Leitsatz (amtlich)

Bei einer Gesamtleistung mit knappschaftlichem Anteil ist für Versicherungsfälle nach dem 1965-12-31 der Gesamtdurchschnitt der vorhandenen persönlichen Rentenbemessungsgrundlagen nach RKG § 103 Abs 3 (= RVO § 1312 Abs 3) in der Weise zu bilden, daß jede einzelne Rentenbemessungsgrundlage mit der Dauer der Beitrags- und der beitragslosen Zeiten (RKG § 54a = RVO § 1255a) in dem betreffenden Versicherungszweig vervielfältigt und die Summe der erhaltenen Produkte durch die Gesamtdauer der Beitrags- und der beitragslosen Zeiten geteilt wird.

 

Normenkette

RKG § 103 Abs. 3; RVO § 1312 Abs. 3 Fassung: 1957-07-27; RKG § 54a Fassung: 1965-06-09; AVG § 91 Abs. 3 Fassung: 1957-07-27; RVO § 1255a Fassung: 1965-06-09; AVG § 32a Fassung: 1965-06-09; RKG § 54; RVO § 1255; AVG § 32

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 23. Januar 1975 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der 1909 geborene Kläger, Bezieher einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung, hat neben Beiträgen zur knappschaftlichen Rentenversicherung auch Beiträge zur Rentenversicherung der Arbeiter entrichtet. Mit dem streitigen Bescheid vom 25. Juli 1974 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 1. September 1974 das Knappschaftsruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres, und zwar als Gesamtleistung mit Leistungsanteilen aus der knappschaftlichen und der Rentenversicherung der Arbeiter. Hierbei brachte sie einen Betrag von 61,32 DM wegen Zusammentreffens mit der Unfallrente zum Ruhen (§ 75 des Reichsknappschaftsgesetz - RKG -). Die der Ermittlung des Ruhensbetrages dienende durchschnittliche persönliche Rentenbemessungsgrundlage nach § 103 Abs. 3 RKG berechnete die Beklagte in der Weise, daß sie die persönliche Rentenbemessungsgrundlage jedes beteiligten Versicherungszweiges mit der Dauer der Beitrags- und beitragslosen Zeiten jedes Versicherungszweiges vervielfältigte und die Summe der Produkte durch die Gesamtdauer der Beitrags- und beitragslosen Zeiten teilte.

Widerspruch und Klage des Klägers mit dem Ziel, bei der Berechnung der durchschnittlichen Bemessungsgrundlage allein die Beitragszeiten berücksichtigt zu erhalten, blieben ohne Erfolg. Mit dem angefochtenen Urteil vom 23. Januar 1975 hat das Sozialgericht (SG) die Klage abgewiesen: Nach Einführung des § 54 a RKG seien für die Ermittlung der persönlichen Rentenbemessungsgrundlage auch die beitragslosen Ersatz- und Ausfallzeiten heranzuziehen, so daß nunmehr diese Zeiten auch als Beitragszeiten im Sinne des § 103 Abs. 3 RKG anzusehen seien; entsprechend sei die durchschnittliche Bemessungsgrundlage zu bilden. Andernfalls könnte der Bezieher einer Gesamtrente u. U. bessergestellt werden als der, der Rente aus Beiträgen allein zu einem Versicherungszweig erhalte.

