 1 Abs. 2 Satz 3 des 1. NOG setzt somit voraus, daß der neue Anspruch, wie nach den beiden vorangehenden Sätzen in dem 1. NOG so hier in den in Betracht kommenden Rechtsverordnungen seine Grundlage hat und daß der Antrag auf den 1. Juni 1960 bzw. den Zeitpunkt, in dem die Voraussetzungen des Anspruchs erfüllt sind, nur in Rahmen dieser Ansprüche zurückbezogen wird. Art. IV § 1 Abs. 2 des 1. NOG tritt somit für die Zeit des Übergangs an die Stelle des § 60 Abs. 1, 2 BVG nF, schafft aber im übrigen kein Übergangsrecht für die sachlich-rechtlichen Voraussetzungen der neuen Ansprüche. Dies muß nicht nur aus dem inneren Zusammenhang des § 1 Abs. 2 Satz 1 bis 3, sondern auch daraus gefolgert werden, daß in Abs. 3 im Gegensatz zu Abs. 2 eine echte sachlich-rechtliche Übergangsregelung getroffen ist, nämlich für die Fälle, in denen bei Anwendung des 1. NOG eine Minderung oder Entziehung der bisher gewährten Bezüge gerechtfertigt wäre. Darum kann dem ÄndG vom 20. April 1961 auch nicht etwa deshalb eine weitergehende sachlich-rechtliche Bedeutung beigemessen werden, weil nach dem Wortlaut des Zusatzes die Zahlung ("sie") mit dem gleichen Zeitpunkt (1. Juni 1960) beginnt, wenn der Antrag binnen sechs Monaten nach Verkündung der Rechtsverordnung gestellt wird, denn diese Rechtsfolge tritt nicht ohne weiteres ein, sondern ist an die weitere Voraussetzung gebunden, daß die Ansprüche erst "auf Grund einer nach diesem Gesetz zu erlassenden Rechtsverordnung festgestellt werden können. Damit ist auf den sachlichen Inhalt der in Betracht kommenden Rechtsverordnung, die für den Anspruch selbst maßgebend sein soll, verwiesen, nicht nur darauf, daß sie überhaupt neue Ansprüche enthält. Deshalb kann der Vorschrift auch nicht entnommen werden, daß die vor dem Erlaß der Rechtsverordnung zwischen dem 1. Juni 1960 und dem 11. Juni 1961 gestellten Anträge schon deswegen an der sachlich-rechtlichen Rückbeziehung teilnehmen, weil der Antrag auf den 1. Juni 1960 zurückbezogen werden müßte. Denn die neben dem Antrag erforderliche Rechtsgrundlage des Anspruchs, zu der auch der Zeitpunkt gehört, von dem an die Erhöhung eintritt, ist Gegenstand des sachlichen Rechts und wird durch die lediglich die Rückwirkung des Antrags betreffende Regelung in Art. IV § 1 Abs. 2 des 1. NOG nicht berührt.

Die Richtigkeit dieser Auslegung des Art. I Nr. 2 des ÄndG vom 20. April 1961 wird auch durch die Gesetzesmaterialien bestätigt.

