Leitsatz (redaktionell)

Erklärt sich ein Rentner damit einverstanden, daß der Fürsorgeverband in Höhe der gewährten Fürsorgeunterstützung Ersatz aus seiner Rente erhält, so ist darin eine Abtretung iS des BGB § 398 zu erblicken, so daß die BGB §§ 407 Abs 1 412 anwendbar sind. Eine spätere Überleitungsanzeige nach FürsPflV § 21a ist hiernach unbeachtlich.

 

Normenkette

BGB § 398 Fassung: 1896-08-18, § 407 Abs. 1 Fassung: 1896-08-18, § 412 Fassung: 1896-08-18; FürsPflV § 21a Fassung: 1924-02-13

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 8. Februar 1966 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Der Kriegsbeschädigte B (B.) beantragte 1949 Versorgungsrente nach der Sozialversicherungsdirektive (SVD) Nr. 27. Aus diesem Anlaß übersandte die Beklagte der Versorgungsbehörde eine Erklärung des B. vom 11. März 1949, in der er sich damit einverstanden erklärte, daß die Beklagte als Fürsorgeverband in Höhe der gewährten Fürsorgeunterstützung Ersatz aus der Rente erhält. Die Versorgungsbehörde lehnte mit Bescheid vom 21. Juni 1949 den Versorgungsantrag ab. Das Oberversicherungsamt (OVA) entschied am 5. November 1951, daß chronischer Gelenkrheumatismus im Sinne einer einmaligen Verschlimmerung als Wehrdienstbeschädigung (WDB) mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 v. H. anerkannt werde. Im Januar 1952 teilte die Beklagte dem Versorgungsamt (VersorgA) mit, daß sie hiermit nochmals Ersatzanspruch auf KB-Rente anmelde. Mit Verfügung vom 28. Februar 1952 führte das VersorgA das Urteil des OVA in Form einer ab 6. November 1951 beginnenden vorläufigen Rentenzahlung von monatlich 15.- DM aus und teilte B. gleichzeitig mit, daß vorsorglich Rekurs eingelegt wurde, ferner, daß aus der Nachzahlung von 87,50 DM dem Wohlfahrtsamt Bielefeld für geleistete Fürsorgeunterstützung ein Betrag von 72,50 DM erstattet werde. Nachdem der Rekurs als Berufung auf das Landessozialgericht (LSG) übergegangen war, schlossen die Rechtsnachfolger des inzwischen verstorbenen B. am 29. Mai 1961 vor dem LSG folgenden Vergleich:

a.) Der Beklagte erkennt an, daß bei dem verstorbenen B. eine primär-chronische Polyarthritis durch den militärischen Dienst einmalig verschlimmert worden war.

b.) Die Kläger nehmen die Klage (früher Berufung) gegen die Entscheidung des Beschwerdeausschusses Bielefeld vom 6. März 1950 zurück, so daß das Urteil des OVA Detmold vom 5. November 1951 gegenstandslos ist. Eine Rückforderung unterbleibt entsprechend § 214 Abs. 6 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Mit Schreiben vom 17. April 1962 forderte das VersorgA von der Beklagten den Betrag von 72,50 DM unter Hinweis auf § 81 b des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zurück. Die Beklagte lehnte eine Rückzahlung ab. Die daraufhin vom Land als jetzigen Kläger erhobene Klage wurde mit Urteil des Sozialgerichts (SG) vom 9. April 1965 abgewiesen. Dem Kläger wurden die außergerichtlichen Kosten der Beklagten auferlegt. Auf die zugelassene Berufung änderte das LSG mit Urteil vom 8. Februar 1966 das SG-Urteil hinsichtlich der Kostenentscheidung ab und wies im übrigen die Berufung zurück. Das Urteil des OVA habe hinsichtlich der gewährten Leistungen nach § 214 Abs. 6 SGG als rechtskräftig gegolten, weil der Kläger die Leistungen nicht hätte zurückfordern dürfen. Diese Rechtswirkung trete auch zwischen dem Land und der Beklagten ein, weil die Fürsorgeleistung subsidiärer Art sei und der Bezirksfürsorgeverband grundsätzlich die gewährten Leistungen habe zurückfordern können. Es entspreche dem Wesen der Subsidiarität der Fürsorgeunterstützung, daß der Fürsorgeträger bei Gewährung einer Rentennachzahlung das zurückerhalte, was er bei sofortiger Zahlung der Rente nicht hätte zu leisten brauchen. Hätte der Kläger nach Urteilserlaß sofort die Rente an B. gezahlt, dann hätte die Beklagte keine Fürsorgeunterstützung leisten müssen. Im übrigen sei der Ausschluß der Rückforderung in § 214 Abs. 6 Satz 2 SGG in keiner Weise beschränkt; die Rückforderung könne auch nicht auf § 81 b BVG gestützt werden, weil der Fürsorgeverband keine "andere Behörde" im Sinne dieser Bestimmung sei.

