Orientierungssatz

Zu der Frage, wann Betriebe der Steine und Erden iS des RKG § 2 Abs 1 S 3 "überwiegend unterirdisch" betrieben werden.

 

Normenkette

RKG § 2 Abs. 1 S. 3

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 07.11.1972; Aktenzeichen L 6 Kn 7/72)

SG Gießen (Entscheidung vom 08.12.1971; Aktenzeichen S 6 Kn 57/65)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 7. November 1972 wird zurückgewiesen, soweit es den Bescheid der Beklagten vom 23. August 1965 betrifft.

Im übrigen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I

Die Klägerin (Knappschaft) wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten (Bundesversicherungsamt) vom 23. August 1965, den diese ihr und der Beigeladenen zu 1) (Firma A Jos. ..., Tonbergbau, S) zugestellt hatte und in dem es heißt, die Gruben S und L der Beigeladenen zu 1) sind keine knappschaftlichen Betriebe.

Die Beigeladene zu 1) betreibt ein Unternehmen mit dem Zweck der Gewinnung, der Aufbereitung und des Verkaufs von Ton. Zum Unternehmen gehören die Tongruben "P", "F", "A" und seit Mai 1971 "R", in denen Ton im Tagebau gewonnen, und die Gruben "S" und "L", in denen Ton im Untertagebau gefördert wird. Die Entfernung zwischen den einzelnen Gewinnungsstätten beträgt etwa 3 bis 4 km, längstens 8 km. Die Verwaltung und das zentrale Lager für Ersatzteile befinden sich in S, die Aufbereitungsanlage (Schnitzelwerk) im Bereich der Grube "S". Nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) handelt es sich bei der Beigeladenen zu 1) um ein mehr familienhaft geführtes Unternehmen. Alle Gewinnungsstätten werden von der in S gelegenen Verwaltung aus, und zwar von den Firmeninhabern selbst, kaufmännisch geleitet. Dort werden die Löhne und Gehälter aller Arbeitnehmer errechnet und angewiesen, der Versand des aufbereiteten Materials und die Bereitstellung zur Abholung durch die Kunden veranlaßt und die Rechnungen für den verkauften Ton ausgestellt. Die auf den einzelnen Gewinnungsstätten tätigen Aufsichtspersonen (Grubenmeister) haben etwa die Stellung von Werkmeistern. Der Beigeladene zu 7) ist Grubenmeister auf den Gewinnungsstätten "L" und "R". Die Grubenmeister unterliegen den Weisungen der Firmeninhaber, die die Mengen und die Art des zu fördernden Tones festsetzen und die Arbeitnehmer einstellen und entlassen und Maschinen, Werkzeuge und Material einkaufen. Im Bereich der Gewinnungsstätte "F" ist eine zentrale Betriebswerkstatt (Schmiede) eingerichtet. Die dort beschäftigten Handwerker werden bei Bedarf auf allen zum Betrieb der Beigeladenen zu 1) gehörenden Gewinnungsstätten (Gruben) eingesetzt.

