Orientierungssatz

Berechnung des Übergangsgeldes - Einmalige Zuwendungen:

1. "Einmalige Zuwendungen" sind nach der Rechtsprechung des BSG Bezüge, die nicht in ständiger Wiederholung (monatlich, jährlich), vielmehr in der Regel aus besonderen Anlässen gezahlt werden und vielfach in Höhe und Fälligkeit nicht von vornherein festgelegt sind.

2. Bei der Berechnung des Übergangsgeldes (§ 59 Abs 3 AFG) sind Leistungen des Arbeitgebers zu berücksichtigen, die dem Versicherten im Bemessungszeitraum zugeflossen sind und die er im Bemessungszeitraum erworben hat (Anschluß an BSG 3.11.1982 1 RJ 12/82 = SozR 2200 § 182 Nr 85).

3. Ob das in einer Urlaubsabgeltung gezahlte zusätzliche Urlaubsgeld eine einmalige Zuwendung iS von § 59 Abs 3 AFG idF des AFKG ist, bleibt unentschieden.

 

Normenkette

AFG § 59 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1981-12-22, Abs. 3 S. 3 Fassung: 1981-12-22

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 10.08.1984; Aktenzeichen L 1 Ar 85/83)

SG Schleswig (Entscheidung vom 17.05.1983; Aktenzeichen S 2 Ar 70/82)

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe des Übergangsgeldes (Übg) für eine am 2. Februar 1982 begonnene Umschulung des Klägers zum Bautechniker.

Die Beklagte legte der Bemessung das in einer Bescheinigung der Sch.-H. Z. AG für September 1981 aufgeführte Bruttoarbeitsentgelt zugrunde; dort war der Kläger zuletzt befristet vom 1. Juni bis 29. September 1981 als Pförtner tätig gewesen. Die bei Beschäftigungsende noch gezahlte "Abgeltung für sechs Tage Urlaub" von 720,96 DM brutto (540,96 DM anteiliges Arbeitsentgelt, 6 x 30 = 180,-- DM zusätzliches Urlaubsgeld gemäß § 12 Nr 3 Buchst a und b des Manteltarifvertrages -MTV- für die Arbeitnehmer in der Zuckerindustrie der Bundesrepublik Deutschland vom 15. September 1979) ließ sie unberücksichtigt (Bescheid vom 5. Februar 1982, Widerspruchsbescheid vom 9. Juni 1982 und Änderungsbescheid vom 22. Februar 1983).

Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) die Beklagte verurteilt, die auf der Lohnabrechnung für September 1981 mit "tarifliches Urlaubsgeld" bezeichneten 180,-- DM als weiteren Regellohn zu berücksichtigen (Urteil vom 17. Mai 1983). Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die zugelassene Berufung hin am 10. August 1984 die Klage abgewiesen; ferner hat es den am 16. September 1983 ergangenen weiteren Bescheid der Beklagten aufgehoben, mit dem sie den Bemessungszeitraum für das Übg über September hinaus auf die Monate August und Juli 1981 erstreckt hat. Nach der Ansicht des LSG stellen die 720,96 DM insgesamt keinen Bestandteil des Regellohnes dar, sondern eine für das Übg unerhebliche einmalige Zuwendung iS von § 59 Abs 3 Satz 3 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) in der anzuwendenden Fassung des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes (AFKG), denn sie seien zur Abgeltung von Urlaub und nicht für eine während des Arbeitsverhältnisses tatsächlich verbrachte Urlaubszeit gezahlt worden. Eine Urlaubsabgeltung dürfe nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) nur ausnahmsweise gewährt werden, wenn Urlaub wegen der Arbeitsbeendigung nicht mehr genommen werden könne. Dieser Ausnahmecharakter schließe es aus, die Abgeltung in den Regellohn einzubeziehen. Daß der Kläger wegen der Befristung seines Arbeitsverhältnisses mit Urlaub von vornherein nicht habe rechnen können, ändere an dem Ergebnis nichts. Die Klage gegen den Änderungsbescheid vom 16. September 1983 sei dagegen begründet, da nach § 59 Abs 3 AFG nur der Monat September 1981 als Bemessungszeitraum in Betracht komme.

Das LSG hat die Revision gegen sein Urteil zugelassen, weil es der Rechtssache im Hinblick auf die Handhabung des Bemessungszeitraums durch die Beklagte grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat.