Der Zusatz beruht auf einem Vorschlag des Bundesrats, der wörtlich übernommen wurde und in der Stellungnahme zum Entwurf des Gesetzes enthalten ist (Deutscher BT, 3. Wahlperiode, Drucks. Nr. 2379, S. 3). In der Begründung ist hervorgehoben, daß die zu den §§ 25 bis 27 c, 31 Abs. 5, 33, 41, 47 und 51 BVG vorgesehenen Rechtsverordnungen - die DVO zu § 13 BVG ist nicht genannt - den Versorgungsberechtigten erst die Möglichkeit geben, "ihre in diesen Rechtsverordnungen näher bestimmten Ansprüche geltend zu machen". Es könne zweifelhaft sein, ob die neuen Leistungen "auch noch nach Ablauf der gesetzlichen 6-Monatsfrist beantragt werden können, wenn diese Möglichkeit in den zu erlassenden Rechtsverordnungen vorgesehen ist". Zur Klarstellung und aus Gründen der Rechtssicherheit sollte daher die Antragsfrist im Gesetz selbst verlängert werden. In der Gegenäußerung der Bundesregierung wurde diesem Änderungsvorschlag nicht zugestimmt, weil für Ansprüche, die erst im Zusammenhang mit einer der auf Grund des 1. NOG zu erlassenden Rechtsverordnungen geltend gemacht werden können, eine entsprechende Frist in diesen Verordnungen selbst vorgesehen werde (Deutscher BT aaO Seite 4). Dieser Vorschlag des Bundesrats und seine Begründung lassen keinen Zweifel darüber, daß Gegenstand der gesetzlichen Neuregelung nicht die Rückwirkung der sachlichen Ansprüche sondern die Rückbeziehung des Antrags sein sollte. Auch in dem schriftlichen Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen (22. Ausschuß) zu dem Entwurf des ÄndG zum 1. NOG vom 17. Februar 1961 (Deutscher BT, 3. Wahlperiode zu Drucks. Nr. 2484, Seiten 2-3) ist ausgeführt, daß der Ausschuß sich sehr eingehend mit der Frage befaßt habe, "ob in einer Rechtsverordnung Fristen eingesetzt werden können, die über die vom Gesetzgeber festgelegten Fristen hinausgehen, bzw. diese Fristen abändern". Um Nachteile in den Fällen zu vermeiden, in denen die Anspruchsvoraussetzungen durch eine Rechtsverordnung bestimmt werden, habe die Bundesregierung erstmalig in § 17 der VO zur Durchführung des § 33 BVG vom 11. Januar 1961 (BGBl I 19) eine über die Regelung im 1. NOG hinausgehende Erstreckung der Antragsfristen vorgesehen. Danach könnten neue Ansprüche, die sich auf Grund dieser VO ergeben, mit materieller Rückwirkung ab 1. Juni 1960 binnen sechs Monaten nach Verkündung dieser VO geltend gemacht werden.... Für die Fristenregelung sei Art. 80 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) maßgebend, wonach Inhalt, Zweck und Ausmaß der für eine Rechtsverordnung erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden müsse. Der Kriegsopferausschuß sei daher der Empfehlung des Rechtsausschusses gefolgt, aus verfassungsrechtlichen Gründen den vom Bundesrat vorgeschlagenen Satz 3 in den Art. IV § 1 Abs. 2 des 1. NOG einzufügen. Die Stellungnahme des Ausschusses ergibt somit, daß er eine Ergänzung des Art. IV § 1 Abs. 2 des 1. NOG nur deshalb für erforderlich hielt, weil der Verordnungsgeber ohne eine den Erfordernissen des Art. 80 GG entsprechende Ermächtigung nicht befugt sei, in ähnlicher Weise wie dies durch Art. IV § 1 Abs. 2 Satz 2 des 1. NOG für die Ansprüche nach dem 1. NOG bereits geschehen war, nun in der DVO selbst den nach ihrem Erlaß gestellten Anträgen Rückwirkung beizulegen. Diese Bedenken betrafen somit die Rückwirkung des Antrags, nicht das Recht des Verordnungsgebers, Umfang und Begrenzung des sachlich-rechtlichen Anspruchs im Rahmen der ihm erteilten Ermächtigung zu bestimmen. Von dem nur die Rückwirkung des Antrags regelnden Gegenstand ist daher bei der Auslegung des ÄndG vom 20. April 1961 auszugehen, auch dann, wenn ein Teil der in den Rechtsverordnungen näher bestimmten neuen Ansprüche bereits ab 1. Juni 1960 gewährt werden mußte, weil das 1. NOG sie von diesem Zeitpunkt an zuerkannt hatte. Daran würde sich auch dann nichts ändern können, wenn der Ausschuß die sachlichen Auswirkungen des ÄndG, besonders den Unterschied zwischen der Rückbeziehung des Antrags und der Rückwirkung des sachlichen Rechts nicht überblickt oder nicht hinreichend erkannt haben sollte. Die Ausfüllung einer Gesetzeslücke scheidet aus, weil sie die materielle Rückwirkung des Anspruchs, somit einen ganz anderen Gegenstand betreffen würde als der Gesetzgeber in Art. IV § 1 Abs. 2 des 1. NOG geregelt hat und weil damit dem Verordnungsgeber die ihm zustehende Gesetzesinitiative genommen würde, zu der ihm keine zeitgebundene Weisung erteilt worden war.