Gegen den Bescheid der Beklagten vom 23. August 1965 erhob die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht (SG) Gießen und beantragte, diesen Bescheid aufzuheben. Das SG Gießen hat mit Urteil vom 8. Dezember 1971 die Klage abgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin Berufung bei dem LSG Niedersachsen eingelegt und im Berufungsverfahren zusätzlich beantragt, das Gericht möge noch feststellen, daß die Gruben "S" und "L" knappschaftliche Betriebe im Sinne des § 2 Abs. 1 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) seien. Das LSG hat die Berufung mit Urteil vom 7. November 1972 zurückgewiesen. Nach seiner Ansicht sind die Gruben "S" und "L" keine Betriebe im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 3 RKG und unterliegen schon aus diesem Grunde nicht der knappschaftlichen Versicherung. Es bedürfe deshalb auch keiner Entscheidung darüber, ob diese Gruben überwiegend unterirdisch betrieben würden. Der von der Klägerin im Berufungsverfahren zusätzlich gestellte Feststellungsantrag sei unzulässig. Hierbei handle es sich um eine Klageänderung im Sinne einer Klageerweiterung. Gegenstand des Verfahrens sei der Bescheid der Beklagten vom 23. August 1965, mit dem festgestellt worden sei, daß die Gruben "S" und "L" keine knappschaftlichen Betriebe seien. Die Zuständigkeit der Beklagten für derartige Entscheidungen sei seit dem 1. August 1969 nicht mehr gegeben. Von diesem Tage an habe die Klägerin in Zweifelsfällen selbst durch Verwaltungsakt darüber zu entscheiden, ob ein Betrieb knappschaftlich ist. Bei dieser Entscheidung handle es sich um einen sog. Statusakt, der nicht durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt werden könne. Bei einem Feststellungsantrag mit dem Ziele, einen Statusakt zu ersetzen, handle es sich jedenfalls dann um einen anderen Klagegrund, wenn - wie hier - die Beklagte für die begehrte Feststellung auf keinen Fall mehr passiv legitimiert sei. Die Beklagte und der Beigeladene zu 7) hätten der Klageänderung widersprochen. Diese sei auch nicht sachdienlich, weil die begehrte Feststellung als Statusakt im gerichtlichen Verfahren nicht getroffen werden könne. Sollte der von der Klägerin im Berufungsverfahren zusätzlich gestellte Antrag als Feststellungswiderklage (für die Zeit bis zum 1. August 1969) aufzufassen sein, so sei auch diese Klage unzulässig. Ihr fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil über die Frage der Zugehörigkeit der beiden Gruben zur knappschaftlichen Versicherung schon im Rahmen des Hauptantrages der Klägerin zu entscheiden gewesen sei. Gegen das Urteil hat das LSG die Revision zugelassen.

Mit der von ihr eingelegten Revision vertritt die Klägerin die Ansicht, die Gruben "S" und "L" unterlägen der knappschaftlichen Versicherung, weil sie überwiegend unterirdisch betrieben würden. Der Hauptbetrieb der Beigeladenen zu 1) sei zwar kein knappschaftlicher Betrieb, die beiden Gruben seien aber selbständige Teilbetriebe, die für sich allein knappschaftliche Betriebe seien. Bei der Beurteilung der Frage, ob es sich um ein überwiegend unterirdisch betriebenes Werk handle, sei darauf abzustellen, wie viele Personen in der Gewinnung unter Tage und wie viele Personen über Tage eingesetzt seien. Der den bergmännisch tätigen Arbeitnehmern vom Gesetzgeber zugedachte höhere Versicherungsschutz dürfe nicht von der Zufälligkeit abhängen, ob die Grube um eine die Urproduktion weiterverarbeitende Tagesanlage erweitert sei oder nicht. Es sei unstreitig, daß der weitaus überwiegende Teil der Belegschaft der Gruben "S" und "L" unter Tage mit der Gewinnung von Ton befaßt sei. Als Betrieb im Sinne der Knappschaftsversicherung müsse bereits jede Gewinnungsstätte innerhalb eines Unternehmens gelten, die auf die bergmännische Gewinnung von Mineralien oder ähnlichen Stoffen ausgerichtet sei. Hierbei sei es rechtlich nicht relevant, ob und in welchem Umfang die Gewinnungsstätte innerhalb des Unternehmens selbständig sei. Nur diese Auslegung werde dem Sinn und Zweck der knappschaftlichen Versicherung als Sonderversicherung für die im Bergbau tätigen Arbeitnehmer gerecht. Auch der Feststellungsantrag sei gerechtfertigt, weil im Falle der Aufhebung der Urteile der Vordergerichte und des Bescheids der Beklagten nicht für alle Beteiligten bindend festgestellt werde, daß die beiden Tongruben knappschaftliche Betriebe seien. Sie habe ein berechtigtes Interesse daran, daß eine solche Feststellung zur Vermeidung weiteren Streits getroffen werde. Die beantragte Feststellung sei sachlich angebracht und prozeßwirtschaftlich sinnvoll, weil dadurch der Streit im ganzen bereinigt werde.

Die Klägerin und der Beigeladene zu 7) beantragen,

das angefochtene Urteil sowie das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 8. Dezember 1971 aufzuheben und unter Abänderung des Bescheids des Bundesversicherungsamts vom 23. August 1965 festzustellen, daß die Tongruben "L" und "S" knappschaftliche Betriebe im Sinne des § 2 Abs. 1 RKG sind und die in ihnen beschäftigten Versicherten der knappschaftlichen Versicherungspflicht unterliegen.