Mit der - nur vom Kläger eingelegten - Revision bringt dieser vor, das LSG habe die Bedeutung des § 59 Abs 3 AFG verkannt. Das tarifliche Urlaubsgeld sei auch dann, wenn es anläßlich einer Urlaubsabgeltung gezahlt werde, keine einmalige Zuwendung.

Der Kläger beantragt (sinngemäß), das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit es der Berufung der Beklagten stattgegeben hat.

Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision kann keinen Erfolg haben.

Für seine Entscheidung hat der Senat sich nur mit dem Bescheid vom 5. Februar 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juni 1982 und mit dem Änderungsbescheid vom 22. Februar 1983 zu befassen, mit denen ab 2. Februar 1982 das Übg festgestellt worden ist. Der den Bemessungszeitraum verändernde Bescheid vom 16. September 1983, den das Berufungsgericht als rechtswidrig aufgehoben hat, ist nicht Gegenstand des revisionsgerichtlichen Verfahrens, weil nur der Kläger und nicht auch die Beklagte den Revisionsweg beschritten hat.

Gegen die Zulässigkeit des Rechtsmittels bestehen keine Bedenken. Das LSG hat im Tenor seiner Entscheidung "die Revision" zugelassen. Zur Begründung hat es allerdings ausgeführt, es messe der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (nur) im Hinblick auf die von der Beklagten gehandhabte Ermittlung des Bemessungszeitraums bei. Dies kann jedoch nicht dahin verstanden werden, daß das LSG entgegen dem Tenor die Revision nur hinsichtlich der Abweisung der Klage gegen den Bescheid vom 16. September 1953 habe zulassen wollen.

In der Sache ist dem LSG im Ergebnis zu folgen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf ein höheres Übg unter Berücksichtigung des Urlaubsgeldes von 180,-- DM, weil dieser Betrag weder voll noch anteilig in den Regellohn einzubeziehen ist.

Auszugehen ist von § 59 Abs 2 und 3 AFG, der hier in der Fassung des am 1. Januar 1982 in Kraft getretenen AFKG anzuwenden ist. Danach sind der Berechnung des Übg 80 vH des entgangenen regelmäßigen Entgelts (Regellohn) zugrunde zu legen (Abs 2 Satz 1); ist das Arbeitsentgelt, wie beim Kläger, nach Monaten bemessen, so gilt für die Berechnung des Regellohnes der 30. Teil des in dem letzten vor Beginn der Maßnahme abgerechneten Kalendermonat erzielten und um "einmalige Zuwendungen" verminderten Arbeitsentgelts als Regellohn (Abs 3 Satz 3); dies gilt auch bei "schwankenden Bezügen" (s Urteil des erkennenden Senats vom 20. Juni 1986, SozR 4100 § 59 Nr 3).

Ob im vorliegenden Fall das zusätzliche Urlaubsgeld eine "einmalige Zuwendung" iS dieser Vorschrift gewesen ist, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. "Einmalige Zuwendungen" sind nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) Bezüge, die nicht in ständiger Wiederholung (monatlich, jährlich), vielmehr in der Regel aus besonderen Anlässen gezahlt werden und vielfach in Höhe und Fälligkeit nicht von vornherein festgelegt sind. Dementsprechend hat das BSG in einem tariflichen Urlaubsgeld keine einmalige Zuwendung gesehen (SozR 4100 § 112 Nr 11; 2200 § 1241 Nrn 15 und 18; 2200 § 182 Nrn 75 und 85; 2200 § 568 Nr 5). Das muß auch für das dem Kläger auf der Grundlage des maßgeblichen MTV für die Arbeitnehmer in der Zuckerindustrie der Bundesrepublik Deutschland vom 17. September 1978 (§ 12 Nr 3 Buchst b) gezahlte sogenannte "zusätzliche Urlaubsgeld" gelten. Denn dieses stellt eine jährlich wiederkehrende Leistung des Arbeitgebers dar, auf die ein Rechtsanspruch besteht; die Höhe und Fälligkeit sind von vornherein festgelegt (zumindest bestimmbar); die Höhe hängt von der an die Dauer der Beschäftigung geknüpften Dauer des Urlaubs ab; bei vorzeitigem Ausscheiden (s hierzu § 12 Nr 3 des MTV) wird das Urlaubsgeld dementsprechend anteilig gezahlt (vgl SozR 2200 § 182 Nr 75).

