Leitsatz (amtlich)

Ist das einzige leibliche Kind an den Folgen einer Schädigung im Sinne des BVG gestorben, so erhöhen sich nach BVG § 51 Abs 4 die Elternrenten (BVG § 51 Abs 1) und die Einkommensgrenzen (BVG § 51 Abs 2) auch dann, wenn die Eltern nach dem Tod dieses Kindes ein fremdes Kind an Kindesstatt angenommen und keine leiblichen Kinder mehr bekommen haben.

Die Verwaltungsvorschriften zu BVG § 51 Nr 2 (Abs 1 und 2) in der Fassung der Nr 40 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 1959-09-03 (Bundesversorgungsblatt 1958 S 102 ff) sind mit BVG § 51 Abs 4 nicht vereinbar.

 

Leitsatz (redaktionell)

Zu den Versorgungsbezügen nach SGG § 148 Nr 3 gehört auch die Elternrente. Von einer "Neufeststellung" kann nur die Rede sein, wenn gleichartige Versorgungsbezüge früher bereits festgestellt worden sind. Dies kann auch der Fall sein, wenn Versorgungsbezüge, die früher bewilligt worden sind, später entzogen werden; auch in diesem Fall wird durch die Entziehung über den festgestellten Anspruch "neu" entschieden. Ist von vornherein durch Bescheid die Bewilligung der Elternrente nur für eine bestimmte Zeit erfolgt und sind danach "Versorgungsbezüge" nicht mehr zu gewähren gewesen, dann haben sie auch später nicht mehr "neu festgestellt" werden können. Mit dem Inkrafttreten des 5. Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des BVG vom 1956-06-06 ist ein neuer Anspruch auf Elternrente entstanden, über den durch Bescheid erstmals zu entscheiden ist, so daß es sich nicht um eine Neufeststellung iS des SGG § 148 Nr 3 handelt.

 

Normenkette

BVG § 51 Abs. 4 Fassung: 1957-07-01; SGG § 148 Nr. 3 Fassung: 1958-06-25; BVG § 51 Abs. 1 Fassung: 1957-07-01, Abs. 2 Fassung: 1957-07-01

 

Tenor

Die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 3. Juli 1958 werden zurückgewiesen.

Der Beklagte und die Beigeladene haben den Klägern die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I

Der Sohn der Kläger, J Sch ist am 31. März 1945 gefallen; die Kläger haben keine weiteren leiblichen Kinder, sie haben jedoch durch notariellen Vertrag vom 21. März 1951, vormundschaftsgerichtlich bestätigt am 11. Juni 1951, ein Kind an Kindes Statt angenommen. Durch Bescheid vom 30. Juli 1955 gewährte das Versorgungsamt (VersorgA.) K den Klägern Elternrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 1955, vom 1. April 1955 an wurde die Elternrente versagt, weil die Kläger nicht bedürftig seien, da ihr Einkommen die gesetzliche Einkommensgrenze übersteige. Am 25. September 1956 beantragten die Kläger, ihnen vom 1. April 1956 an, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Fünften Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des BVG vom 6. Juni 1956, wieder Elternrente zu gewähren und dabei nach § 51 Abs. 4 BVG n. F. auch zu berücksichtigen, daß ihr einziges Kind gefallen sei. Durch Bescheid vom 12. Oktober 1956 gewährte das VersorgA. vom 1. April 1956 an wieder Elternrente, die Erhöhung der Rente nach § 51 Abs. 4 BVG n. F. lehnte es jedoch ab, weil die Kläger im Jahre 1951 ein Kind an Kindes Statt angenommen hätten und der Verstorbene somit nicht mehr das einzige Kind gewesen sei. Den Widerspruch wies das Landesversorgungsamt Rheinland-Pfalz durch Bescheid vom 8. Januar 1957 zurück. Auf die hiergegen erhobene Klage verurteilte das Sozialgericht (SG.) Koblenz durch Urteil vom 22. Oktober 1957 den Beklagten, den Klägern vom 1. April 1956 an Elternrente unter Berücksichtigung des § 51 Abs. 4 BVG zu zahlen. Das Landessozialgericht (LSG.) Rheinland-Pfalz, das die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, gemäß § 75 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beigeladen hatte, wies die Berufung des Beklagten durch Urteil vom 3. Juli 1958 zurück: Die Berufung sei zulässig, es handele sich nicht nur um eine Neufeststellung der Versorgungsbezüge im Sinne von § 148 Nr. 3 SGG; eine Neufeststellung liege zwar auch dann vor, wenn die Rente entzogen und später wiedergewährt werde, jedoch nur, wenn der Anspruch - das Stammrecht - bis zur Neufeststellung fortbestanden habe; hier sei jedoch das Stammrecht erloschen gewesen, weil die Kläger nicht mehr bedürftig gewesen seien; die Berufung sei aber unbegründet, weil der gefallene Sohn das einzige Kind der Kläger gewesen sei; nach § 51 Abs. 4 BVG sollten die Eltern, die ihr letztes oder ihr einziges Kind oder alle Kinder im Kriege verloren hätten, wegen dieses besonders schweren Verlustes bevorzugt werden; weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn des § 51 Abs. 4 BVG sei ersichtlich, daß dies nicht gelten solle, wenn die Eltern nach dem Tode des einzigen Kindes ein fremdes Kind an Kindes Statt angenommen hätten; nach dem BVG sei nicht allgemein ein Adoptivkind einem leiblichen ehelichen Kind gleichgestellt, vielmehr sei jeweils besonders bestimmt, wann ein Adoptivkind wie ein leibliches Kind zu behandeln sei; für die Elternversorgung ergebe sich aus § 49 Abs. 2 BVG, daß der Tod eines Adoptivkindes den Anspruch auf Elternversorgung nur begründen könne, wenn die Adoption vor der Schädigung stattgefunden habe; hier sei die Adoption aber erst nach der Schädigung der Kläger, nämlich nach dem Tode des einzigen Kindes, erfolgt; infolgedessen könne die erhöhte Elternrente nach § 51 Abs. 4 BVG nicht mit dem Hinweis auf § 49 BVG abgelehnt werden. Die Revision ließ das LSG. zu. Das Urteil wurde dem Beklagten und der Beigeladenen am 10. Oktober 1958 zugestellt. Am 28. Oktober 1958 legte der Beklagte Revision ein und beantragte,

das Urteil des LSG. Rheinland-Pfalz vom 17. Juli 1958 (richtig: 3. Juli) und das Urteil des SG. Koblenz vom 22. Oktober 1957 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Am 27. November 1958 begründete er die Revision: Der gefallene Sohn der Kläger habe die Eigenschaft als einziges Kind im Sinne von § 51 Abs. 4 BVG durch die Annahme eines Kindes an Kindes Statt verloren; durch den Annahmevertrag sei ein echtes Eltern-Kind-Verhältnis begründet worden; ein Unterschied zwischen einem Adoptivkind und einem leiblichen Kind bestehe nicht; wenn der Tod eines Adoptivkindes zur Bewilligung der Elternrente nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 und zu der Erhöhung nach § 51 Abs. 4 BVG führen könne, sei es auch gerechtfertigt, die Erhöhung nach § 51 Abs. 4 BVG zu versagen, wenn ein Adoptivkind vorhanden sei; in diesem Sinne habe sich auch der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung in seinem Rundschreiben vom 4. März 1958 (BVBl. 1958 S. 38, 39 Nr. 18) geäußert, durch Nr. 40 (zu § 51 BVG) der Bekanntmachung zur Änderung und Ergänzung der Verwaltungsvorschriften vom 3. September 1958 (Bundesanzeiger Nr. 176 vom 13.9.1951 = BVBl. 1958 S. 102 ff.) seien die Worte "§ 51 Abs. 3" durch die Worte "§ 51 Abs. 3 und 4 " ergänzt worden.

Die Beigeladene legte am 10. November 1958 Revision ein und schloß sich den Anträgen des Beklagten an. Am 9. Dezember 1958 begründete sie ihrerseits die Revision: Die Frage, was unter "Kind" in der Elternversorgung zu verstehen sei, beurteile sich nur nach § 49 BVG; wenn in § 49 Abs. 2 Nr. 1 BVG Adoptiveltern den Eltern gleichgestellt werden, sofern sie den Verstorbenen "vor der Schädigung" an Kindes Statt angenommen hätten, so handele es sich dabei nur um die "Schädigung" des Adoptivkindes, nicht aber - wie das LSG. ausgeführt habe - um die "Schädigung" der Eltern durch den Tod des Adoptivkindes; im vorliegenden Falle sei aber das Adoptivkind nicht beschädigt worden; für die hier zu beurteilende Frage mache es deshalb keinen Unterschied, ob die Adoption vor oder nach dem Tode des einzigen leiblichen Kindes erfolgt sei, das Adoptivkind stehe auf jeden Fall einem leiblichen Kind gleich und nehme dem gefallenen Sohn die Eigenschaft eines einzigen Kindes im Sinne von § 51 Abs. 4 BVG.

Die Kläger beantragten,

die Revisionen zurückzuweisen.

Alle Beteiligten erklärten sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

II

Der Senat hat ohne mündliche Verhandlung entschieden, da die Voraussetzungen hierfür (§§ 165, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG) vorliegen.

1. Die Revision ist zugelassen (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG). Der Beklagte und die Beigeladene haben sie form- und fristgerecht eingelegt; die Bundesrepublik Deutschland, die vom LSG. nach § 75 Abs. 1 Satz 2 SGG beigeladen worden ist, hat das Recht, selbständig Revision einzulegen, sie ist auch durch das angefochtene Urteil beschwert (vgl. BSG. 2 S. 290, 291). Die Revisionen sind daher zulässig.

2. Da die Zulässigkeit der Berufung eine Voraussetzung ist, von der das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung und damit auch das Verfahren der Revisionsinstanz in seiner Rechtswirksamkeit abhängt, ist zunächst von Amts wegen zu prüfen, ob das LSG. zu Recht die Berufung für zulässig gehalten und deshalb zu Recht in der Sache selbst entschieden hat (BSG. 1 S. 227 ff. (231); 2 S. 225, 226; 2 S. 245 ff. (253,254)). Dies ist der Fall. Nach § 148 Nr. 3 SGG können in Sachen der Kriegsopferversorgung (KOV) Urteile mit der Berufung u. a. dann nicht angefochten werden, wenn sie die Neufeststellung der Versorgungsbezüge wegen Änderung der Verhältnisse betreffen. Zu den Versorgungsbezügen nach § 148 Nr. 3 SGG gehört auch die Elternrente. Bei dem angefochtenen Bescheid vom 12. Oktober 1956 handelt es sich jedoch nicht um eine "Neufeststellung" der Elternrente. Von einer "Neufeststellung" kann nur die Rede sein, wenn gleichartige Versorgungsbezüge früher bereits festgestellt worden sind; dies kann zwar auch der Fall sein, wenn Versorgungsbezüge, die früher bewilligt worden sind, später entzogen werden; auch in diesem Fall wird durch die Entziehung über den festgestellten Anspruch "neu" entschieden; darum handelt es sich hier aber nicht. Im vorliegenden Falle ist von vornherein durch den Bescheid vom 30. Juli 1955 die Elternrente nur für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 1955 bewilligt worden, für die Zeit vom 1. April 1955 an ist der Anspruch abgelehnt worden, "Versorgungsbezüge" sind nicht mehr zu gewähren gewesen, sie haben damit auch später nicht mehr "neu festgestellt" werden können. Mit dem Inkrafttreten des Fünften Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des BVG vom 6. Juni 1956 (BGBl. I S. 463) ist für die Kläger vielmehr ein neuer Anspruch auf Elternrente entstanden, über diesen Anspruch ist durch den Bescheid vom 12. Oktober 1956 erstmals entschieden worden; dabei hat es sich nicht um eine Neufeststellung im Sinne von § 148 Nr. 3 SGG gehandelt. Im Ergebnis hat das LSG. daher zu Recht entschieden, daß die Berufung zulässig gewesen ist.