Die Beklagte und die Beigeladenen zu 1) bis 5) beantragen,

die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 9. November 1972 zurückzuweisen.

Die Beigeladene zu 6) hat keine Anträge gestellt.

Die Beklagte ist der Ansicht, daß die Knappschaftlichkeit der beiden Tongruben bereits deshalb verneint werden muß, weil es sich um keine Betriebe im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 3 RKG handele. Der Gesamtbetrieb der Beigeladenen zu 1) sei nicht knappschaftlich, und es sei nicht der Zweck des Gesetzes, innerhalb ein und desselben Betriebes unterschiedliche Versicherungsverhältnisse festzustellen. Es komme nicht auf eine Gegenüberstellung derjenigen Arbeitnehmer an, die über Tage und unter Tage nur in der Gewinnung tätig seien, sondern maßgeblich sei das Zahlenverhältnis innerhalb der Gesamtbelegschaft des Betriebes.

Die Beigeladene zu 1) meint, die Tatsache, daß die Tongruben des Westerwaldes der bergbehördlichen Aufsicht unterliegen, könne nicht dazu führen, diese der Kohle- und Erzgewinnung gleichzusetzen, denn die Tongewinnung sei keine typisch bergmännische Tätigkeit. Es fehlten die typischen bergbaulichen Gefahren und Krankheiten und die Arbeits- und Gewinnungsmethoden seien mit dem Kohle- und Erzbergbau nicht zu vergleichen. Im übrigen hat die Klägerin auch nach Ansicht der Beigeladenen zu 1) den Betriebsbegriff in § 2 Abs. 1 Satz 3 RKG verkannt und diesem Begriff im Laufe des Verfahrens eine unterschiedliche Auslegung gegeben. Die Ausführungen der Beigeladenen zu 2) bis 5) bringen gegenüber den Darlegungen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) keine weiteren Gesichtspunkte.

II

Die zugelassene Revision der Klägerin ist nur zum Teil begründet.

Die Klägerin erhebt mehrere prozessuale Ansprüche. Sie beantragt zunächst, den Bescheid des Bundesversicherungsamts vom 23. August 1965 und die diesen Bescheid bestätigenden Urteile des SG und des LSG aufzuheben. Der Bescheid stellte fest, daß die Tongruben "S" und "L" keine knappschaftlichen Betriebe sind. Die Klägerin beantragt weiter festzustellen, daß diese Gruben knappschaftliche Betriebe im Sinne des § 2 Abs. 1 RKG sind und die in ihnen beschäftigten Versicherten der knappschaftlichen Versicherungspflicht unterliegen.