Eine Verpflichtung des Verordnungsgebers, den Beginn der Leistung auf den 1. Juni 1960 zurückzubeziehen, kann auch nicht, entgegen der Auffassung des Klägers, aus der in § 13 Abs. 5 BVG nF enthaltenen Ermächtigung entnommen werden. Die gleiche Ermächtigung, durch Rechtsverordnung Art und Umfang der Ausstattung mit Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln zu bestimmen, enthielt schon § 92 BVG vom Inkrafttreten des Gesetzes an. Diese Ermächtigung begründete die Befugnis der Bundesregierung zum Erlaß einer Rechtsverordnung zu § 13 BVG. Sie enthielt darüber hinaus auch den allgemeinen Auftrag, nicht nur die Rechtsverordnung zu erlassen, sondern sie auch laufend den wirtschaftlichen und technischen Erfordernissen anzupassen, jedoch ohne Bindung an den Zeitpunkt, in dem die jeweiligen Änderungen des BVG in Kraft traten. Die Bundesregierung ist diesem Auftrag nachgekommen; sie hat in der DVO zu § 13 vom 6. April 1951 (BGBl I 236) bestimmt, daß die DVO zugleich mit dem BVG am 1. Oktober 1950 in Kraft tritt (§ 12). Sie war nicht verpflichtet, mit jeder Änderung des BVG auch die DVO zu § 13 BVG zu ändern. Eine solche Bindung läßt sich auch nicht aus § 13 Abs. 1 BVG nF herleiten. Soweit sich diese Vorschrift auf die Versorgung mit orthopädischen und anderen Hilfsmitteln bezieht, stellt sie im wesentlichen nur eine Wiederholung der bereits in § 13 Abs. 1 des Sechsten ÄndG zum BVG vom 1. Juli 1957 (BGBl I 661) und in § 4 DVO 1956 enthaltenen Fassung dar. Satz 1 des § 13 BVG nF enthält lediglich den Zusatz "auf Grund fachärztlicher Verordnung", Halb-Satz 2 nur noch den Hinweis, daß die Hilfsmittel auch dem allgemeinen technischen Entwicklungsstand angepaßt sein müssen. Aus diesen Ergänzungen ergab sich nicht, daß die Bundesregierung generell zum Erlaß einer Rechtsverordnung nach § 13 BVG nF mit Rückwirkung zum 1. Juni 1960 verpflichtet war.

Nun ist allerdings in Betracht zu ziehen, daß die übrigen nach dem Erlaß des 1. NOG ergangenen Rechtsverordnungen, nämlich die VO zur Kriegsopferfürsorge vom 30. Mai 1961 (BGBl I, 653) - § 36 -, die DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG vom 30. Juli 1961 (BGBl I, 1115) - § 11 -, die DVO zu § 31 Abs. 5 BVG vom 17. April 1961 (BGBl I, 453) - § 9 - und die DVO zu § 33 BVG vom 11. Januar 1961 (BGBl I, 19) - § 20 - ausnahmslos mit Wirkung vom 1. Juni 1960 in Kraft getreten sind. Ebenso sind die zum Zweiten Neuordnungsgesetz vom 21. Februar 1964 (BGBl I, 85) - 2. NOG - ergangenen Rechtsverordnungen, und zwar auch diejenigen zu § 13 BVG, am 1. Januar 1964, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des 2. NOG, wirksam geworden.

Der Senat konnte jedoch unerörtert lassen, ob etwa nach dem Sinn und Zweck der im 1. NOG enthaltenen Ermächtigungen grundsätzlich auch die zu diesem Gesetz erlassenen Rechtsverordnungen auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Neuordnungsgesetzes zurückwirken müßten. Er ist zu dem Ergebnis gelangt, daß jedenfalls für die im vorliegenden Fall strittige Kannleistung eine solche Verpflichtung nicht besteht. Das Gesetz schreibt in § 13 BVG nicht vor, daß zur Beschaffung eines Motorfahrzeuges ein Zuschuß zu gewähren ist. Insbesondere kann das Motorfahrzeug nicht als ein Hilfsmittel i. S. des § 13 Abs. 1 Satz 1 BVG angesehen werden, da diese Hilfsmittel nach dem Gesetz "gewährt", d. h. dem Beschädigten gebrauchsfertig ohne eigene Kosten zur Verfügung gestellt werden müssen. Bei dem in § 2 Nr. 1 der DVO zu § 13 nF bzw. § 5 Abs. 2 DVO aF vorgesehenen Zuschuß von 2.000,- DM bzw. 1.000,- DM zur Beschaffung eines Motorfahrzeugs handelt es sich sonach um eine zusätzliche, im Gesetz selbst nicht vorgeschriebene Leistung, deren Bewilligung im Ermessen der Versorgungsbehörde liegt. Ist sonach die Bewilligung dieser Leistung überhaupt in das Ermessen der Verwaltungsbehörde gestellt, so steht dem Träger der Versorgungslasten d. h. der Bundesregierung, auch das Recht zu, bei einer durch das Gesetz selbst nicht vorgeschriebenen Erhöhung des Rahmens dieser Ermessensleistung den Zeitpunkt zu bestimmen, von dem an die Erhöhung eintreten soll. Der Senat vermochte daher in dem Umstand, daß die DVO zu § 13 vom 6. Juni 1961 in § 17 für die im vorliegenden Fall strittige Leistung eine Erhöhung erst ab 11. Juni 1961 eintreten läßt, keinen Verstoß gegen § 13 BVG bzw. gegen die in § 13 Abs. 5 BVG der Bundesregierung erteilte Ermächtigung zu erblicken. Demnach konnte der Beklagte nach dieser Rechtsverordnung verfahren.