Diese Rechtsprechung ist im Rahmen des § 59 AFG für Zeiten bis zum 31. Dezember 1983 maßgebend geblieben. Erst mit Wirkung vom 1. Januar 1984 an hat das Haushaltbegleitgesetz 1984 vom 22. Dezember 1983 die Worte "einmalige Zuwendungen" durch "einmalig gezahltes Arbeitsentgelt" ersetzt, so daß seitdem das tarifliche Urlaubsgeld bei der Bemessung des Übg wohl nicht mehr berücksichtigt werden kann, weil es "nicht in jedem Lohnabrechnungszeitraum erzielt wird" (Definition in § 385 Abs 1a der Reichsversicherungsordnung -RVO-). Dieser Änderung kann nicht im Auslegungswege Rückwirkung auf Zeiten vor 1984 beigemessen werden (vgl Urteil des 5b Senats vom 11. Juli 1985, 5b/1 RJ 92/84, zur Veröffentlichung vorgesehen). Ebensowenig haben die Änderungen des § 112 Abs 2 Satz 3 AFG zum 1. Januar 1981 (durch das Sozialgesetzbuch -Verwaltungsverfahren-) und zum 1. Januar 1982 (durch das AFKG) die Auslegung des § 59 AFG beeinflussen können; sie haben sich auf § 112 AFG und die darauf verweisenden Vorschriften beschränkt (SozR 2200 § 1241 Nr 18; § 568 Nr 5; § 182 Nr 85; vgl auch SozR 4100 § 112 Nr 25, wo neben dem Arbeitslosengeld noch Kurzarbeitergeld und Schlechtwettergeld genannt werden).

In der bisherigen Rechtsprechung zu den "einmaligen Zuwendungen" war freilich wohl noch nicht entschieden, wie es sich mit einem tariflichen Urlaubsgeld verhält, das nicht für eine tatsächliche Urlaubszeit, sondern mit einer Urlaubsabgeltung gezahlt wird. Das LSG will für diesen Fall eine einmalige Zuwendung bejahen, weil das Urlaubsgeld dann nur ein Rechnungsposten in der eine einmalige Zuwendung darstellenden Abgeltung sei. Dem ließe sich entgegenhalten, daß dies den Charakter des tariflichen Urlaubsgeldes als jährlich wiederkehrender, gegebenenfalls anteilig zu zahlender Leistung mit Rechtsanspruch und zu ermittelnder Fälligkeit nicht berühren müßte. Das braucht jedoch nicht näher geprüft zu werden.

An dem vom LSG gefundenen Ergebnis ändert sich nämlich auch dann nichts, wenn die als tarifliches Urlaubsgeld gezahlten 180,-- DM, wie es der Kläger will, nicht als einmalige Zuwendung gewertet werden. Der von ihm geltend gemachte Anspruch scheitert dann nämlich daran, daß das im September 1981 ausgezahlte Urlaubsgeld weder ganz noch teilweise in diesem der Bemessung des Übg zugrundeliegenden Monat "erarbeitet" worden ist. Nach § 12 Nrn 1 Buchst a und 2 Buchst a des maßgebenden MTV standen dem Kläger aus seinem Beschäftigungsverhältnis soviel Zwölftel des Jahresurlaubs (von 24 Tagen) zu, wie das Arbeitsverhältnis volle Beschäftigungsmonate bestanden hat, dh hier für die Monate Juni bis August 1981 je zwei, zusammen sechs Tage. Für September hatte er keinen Urlaubsanspruch, weil das Beschäftigungsverhältnis am 29. bereits beendet war. Dementsprechend hatte er auch nur für sechs Tage Urlaubsgeld zu beanspruchen (§ 12 Nr 2 Buchst b MTV) und erhalten, für weitere Tage dagegen nicht. Eine derartige Sachlage schließt es aus, die 180,-- DM Urlaubsgeld voll oder zum Teil für das Übg zu berücksichtigen. Zwar ist das eine von der Rechtsprechung des BSG geforderte Kriterium, daß die Zuwendung dem Versicherten im Bemessungszeitraum "zugeflossen" sein muß, mit der Zahlung im September 1981 als erfüllt anzusehen; der zugewendete Betrag kann jedoch darum nicht angerechnet werden, weil er nicht im Bemessungszeitraum erworben worden ist, dh auch nicht einmal anteilig auf ihn entfällt. Der Senat nimmt hierzu auf die Rechtsprechung des BSG in SozR 2200 § 182 Nrn 75 und 85; § 568 Nr 5 Bezug, der er sich anschließt (vgl hierzu bereits SozR 2200 § 1241 Nr 22).

Hiernach entbehrt der Klageanspruch der rechtlichen Grundlage, so daß die Revision mit der aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes entnommenen Kostenfolge zurückzuweisen war.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1661898

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