Zunächst ist auf den ersten, auf die Aufhebung eines feststellenden Verwaltungsaktes der Beklagten gerichteten Antrag zu entscheiden. Seine Prüfung ergibt folgendes: Gemäß dem bis 31. Juli 1969, also noch zur Zeit des Erlasses des angefochtenen Bescheides in Kraft gewesenen § 2 Abs. 4 RKG (vgl. Art. 1 Nr. 2 i.V.m. Art. 4 § 26 des Bundesknappschafts-Errichtungsgesetzes vom 28. Juli 1969) entscheidet bei Zweifeln das Bundesversicherungsamt, ob ein Betrieb knappschaftlich ist. Bei den im vorliegenden Fall zu prüfenden Gruben handelt es sich um Tongewinnungsstätten, so daß sie als "Betriebe der Industrie der Steine und Erden" im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 3 RKG - vor dem 1. August 1969: Satz 2 aaO (vgl. Art. 1 des Gesetzes vom 20. Januar 1971) - knappschaftliche Betriebe sein könnten. Nach dieser Bestimmung sind die Betriebe der Industrie der Steine und Erden sowie die Salinen, soweit sie nicht als knappschaftlicher Nebenbetrieb im Sinne des § 1 Abs. 2 knappschaftlich sind, knappschaftliche Betriebe nur dann, wenn sie überwiegend unterirdisch betrieben werden. Zu der Frage, wann überhaupt ein auf seine Knappschaftlichkeit zu untersuchender "Betrieb" der Industrie der Steine und Erden gegeben ist, schweigen sowohl das Gesetz als auch die Gesetzesmaterialien. Indessen ist davon auszugehen, daß als Betrieb in einem allgemeinen und daher auch für das Knappschaftsrecht gültigen Sinn die auf Erreichung eines arbeitstechnischen Zwecks gerichtete organisatorische Zusammenfassung personeller, sachlicher und anderer Arbeitsmittel zu einer selbständigen Einheit ist (vgl. statt vieler Dietz/Richardi, Komm. zum Betriebsverfassungsgesetz, 5. Aufl., Rd.-Nrn. 45 ff zu § 1, mit zahlreichen Hinweisen aus Rechtsprechung und Schrifttum; für das Knappschaftsrecht z.B. Geselle, Komm. zum RKG, Anm. B I zu § 2). Der konkrete Fall, in welchem eine Mehrzahl von über- und unterirdisch betriebenen Tongruben mit Verarbeitungs- und Produktionsstätten in der einen unternehmerischen Hand der zu 1) beigeladenen Firma sind, bietet Anlaß, darüber hinaus herauszustellen, daß ein in organisatorischer Hinsicht eigenständiger Betriebsteil (selbständige Betriebsabteilung), rechtlich allgemein wie ein selbständiger Betrieb behandelt wird (vgl. für das Knappschaftsrecht z.B. Mansfeld/Pohle, Komm. zum RKG, Anm. 2 a bei § 2; siehe für das Arbeits- und Betriebsverfassungsrecht § 4 Betriebsverfassungsgesetz und Dietz/Richardi aaO, Rd.-Nrn. 12 ff bei § 4).

Aus dem Wesen des Betriebes - bzw. des ihm gleichzubehandelnden selbständigen Betriebsteils - als der organisatorischen Einheit von Arbeitsmitteln, mit deren Hilfe ein Unternehmer einen bestimmten arbeitstechnischen Zweck verfolgt, ergibt sich, daß entscheidend ist, ob in bezug auf die Gesamtheit der eingesetzten Arbeitsmittel ein selbständiger Leitungsapparat besteht. Sofern betriebliche Gliederungen einen solchen eigenen Leitungsapparat entbehren, können sie nur als unselbständige Ausstrahlungen derjenigen Betriebseinheit angesehen werden, die über den Leitungsapparat verfügt.

Die vom LSG getroffenen Feststellungen reichen aus, um zu dem Ergebnis zu gelangen, daß die Tongruben "S" und "L" keine Betriebe oder selbständigen Betriebsteile sind. Die beiden Gewinnungsstätten werden ebenso wie die übrigen Gewinnungsstätten der Beigeladenen zu 1) von der in S gelegenen Verwaltung aus, und zwar von den Firmeninhabern selbst, geleitet. Dort werden alle für die Gewinnungsstätten bedeutsamen Entscheidungen getroffen. So werden dort die Mengen und die Art des auf den einzelnen Gewinnungsstätten zu fördernden Tones festgesetzt, die Arbeitnehmer eingestellt und entlassen und Maschinen, Werkzeuge und Material eingekauft. Zwar ist auf jeder Gewinnungsstätte ein sogenannter Grubenmeister eingesetzt. So ist der Beigeladene zu 7) Grubenmeister auf den Gewinnungsstätten "L" und "R". Diese haben aber nur hinsichtlich des täglichen Arbeitsablaufs eine eigene Entscheidungsbefugnis. Auch im technischen Bereich können sie keine Allgemeinentscheidungen treffen, vielmehr ist im Bereich der Gewinnungsstätte "F" eine zentrale Betriebswerkstatt (Schmiede) eingerichtet. Die dort beschäftigten Handwerker werden bei Bedarf auf Weisung der Betriebsinhaber auf allen zum Betrieb der Beigeladenen zu 1) gehörenden Gewinnungsstätten eingesetzt. Daß die Grubenmeister dem Bergamt gegenüber als Aufsichtsperson für die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften während der Schicht verantwortlich sind, beruht allein auf bergrechtlichen Vorschriften und hat insoweit keine entscheidende Bedeutung.

Von einer arbeitstechnischen betrieblichen Einheit, die über einen eigenen Leitungsapparat verfügt, läßt sich bei einem solchen Sachverhalt in Übereinstimmung mit dem LSG nicht sprechen. Die beiden Tongruben "Salz/Bilkheim" und "Lindenborn" der Beigeladenen zu 1) sind organisatorisch unselbständige Gewinnungsstätten. Das LSG hat somit zu Recht den angefochtenen Bescheid des Bundesversicherungsamts, in dem die Betriebseigenschaft dieser beiden Gruben verneint worden ist, bestätigt. Daher ist insoweit die Revision der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen.

Der zweite, außerdem gestellte Antrag der Klägerin ist in der zweiten Instanz erstmalig gestellt worden. Es ist grundsätzlich richtig, daß die Erhebung eines weiteren prozessualen Anspruchs eine Klageänderung im Sinne des § 99 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) darstellt, die nur bei Einwilligung der Verfahrensbeteiligten oder bei von Gericht bejahter Sachdienlichkeit zulässig ist. Im vorliegenden Fall braucht nicht geprüft zu werden, ob das LSG in bezug auf den erstmals in der Berufungsinstanz erhobenen weiteren Anspruch den Rechtsbegriff der Sachdienlichkeit einer Klageänderung verkannt hat. Das Berufungsgericht hat nämlich übersehen, daß es die von der Klägerin in zweiter Instanz vorgenommene Klageerweiterung in entsprechender Anwendung des § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG nicht als Klageänderung hätte aussehen dürfen. Diese Vorschrift trifft zwar nicht nach ihrem Wortlaut, wohl aber nach ihrem Sinngehalt auf den vorliegenden Fall zu. Wie bereits angeführt, hat das Bundesknappschafts-Errichtungsgesetz mit Wirkung ab 1. August 1969 den Abs. 4 des § 2 RKG ersatzlos aufgehoben, so daß von da an das Bundesversicherungsamt nicht mehr ermächtigt war zu entscheiden, ob ein Betrieb knappschaftlich ist. Deshalb war von diesem Zeitpunkt an eine entsprechende Verpflichtungsklage der Knappschaft gegenüber dem Bundesversicherungsamt gemäß § 54 Abs. 1 SGG nicht mehr möglich. Hierin liegt eine während des Verlaufs des anhängigen Verfahrens eingetretene Veränderung der prozessualen Möglichkeiten, die die Klägerin veranlassen durfte, nunmehr die Knappschaftlichkeit der in Streit befindlichen Tongruben durch eine Feststellungsklage klären zu lassen. Allerdings ist der Feststellungsantrag nicht wörtlich zu nehmen; eine Feststellung dahin, daß die von der beigeladenen Firma betriebenen Tongruben "S" und "L" knappschaftliche Betriebe sind, würde nur ein Element eines Rechtsverhältnisses - des Versicherungsverhältnisses zwischen Beschäftigten, Arbeitgeber und Träger der knappschaftlichen Versicherung - betreffen; eine solche Elementenfeststellung ist gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG nicht statthaft (vgl. BSG in SozR Nr. 14 zu § 141 SGG). Jedoch ist der in der Berufungsinstanz erstmals gestellte Feststellungsantrag auslegungsfähig: Da die Frage nach dem knappschaftlichen Betrieb eine Vorfrage für die Entscheidung über die Zugehörigkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zur Knappschaftsversicherung ist, erstrebt die Beklagte mit dem neuen Antrag im Ergebnis eine gerichtliche Feststellung dahin, daß die Arbeitnehmer der beiden streitigen Gruben der Knappschaftsversicherung angehören. Durch den im Revisionsverfahren neu gefaßten Antrag hat dies die Beklagte im übrigen auch klargestellt. Mit ihrem Feststellungsantrag zielt sie mithin auf die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses - knappschaftlichen Versicherungsverhältnisses - im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG ab. Zwar betrifft der Übergang von der Anfechtungs- zur Feststellungsklage keine "andere Leistung" im Wortsinne des § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG. Jedoch ist die Bestimmung entsprechend auf einen Fall der vorliegenden Art anzuwenden. Wenn auch der Gesetzgeber nur den Wechsel von einer Leistung zu einer anderen Leistung gesehen hat, so ist die Vorschrift aber doch auch auf die Fälle anzuwenden, in denen Gegenstand des Rechtsstreits ursprünglich etwas anderes als eine Leistung im engeren Sinne gewesen ist. Hiernach gilt der in der Berufungsinstanz erstmals gestellte Feststellungsantrag nicht als Klageänderung. Der Zulässigkeit der beantragten Feststellung stand auch nicht entgegen, daß die Beklagte nach Aufhebung des § 2 Abs. 4 RKG selbst über die Versicherungszugehörigkeit der Beschäftigten der beiden Tongruben hätte entscheiden können. Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine richterliche Feststellung besteht schon deswegen, weil - wie dargetan - ein Element dieses Rechtsverhältnisses im Rahmen der zunächst erhobenen Anfechtungsklage bei Erhebung des Feststellungsbegehrens schon und noch rechtshängig war und andernfalls eine unnötige Verzögerung der von allen Beteiligten erstrebten Klärung der streitigen Rechtsfrage eintreten würde.

Über den nach statthafter Klageerweiterung zulässigen Feststellungsantrag hat das LSG nicht entschieden, weil es ihn als unzulässig betrachtet hat; es hat demgemäß auch nicht die insoweit erforderliche Feststellung getroffen, ob die beiden streitigen Tongruben zusammen mit den übrigen Gruben des Unternehmens der Beigeladenen zu 1) einen auf seine Knappschaftlichkeit zu untersuchenden Betrieb oder zumindest eine selbständige Betriebsabteilung bilden. Das angefochtene Urteil war daher insoweit aufzuheben und dem LSG durch Zurückverweisung der Streitsache die Gelegenheit zu geben, diese Feststellungen nunmehr zu treffen. Die Frage der Eigenschaft eines Betriebes oder einer selbständigen Betriebsabteilung wird das LSG dabei unter Beachtung der eingangs der Entscheidungsgründe niedergelegten Rechtsauffassung des Senats zu beantworten haben.

Die sich ggf. nunmehr stellende Frage, ob der auf seine Knappschaftlichkeit zu überprüfende Betrieb oder die selbständige Betriebsabteilung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 3 RKG "überwiegend unterirdisch betrieben" wird, wird das LSG zu bejahen haben, wenn von den im Betrieb oder der selbständigen Betriebsabteilung unmittelbar bei der Gewinnung und Förderung des Tons Tätigen mehr als die Hälfte mit der unterirdischen Gewinnung und Förderung befaßt sind, wobei hier die am Schacht oder Stollenmundloch über Tage Beschäftigten noch mitzuzählen sind. Zu vergleichen ist mit dieser Zahl die Zahl der unmittelbar bei der Gewinnung und Förderung des Tons in den zum Betrieb oder selbständigen Betriebsteil gehörigen Übertage-Gewinnungsstätten entsprechend Beschäftigten. Die übrigen, vor allem die im kaufmännischen Bereich Beschäftigten des Betriebes oder der selbständigen Betriebsabteilung sind dagegen bei der Ermittlung der einander gegenüberzustellenden Zahlen außer Betracht zu lassen. Das folgt aus dem Zweck der hier auszulegenden Vorschrift; sie zielt darauf ab, Betriebe oder selbständige Betriebsteile der Industrie der Steine und Erden, die teils unterirdisch, teils oberirdisch betriebene Gewinnungsanlagen unterhalten, nur dann der Knappschaftsversicherung zuzuordnen, wenn die Steine oder Erden überwiegend unterirdisch gewonnen werden. Dahinter steht der Gedanke, daß allein das unterirdische Betreiben mit bergmännischer Arbeit gleichgestellt werden kann und die Prägung durch bergmännische Arbeit wiederum die Knappschaftspflichtigkeit des Betriebes rechtfertigt (vgl. zur Entstehungsgeschichte der Vorschrift Reuß/Hense, Komm. zum RKG, 2. Aufl. 1927, Anm. 6 bei § 2). Für das unterirdische Betreiben können mithin nicht diejenigen Angehörigen des Betriebes oder der selbständigen Betriebsabteilung charakteristisch sein, die nicht bei der eigentlichen bergmännischen Gewinnung tätig sind.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1651269

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