Im übrigen stellt der Zuschuß zur Beschaffung eines Motorfahrzeuges eine einmalige Leistung dar. Die erneute Bewilligung dieser Leistung ist nach § 5 Abs. 2 Satz 2 DVO 1956 frühestens nach fünf bzw. acht Jahren, nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 DVO 1961 frühestens nach fünf Jahren zulässig. Diese Vorschriften bilden für den Zeitabschnitt, in dem sie gelten, die Rechtsgrundlage für die Zuerkennung der Leistung. Die Gewährung der Leistung nach früheren Vorschriften schließt eine erneute Bewilligung jedenfalls vor Ablauf der in dem neuen Gesetz bestimmten kürzeren Frist aus. Bei der Klage gegen den eine Kannleistung ablehnenden Bescheid ist zwar zu prüfen, ob die Leistung bis zu der letzten mündlichen Verhandlung zugebilligt werden konnte. Bei Zeitabschnittsgesetzen, die einander ablösen, ist die Entscheidung über eine Vornahmeklage - dasselbe gilt für jede Art der Leistungsklage - aber nicht notwendig aus dem jeweils letzten Gesetz zu entnehmen, sondern vielmehr aus demjenigen Gesetz, in dessen Geltungsdauer das Ereignis fällt, aus dem sich der vermeintliche Anspruch ableitet (BVerwG, Urteil vom 6. Januar 1958, DVBl 1958 S. 256; vgl. auch BSG 12, 129). Dabei ist allerdings davon auszugehen, daß nach dem neuen Recht zu entscheiden ist, wenn dieses seinen zeitlichen Geltungswillen auch noch auf die unter dem letzten Gesetz beantragten Verwaltungsakte erstreckt (vgl. Ule, Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2. Auflage, VwGO § 108 III 2). Ist dem Versorgungsberechtigten jedoch während der Geltungsdauer der alten Vorschrift ein Zuschuß bewilligt worden, so war sein Antrag damit erledigt und der Bescheid nach § 77 SGG für die Beteiligten in der Sache bindend geworden. Da im vorliegenden Falle der Zuschuß von 900,- DM bereits im September 1960 bewilligt und ausgezahlt worden war, konnte dem Beklagten nicht die Verpflichtung auferlegt werden, den Zuschuß nach der DVO 1961 zu erhöhen. Da die Versorgungsbehörde in zeitlichem Zusammenhang mit der Beschaffung des Motorfahrzeuges über den Antrag entschieden und hierbei das zur Zeit der Bewilligung geltende Recht zugrunde gelegt hat, der Kläger sonach nicht grundsätzlich anders behandelt wurde, als andere Berechtigte, denen 1960 ein Zuschuß bewilligt wurde, ist auch der Grundsatz der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht verletzt.

Die Revision ist somit begründet. Das SG hat zu Unrecht die Bescheide vom 4. Juli 1961 und 18. Juni 1962 aufgehoben. Diese Bescheide waren nicht rechtswidrig, weil die DVO 1961 nicht anzuwenden war. Da keine tatsächlichen Feststellungen mehr erforderlich sind, konnte der Senat selbst entscheiden. Unter Aufhebung des angefochtenen Urteils war nach § 170 Abs. 2 Satz 1 SGG die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2324417

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