Das SG hat in diesem Urteil die Sprungrevision zugelassen. Der Kläger hat mit dem Einverständnis der Beklagten die Sprungrevision eingelegt. Er macht sich die seinen Standpunkt stützende Auffassung des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg in einer Entscheidung vom 5. März 1974 zu eigen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 23. Januar 1975 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter teilweiser Änderung des Rentenbescheides vom 25. Juli 1974 und Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 19. September 1974 die persönliche Bemessungsgrundlage zur Errechnung des Ruhensbetrages allein aus den Beitragszeiten zu errechnen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die persönliche Rentenbemessungsgrundlage (§§ 54 RKG, 1255 der Reichsversicherungsordnung - RVO -) sei bei Renten aus Versicherungsfällen bis zum 31. Dezember 1965 nur aus den im jeweiligen Versicherungszweig bis zum Eintritt des Versicherungsfalles zurückgelegten Beitragszeiten errechnet worden. Entsprechend hätten bei der Bildung der gemischten persönlichen Bemessungsgrundlage nach § 103 Abs. 3 RKG nur Beitragszeiten zugrunde gelegt werden können. Die durch das Rentenversicherungs-Änderungsgesetz (RVÄndG) vom 9. Juni 1965 geänderte Regelung der Ermittlung der persönlichen Rentenbemessungsgrundlage sehe nunmehr die Berücksichtigung auch der sogenannten beitragslosen Zeiten bei der maßgebenden Rentenbemessungsgrundlage vor. Damit stehe außer Zweifel, daß in Versicherungsfällen seit dem 1. Januar 1966 nur die unter Berücksichtigung auch der beitragslosen Zeiten ermittelte Rentenbemessungsgrundlage als Begrenzungsgröße in Betracht komme. Im Rahmen der Wanderversicherung trete an die Stelle des § 61 RKG die Vorschrift des § 103 Abs. 3 RKG. Ihr liege ebenfalls der Gedanke zugrunde, die jeweiligen persönlichen Bemessungsgrundlagen als gemischte Bemessungsgrundlage die obere Leistungsgrenze bilden zu lassen.

 

Entscheidungsgründe

Die Sprungrevision ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet.

Nach § 99 RKG (= § 1308 RVO) gelten für den Kläger die Vorschriften der Wanderversicherung, weil er außer zur knappschaftlichen auch Beiträge zur Rentenversicherung der Arbeiter zurückgelegt hat. Zu diesen Vorschriften zählt § 103 Abs. 3 RKG (= § 1312 Abs. 3 RVO). Er bestimmt u. a., wie das für das Zusammentreffen von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und aus der gesetzlichen Unfallversicherung in §§ 75, 76 RKG (= §§ 1278, 1279 RVO) angeordnete teilweise Ruhen der Rente aus der Rentenversicherung bei der sogenannten Wanderrente - Gesamtleistung aus mehreren Zweigen der gesetzlichen Rentenversicherung - zu praktizieren ist. Nach den genannten Ruhensbestimmungen bildet ein Vomhundertsatz der für den Versicherten maßgebenden Rentenbemessungsgrundlage einen Höchstbetrag, den die Summe der Renten aus der gesetzlichen Unfallversicherung und aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht überschreiten dürfen. § 103 Abs. 3 RKG trifft eine Regelung über die Ermittlung einer einheitlichen, einer durchschnittlichen persönlichen Rentenbemessungsgrundlage. Diese Regelung erklärt sich daraus, daß in einer Gesamtleistung mit knappschaftlichem Anteil zwei Bemessungsgrundlagen eingeflossen sind, nämlich die knappschaftliche und die der Arbeiter- und der Angestelltenversicherung (§§ 54, 101 RKG; §§ 1255, 1310; §§ 32, 89 des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG -; vgl. den erkennenden Senat in SozR Nr. 2 zu § 1312 RVO). Das Vorhandensein zweier Rentenbemessungsgrundlagen stört zwar bei der Feststellung der Wanderrente mit knappschaftlichem Anteil nicht, weil der knappschaftliche Leistungsanteil dem Anteil aus der Arbeiterrentenversicherung/Angestelltenversicherung gesondert hinzugeschlagen wird (vgl. § 101 Abs. 3 RKG = § 1310 Abs. 3 RVO = § 89 Abs. 3 AVG). Soweit es sich u. a. um die Anwendung der Ruhensbestimmungen wegen Zusammentreffens mit einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung handelt, bei der die Rentenbemessungsgrundlage gleichfalls eine ausschlaggebende Rolle spielt, kann freilich nicht mit zwei verschiedenen Rentenbemessungsgrundlagen gearbeitet werden: Diese Bestimmungen ordnen das Ruhen einer einheitlich gedachten Gesamtleistung an. Um in bezug auf die einheitlich gedachte Wanderrente die Ruhensbestimmungen anwenden zu können, muß eine fiktive einheitliche Rentenbemessungsgrundlage gebildet werden (vgl. Koch/Hartmann, Komm. zum AVG, 3. Aufl., Bd. IV, Anm. B II zu § 91 AVG). Dies verwirklicht § 103 Abs. 3 RKG in der Weise, daß er im ersten Halbsatz anordnet, aus den vorhandenen beiden Bemessungsgrundlagen einen Gesamtdurchschnitt zu bilden; im zweiten Halbsatz regelt die Bestimmung, wie dies zu geschehen hat. Danach ist der Gesamtdurchschnitt in der Weise zu bestimmen, daß jede einzelne Rentenbemessungsgrundlage mit der Beitragsdauer in dem betreffenden Rentenversicherungszweig vervielfältigt und die Summe der erhaltenen Produkte durch die Gesamtbeitragsdauer geteilt wird.