Mit der zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung des öffentlich-rechtlichen Grundsatzes, wonach unrechtmäßig empfangene Leistungen zu erstatten sind, ferner Verletzung der §§ 214 Abs. 6 Satz 2 SGG, 21 a der Reichsverordnung über die Fürsorgepflicht (FürspflVO) vom 13. Februar 1924 (RGBl I 100) und des § 81 b BVG. Leistungen, die eines rechtlichen Grundes entbehrten, seien im öffentlichen Recht zu erstatten, und zwar auch dann, wenn der Rechtsgrund nachträglich rückwirkend wegfalle. Das OVA-Urteil sei durch den Vergleich gegenstandslos geworden, womit der Rechtsgrund für die Zahlung der 72,50 DM weggefallen sei. Da das OVA-Urteil vom LSG nicht aufgehoben worden sei, komme § 214 Abs. 6 Satz 2 SGG nicht zum Zuge. Ob eine entsprechende Anwendung Platz greife, könne dahinstehen, da der Vergleich eine solche Regelung enthalte. Die Vorschrift des § 214 Abs. 6 Satz 2 SGG gelte nur für die am Prozeß Beteiligten, also nicht für die Beklagte, die an dem damaligen Rechtsstreit nicht beteiligt gewesen sei. Der Vergleich enthalte keine Vereinbarungen zugunsten Dritter. Die Überleitung nach § 21 a FürspflVO habe nur einen Gläubigerwechsel bewirkt; diese Vorschrift deute mit keinem Wort an, daß es bei einem Wegfall des Rechtsgrundes bei der ungerechtfertigten Vermögensverschiebung verbleiben solle. Von einem unlauteren Verhalten könne keine Rede sein. Zu Unrecht meine das LSG, daß der Fürsorgeverband keine andere Behörde im Sinne des § 81 b BVG sei.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung der Urteile des LSG vom 8. Februar 1966 und des SG vom 9. April 1965 die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 72,50 DM zu zahlen, hilfsweise, unter Aufhebung des LSG-Urteils die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Das LSG-Urteil sei zutreffen. Da es im Vergleich nur heiße, das OVA-Urteil sei gegenstandslos, sei es zumindest fraglich, ob eine rückwirkende Aufhebung gemeint sein sollte. Auf jeden Fall werde im Vergleich wie im Gesetz eine Rückforderung ausgeschlossen. Der Vergleich müsse hier wie ein Urteil behandelt werden.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 SGG).

Die durch Zulassung statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164, 166 SGG); sachlich konnte sie keinen Erfolg haben.

Für den vorliegenden Rechtsstreit ist der Weg zu den Sozialgerichten gegeben (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 26. April 1967 - 9 RV 1072/65 -).

Der Senat konnte unerörtert lassen, ob der in § 214 Abs. 6 Satz 2 SGG bestimmte Ausschluß der Rückforderung gewährter Leistungen nur für (Versicherte und) Versorgungsberechtigte oder unter gewissen Umständen unmittelbar auch für am Rechtsstreit nicht beteiligte Dritte gilt, ferner, wie der Sachverhalt nach § 81 b BVG oder nach den Grundsätzen über den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch zu beurteilen ist. Denn die Frage, ob der im Jahre 1952 an den Beklagten gezahlte Betrag von 72,50 DM nach Abschluß des Vergleichs im Jahre 1961 zurückgefordert werden kann, richtet sich nach den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über die Abtretung, und zwar gleichgültig, ob man mit dem LSG und dem Kläger eine Überleitungsanzeige des Fürsorgeverbandes nach § 21 a FürspflVO oder eine gewöhnliche Abtretung des B. annimmt. Im letzteren Fall sind die §§ 398 ff des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) unmittelbar, im ersteren Fall gemäß § 412 BGB die §§ 399 - 404 und 406 - 410 BGB entsprechend auf den vorliegenden Sachverhalt anzuwenden. Auch bei der Überleitungsanzeige tritt der Fürsorgeverband an die Stelle des Hilfsbedürftigen (Jehle, Handkommentar zum Fürsorgerecht 3. Aufl. Anm. 2 b zu § 21 a FürspflVO). In der Erklärung des B. vom 11. März 1949, er sei damit einverstanden, daß die Beklagte als Fürsorgeverband in Höhe der gewährten Fürsorgeunterstützung Ersatz aus der Rente erhalte, ist allerdings eine Abtretung im Sinne des § 398 BGB zu erblicken, die kurze Zeit nach Stellung des Versorgungsantrages und noch vor Erlaß des Ablehnungsbescheides vom 21. Juni 1949 vorgenommen wurde. Unter diesen Umständen kann dahinstehen, ob das spätere Schreiben der Beklagten vom 29. Januar 1952, mit dem "nochmals Ersatzanspruch" angemeldet und um Überweisung der 72,50 DM gebeten wurde, eine Überleitungsanzeige nach § 21 a FürspflVO oder eine bloße Erinnerung darstellt. Nach der in beiden Fällen hier anwendbaren Vorschrift des § 407 Abs. 1 BGB (vgl. § 412 BGB; BSG 13, 94, 96 ff) muß der neue Gläubiger jedes Rechtsgeschäft, das nach der Abtretung zwischen dem Schuldner und dem bisherigen Gläubiger in Ansehung der Forderung vorgenommen wird, gegen sich gelten lassen, es sei denn, daß der Schuldner die Abtretung bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts kennt. Diese Vorschrift dient dem Schutz des Schuldners (hier des Klägers) (vgl. auch Zeihe, ZfS, 1967, 257), der letzte Halbsatz, der mit "es sei denn" beginnt, läßt jedoch die Rechte des neuen Gläubigers, (hier der Beklagten), unberührt. Denn wenn der neue Gläubiger an dem nach der Abtretung vorgenommenen - ihm ungünstigen - Rechtsgeschäft zwischen dem Schuldner und dem bisherigen Gläubiger nicht beteiligt wurde, so kann er sich darauf berufen, daß der Schuldner die Abtretung bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts gekannt hat, mit der Folge, daß der neue Gläubiger das Rechtsgeschäft nicht gegen sich gelten lassen muß. Bei dem Abschluß des Vergleichs vom 29. Mai 1961 handelt es sich um ein Rechtsgeschäft im Sinne dieser Vorschrift, bei dem die Beklagte, wie die Revision selbst hervorhebt, nicht beteiligt gewesen ist. Der neue Gläubiger braucht sich nicht auf § 407 Abs. 1 letzter Halbsatz BGB zu berufen, da es sich nur um eine Schutzvorschrift zu seinen Gunsten handelt (vgl. Palandt Komm. zum BGB 26. Aufl. Anm. 1 I zu § 407 für den gleichgelagerten Fall des Schuldnerschutzes nach § 407 Abs. 1, 1. Halbsatz; ferner BSG 10, 162 zu § 409 BGB). Er kann das ohne seine Beteiligung vorgenommene Rechtsgeschäft ignorieren, er kann aber auch die Verfügung des früheren Gläubigers als eines - hinsichtlich der übergegangenen Forderung - Nichtberechtigten nach § 185 Abs. 2 Satz 1 BGB noch nachträglich genehmigen und damit die Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes insoweit herbeiführen. Die Beklagte hat den Vergleich dadurch genehmigt, daß sie sich zu ihren Gunsten auf ihn berief. Sie hat im Berufungsverfahren geltend gemacht, der Kläger sei durch das Urteil des OVA Detmold vom 5. November 1951 zur Leistung verpflichtet, diese Verpflichtung sei durch den Vergleich vom 29. Mai 1961 nicht weggefallen, eine Rückforderung der gewährten Leistungen habe hiernach zu unterbleiben. Daraus ist zu schließen, daß die Beklagte den Vergleich mindestens insoweit genehmigt hat. Deshalb kann sie sich auch zu ihren Gunsten auf die Wirksamkeit der rechtsgeschäftlich in den Vergleich aufgenommenen Bestimmung, daß eine Rückforderung unterbleibt, berufen. Nicht anders würde zu entscheiden sein, wenn in der Berufung der Beklagten auf den Vergleich keine Genehmigung zu erblicken wäre. Der Kläger kannte die Abtretung schon seit vielen Jahren, nämlich seit 1949. Unter diesen Umständen mußte sich die Beklagte, wenn sie das Rechtsgeschäft nicht genehmigen wollte, den Verzicht der Rechtsnachfolger des Altgläubigers auf die durch das OVA-Urteil erlangte Rechtsposition, die Grundlage des ihr gewährten Ersatzes von 72,50 DM war, nicht entgegenhalten lassen. Zwar hatte sie 1951/1952 mit Rücksicht auf den vom Kläger eingelegten Rekurs zunächst nur eine Forderung erlangt, die mit der auflösenden Bedingung behaftet war, daß sie im Falle einer Aufhebung des Urteils durch die Rekurs- (später Berufungs-)instanz hinfällig werden konnte (§ 404 BGB). Diese der Forderung anhaftende auflösende Bedingung konnte jedoch seit dem 1. Januar 1954 (§ 224 Abs. 1 SGG) mit Rücksicht auf die Bestimmung des § 214 Abs. 6 Satz 2 SGG, daß bei einer Aufhebung von OVA-Urteilen, die eine Leistung zusprachen, eine Rückforderung der gewährten Leistungen ausgeschlossen ist, jedenfalls für die Vergangenheit - und allein auf diese kommt es hier an - nicht mehr eintreten. Hinsichtlich der dem kriegsbeschädigten B. vor dem 1. Januar 1954 gewährten bzw. auf seine Rechnung an Dritte erbrachten Leistung ist somit damals die fragliche auflösende Bedingung weggefallen.

Daran wollte im Ergebnis offensichtlich auch der Vergleich nichts ändern; hier heißt es im Gegenteil ausdrücklich, daß eine Rückforderung "entsprechend § 214 Abs. 6 SGG" unterbleibt; der Vergleich hat somit die bestehende Rechtslage nur bestätigt.

Die Beklagte hat nach alledem keine Leistung erlangt, die eines rechtlichen Grundes entbehrt (BSG 16, 151, 156) und ist daher auch nicht zur Erstattung des Betrages von 72.50 DM an den Kläger verpflichtet.

Da sonach das Urteil des LSG im Ergebnis nicht zu beanstanden war, mußte die Revision als unbegründet zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 4 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2296958

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