3. Die Revisionen sind jedoch nicht begründet.

Nach § 51 Abs. 4 BVG n. F. erhöhen sich die Elternrente (§ 51 Abs. 1) und die Einkommensgrenze (§ 51 Abs. 2), sofern dies günstiger ist, für ein Ehepaar um 50,- DM, wenn die Eltern das einzige Kind verloren haben. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Der am 31. März 1945 gefallene Sohn Johann ist das einzige Kind der Kläger gewesen. Die Kläger haben zwar durch notariellen Vertrag vom 21. März 1951, vormundschaftsgerichtlich bestätigt am 11. Juni 1951, ein am 1. März 1945 geborenes Kind an Kindes Statt angenommen; in den Voraussetzungen, unter denen sich nach § 51 Abs. 4 BVG die Einkommensgrenzen erhöhen, hat sich dadurch jedoch nichts geändert. Zwar erlangt ein an Kindes Statt angenommenes Kind nach den §§ 1754, 1757 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) mit der gerichtlichen Bestätigung des Annahmevertrages die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes. Dies besagt jedoch noch nicht, daß auch für den Anwendungsbereich des BVG ein angenommenes Kind in jedem Falle einem ehelichen Kind gleichsteht.

Das BVG regelt nicht allgemein, wer als "Kind" im Sinne dieses Gesetzes anzusehen ist, es wird insoweit auch nicht etwa auf die Vorschriften des BGB verwiesen. Vielmehr ist im BVG bei den einzelnen gesetzlichen Tatbeständen jeweils besonders bestimmt, wer als "Kind" im Sinne der jeweiligen Vorschriften zu berücksichtigen ist. Solche Regelungen enthalten § 32 Abs. 5 BVG für die Höhe der Ausgleichsrente des Schwerbeschädigten, § 41 Abs. 1 Buchst. c BVG in Verbindung mit § 45 Abs. 2 BVG für die Ausgleichsrente der Witwe und § 45 Abs. 2 BVG für die Waisenrente. In diesen Fällen sind den ehelichen und den für ehelich erklärten Kindern u. a. auch an Kindes Statt angenommene Kinder gleichgestellt. Schon aus dieser ausdrücklichen Gleichstellung ergibt sich aber, daß das BVG nicht davon ausgegangen ist, daß die Vorschriften des BGB über das "eheliche" Kind auch für das BVG gelten, sonst hätten die an Kindes Statt angenommenen Kinder neben den "ehelichen" Kindern nicht aufgeführt zu werden brauchen, weil sie schon nach bürgerlichem Recht die Rechtsstellung eines "ehelichen" Kindes haben. Wenn in diesen Fällen außerdem Stiefkinder und unter gewissen Voraussetzungen Pflegekinder, damit also auch nicht leibliche Kinder, den ehelichen Kindern gleichgestellt sind, so liegt der Grund darin, daß diese Kinder vom Schwerbeschädigten, von der Witwe oder von einem oder beiden verstorbenen Eltern unterhalten werden oder unterhalten worden sind.

Für den Anspruch auf Elternrente sind in § 49 Abs. 2 BVG den Eltern Adoptiveltern gleichgestellt, wenn sie den Verstorbenen vor der Schädigung an Kindes Statt angenommen haben, Stief- und Pflegeeltern, wenn sie den Verstorbenen vor der Schädigung unentgeltlich unterhalten haben; die Worte "vor der Schädigung" beziehen sich dabei nur auf die Schädigung, an deren Folgen der "Beschädigte" gestorben ist, es handelt sich nicht, wie das LSG. gemeint hat, um eine "Schädigung" der Eltern, die durch den Tod des Beschädigten eingetreten wäre (vgl. die Vorschrift des § 1 Abs. 1 und 2 BVG, die auch in Nr. 4 Abs. 1 der Verwaltungsvorschriften zu § 1 zutreffend dahin erläutert ist, daß der Begriff "Schädigung" sich auf den schädigenden Vorgang, nicht aber auf die Folgen dieses Vorgangs beziehe). In § 49 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BVG ist der Anspruch auf Elternrente erkennbar als Ausgleich dafür gewährt worden, daß die "Eltern" durch den Tod des Beschädigten Unterhaltsleistungen verloren haben, und zwar Adoptiveltern den gesetzlichen Unterhaltsanspruch, den sie nach den §§ 1757, 1601 BGB haben, Stief- und Pflegeeltern den Unterhalt, den sie nicht auf Grund eines Rechtsanspruchs, sondern auf Grund der sittlichen Verpflichtung des Verstorbenen haben erwarten können, weil sie den Verstorbenen vor der Schädigung "unentgeltlich unterhalten haben" (§ 49 Abs. 2 Nr. 2 BVG). Wenn in § 49 Abs. 2 BVG Adoptiv-, Stief- und Pflegeeltern unter bestimmten Voraussetzungen ebenso behandelt werden wie Eltern, die ein "eheliches" Kind verloren haben, so ist es nur folgerichtig, daß für die Erhöhung der Elternrente (§ 51 Abs. 3 BVG) die gleichen Voraussetzungen gelten wie für die Gewährung der Elternrente an Adoptiv-, Stief- und Pflegeeltern dem Grunde nach (§ 49 Abs. 2 BVG).

Die Verwaltungsvorschriften in Nr. 2 (Abs. 1) zu § 51 BVG in der Fassung vom 9. August 1956 (BVBl. 1956 S. 106 ff. Nr. 38) mit der Änderung und Ergänzung vom 29. Oktober 1957 (BVBl. 1957 S. 174 ff.) halten sich im Rahmen des Gesetzes, wenn sie die Erhöhung der Elternrente nach § 51 Abs. 3 BVG von denselben Voraussetzungen abhängig machen, von denen die Gewährung der Elternrente gemäß § 49 BVG dem Grunde nach abhängt. Nicht mit dem Gesetz vereinbar ist aber die Neufassung der Verwaltungsvorschriften zu § 51 Nr. 2 (Abs. 1 und 2) durch Nr. 40 der Bekanntmachung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 3. September 1958 (BVBl. 1958 S. 102 ff.). Dort sind die Worte "§ 51 Abs. 3" in Nr. 2 Abs. 1 und 2 der Verwaltungsvorschriften zu § 51 BVG durch die Worte "§ 51 Abs. 3 und 4" ersetzt worden. Diese Änderung hat, wie auch der Beklagte und die Beigeladene zur Begründung ihrer Revisionen ausgeführt haben, zum Ausdruck bringen sollen, daß Eltern, die das einzige leibliche Kind verloren haben, im Sinne von § 51 Abs. 4 BVG nicht "das einzige oder das letzte Kind" verloren haben, wenn noch ein Kind vorhanden ist, dessen Tod nach § 49 Abs. 2 BVG den Anspruch auf Elternrente auslösen würde. Dieser Auslegung des § 51 Abs. 3 BVG durch die Neufassung der Verwaltungsvorschriften kann der Senat für den vorliegenden Fall nicht folgen. Es kann dahingestellt bleiben, ob Adoptiv-, Stief- und Pflegeeltern unter den in § 49 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BVG genannten Voraussetzungen dann, wenn der Verstorbene , also das Adoptiv-, Stief- und Pflegekind "das einzige Kind oder das letzte Kind" gewesen ist, die Erhöhung der Einkommensgrenzen und damit der Elternrente nach § 51 Abs. 4 BVG zu beanspruchen haben; denn um diesen Fall handelt es sich hier nicht, weil der Anspruch nicht aus dem Tod des an Kindes Statt angenommenen Kindes, sondern aus dem Tod des "ehelichen" Kindes hergeleitet wird. Die Frage, wer als "das einzige oder das letzte Kind" im Sinne von § 51 Abs. 4 BVG anzusehen ist, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt (a. A. Rundschreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 4.3.1958, BVBl. 1958 S. 38, 39 Nr. 18). Eine Regelung ergibt sich auch nicht aus der entsprechenden Anwendung der §§ 32 Abs. 4, 41 Abs. 1 Buchst. c, 45 Abs. 2 BVG; eine entsprechende Anwendung dieser Vorschriften kommt nicht in Betracht, weil es sich nicht um rechtsähnliche Tatbestände handelt. Es kann dahingestellt bleiben, ob auch die Erhöhung der Elternrente nach § 51 Abs. 3 BVG, also beim Tod mehrerer Kinder, "den Grundsatz verwirklicht, daß einem besonderen Aufopferungsanspruch auch eine besondere Entschädigung zum Ausgleich der individuellen Nachteile gebührt", ob es sich also in den Fällen des § 51 Abs. 3 BVG um ein "soziales Schmerzensgeld" handelt (so BSG. 1 S. 272 ff. (275)) oder um den Ausgleich wirtschaftlichen Schadens; jedenfalls handelt es sich im Falle des § 51 Abs. 4 BVG um ein solches "soziales Schmerzensgeld", nämlich um einen bescheidenen "Ausgleich" des besonders schweren " ideellen " Schadens, von dem solche Eltern betroffen sind, die das einzige oder letzte Kind oder alle Kinder (Abs. 4) verloren haben. Für die Frage, ob wegen des Vorhandenseins von Kindern die Beschädigtenausgleichsrente zu erhöhen (§ 32 BVG) oder die Witwenausgleichsrente zu gewähren ist (§ 41 Abs. 1 Buchst. c BVG) oder ob ein Kind Waisenrente zu beanspruchen hat (§ 45 Abs. 2 BVG), sind dagegen wirtschaftliche Gesichtspunkte maßgebend.

Bei der Anwendung des § 51 Abs. 4 BVG ist daher allein von dem noch "möglichen" Wortsinn des Gesetzes, von dem Zusammenhang, in den diese Bestimmung innerhalb des Gesetzes gestellt ist, und von dem Zweck auszugehen, den der Gesetzgeber mit der Regelung verfolgt hat. Ist, wie auch der Beklagte und die Beigeladene meinen, der Zweck des § 51 Abs. 4 BVG in einem Ausgleich des besonders schweren "ideellen" Schadens zu erblicken, den der Tod des "einzigen" Kindes bedeutet, so wird diesem Zweck nur die Auslegung gerecht, die auf das einzige leibliche Kind abstellt; diesem besonderen Opfer soll durch eine Erhöhung der Einkommensgrenzen und damit - in der Regel - der Elternrente Rechnung getragen werden. Dieses der Allgemeinheit gebrachte Opfer wird nicht dadurch ungeschehen gemacht, daß die Eltern selbst - in aller Regel aus ideellen Gründen - sich einen Ausgleich dadurch zu schaffen suchen, daß sie nach dem Tod des "einzigen" Kindes ein fremdes Kind an Kindes Statt annehmen, während für die natürliche ebenso wie für die rechtliche Betrachtung ein "Ausgleich" entsteht, wenn Eltern nach dem Tod des - damals - einzigen Kindes ein weiteres leibliches Kind bekommen. Im Ergebnis ist daher das LSG. zu Recht davon ausgegangen, daß die Eltern, die ihr einziges leibliches Kind verloren haben, nach den erhöhten Einkommensgrenzen Elternrente aus § 51 Abs. 4 BVG auch dann zu beanspruchen haben, wenn sie nach dem Tod dieses Kindes ein Kind an Kindes Statt angenommen und keine leiblichen Kinder mehr bekommen haben. Soweit in der Neufassung der Verwaltungsvorschriften in der Bekanntmachung vom 3. September 1958 eine andere Auffassung zum Ausdruck gekommen ist, ist sie mit § 51 Abs. 4 BVG nicht vereinbar und daher für die Gerichte nicht bindend, die Verwaltungsvorschriften enthalten keine "authentische Auslegung" des Gesetzes (vgl. BSG. 6 S. 252 ff. (254, 255) mit weiteren Hinweisen).

Das LSG. hat sonach im vorliegenden Falle die Berufung zu Recht zurückgewiesen, die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen sind daher zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 295

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