Die Beklagte und das SG sind nun der Auffassung, daß diese Vorschrift entgegen ihrem Wortlaut in dem Sinne angewendet wird, daß anstelle von "Beitragsdauer" die "Dauer der Beitrags- und beitragslosen Zeiten" tritt. Dem ist beizutreten. Instrument der Bildung des Durchschnitts aus den beiden vorhandenen persönlichen Bemessungsgrundlagen ist, wie dargestellt, das Produkt aus der Bemessungsgrundlage jedes Versicherungszweiges und der Beitragsdauer in diesem Versicherungszweig. Der Gedanke, der dieser Regelung bei Schaffung der Vorschrift zugrunde gelegt worden ist, liegt auf der Hand: Nach § 54 RKG (= § 1255 RVO) ist die für den Versicherten maßgebliche - persönliche - Rentenbemessungsgrundlage der Vomhundertsatz der allgemeinen Bemessungsgrundlage, der dem Verhältnis entspricht, in dem während der zurückgelegten Beitragszeiten der Bruttoarbeitsentgelt des Versicherten zu dem durchschnittlichen Bruttoarbeitsentgelt aller Versicherten gestanden hat. Die persönliche Bemessungsgrundlage baut hiernach auf den Beitragszeiten auf. Bei Vorhandensein zweier persönlicher Bemessungsgrundlagen war daher für jeden beteiligten Versicherungszweig das Produkt aus Beitragszeit und Bemessungsgrundlage geeignet, als Instrument der Gewinnung eines Durchschnittswertes zu dienen. Diesem Grundgedanken des Gesetzes entspricht es, unter "Beitragsdauer" in § 103 Abs. 3 RKG nach Einführung des § 54 a RKG (= § 1255 a RVO) nunmehr auch die beitragslosen Zeiten zu verstehen. Nach dieser durch das Rentenversicherungs-Änderungsgesetz (RVÄndG) vom 9. Juni 1965 mit Wirkung ab 1. Januar 1966 geschaffenen Vorschrift sind nunmehr die dort genannten beitragslosen Zeiten mit festen Werten bei der Ermittlung der persönlichen Rentenbemessungsgrundlage zu berücksichtigen. Dem in § 103 Abs. 3 RKG angelegten Plan des Gesetzgebers, an der Bildung einer Durchschnitts-Bemessungsgrundlage die bei der Ermittlung der persönlichen Bemessungsgrundlage zu berücksichtigenden Zeiten teilnehmen zu lassen, kann mithin für nach dem 31. Dezember 1965 eingetretene Versicherungsfälle nur entsprochen werden, wenn die beitragslosen Zeiten wie Beitragszeiten behandelt werden.

Ein anderes Ergebnis ließe sich nur dann rechtfertigen, wenn das Gesetz etwas anderes bestimmt hätte oder zumindest aus den Gesetzesmaterialien entnommen werden könnte, daß er es bewußt bei der Berücksichtigung der Beitragszeiten habe belassen wollen. Eine entsprechende ausdrückliche Bestimmung fehlt. Ebenso läßt sich aber den Gesetzesmaterialien auch nichts in dieser Hinsicht entnehmen. Nichtoffizielle Äußerungen zur Entstehungsgeschichte des RVÄndG (vgl. von Gellhorn/Orda, RKG-Textausgabe mit Anmerkungen, Stand 1.1.1975, Bd. I, Anm. 7 zu § 103 RKG) alleine reichen aber nicht aus, um diese Vorschrift dahin auszulegen, der Gesetzgeber habe in § 103 Abs. 3 RKG die Ermittlung der Durchschnitts-Bemessungsgrundlage auch noch nach Schaffung des § 54 a RKG bewußt auf die Berücksichtigung allein der Beitragszeiten beschränkt wissen wollen.

Die angefochtene Entscheidung trifft mithin zu. Die Revision des Klägers hiergegen war deshalb mit der Kostenentscheidung aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1650719

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Kranken- und Pflegeversicherungs Office. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen