Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufhebung eines Anerkennungsbescheides

 

Leitsatz (amtlich)

Die betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld nach § 64 Abs 1 Nr 3 AFG liegen nur vor, wenn für jeden Arbeitnehmer, der zu dem Drittel bzw Zehntel der tatsächlich beschäftigten Arbeitnehmer gehört, in dem jeweiligen Kurzarbeitszeitraum persönlich mehr als 10 vH seiner Arbeitszeit ausgefallen sind.

 

Orientierungssatz

Durch den Anerkennungsbescheid (§ 72 Abs 1 S 4 AFG) wird ein entsprechender Anspruch dem Grunde nach anerkannt; es handelt sich um den verselbständigten Teil einer Entscheidung, durch die Leistungen gewährt werden. Solche Grundbescheide sind Entscheidungen iS des § 151 Abs 1 AFG (vgl BSG 1979-10-02 7 RAr 15/78 = SozR 4100 § 78 Nr 3).

 

Normenkette

AFG § 64 Abs 1 Nr 3 Fassung: 1969-06-25, § 72 Abs 1 S 4 Fassung: 1969-06-25, § 151 Abs 1 Fassung: 1969-06-25

 

Verfahrensgang

Hessisches LSG (Entscheidung vom 25.10.1979; Aktenzeichen L 1 Ar 75/78)

SG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 28.11.1977; Aktenzeichen S 15/7/14 Ar 356/76)

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit betrifft die Gewährung von Kurzarbeitergeld (Kug).

Die Klägerin, bei der eine Betriebsvertretung nicht errichtet ist, zeigte am 8. Oktober 1974 der Beklagten an, daß sie wegen Auftragsmangels für ihre Betriebsabteilung "Fliesenverlegung" Kurzarbeit einführe. Mit Bescheid vom 18. November 1974 erkannte die Beklagte an, daß den Arbeitnehmern der Betriebsabteilung ab 14. Oktober 1974 Kug gewährt werden könne. Diesen Bescheid hob die Beklagte mit Wirkung vom 1. Oktober 1975 durch den angefochtenen Bescheid vom 31. März 1976 auf, da die betrieblichen Voraussetzungen nach § 64 Abs 1 Nr 3 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) vom 25. Juni 1969 (BGBl I 582) nicht mehr vorlägen. Nur ein Arbeitnehmer habe im Oktober 1975 einen Ausfall von mehr als 10 vH seiner Arbeitszeit gehabt. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 28. April 1976 zurück.

Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) durch Urteil vom 28. November 1977 Bescheid und Widerspruchsbescheid aufgehoben. Die vom SG zugelassene Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 25. Oktober 1979 zurückgewiesen. Zur Begründung seines Urteils hat das LSG ausgeführt, entgegen der Ansicht der Beklagten seien die Mindestvoraussetzungen des § 64 Abs 1 Nr 3 AFG auch für den Monat Oktober 1975 gegeben. In dieser Zeit sei für ein Zehntel der in der Betriebsabteilung tatsächlich beschäftigten Arbeitnehmer mehr als ein Zehntel ihrer Arbeitszeit ausgefallen. Sechs Arbeitnehmer hätten im Oktober 1975, wie nach der Beweisaufnahme nicht zweifelhaft sei, einen durchschnittlichen Ausfall von je 18,66 Arbeitsstunden gehabt; damit sei mehr als 10 vH ihrer monatlichen Arbeitszeit von 184 Stunden (= 23 Tage zu je 8 Stunden) ausgefallen. Es sei nicht erforderlich, daß bei jedem Kurzarbeiter ein Ausfall von 10 vH vorgelegen habe. Vielmehr sei auf die Gesamtzeit aller von Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer abzustellen. Das Gesetz stelle allein auf den Betrieb bzw die Betriebsabteilung ab und fordere nur insoweit einen Mindestumfang des Arbeitsausfalls. Die restriktive Praxis der Beklagten beeinträchtige die Zielsetzung, Arbeitsplätze und eingearbeitete Belegschaften zu erhalten; außerdem führe sie zu Zufallsergebnissen.

Die Beklagte rügt mit der Revision eine Verletzung des § 64 Abs 1 Nr 3 AFG und führt hierzu aus: Entgegen der Ansicht des LSG beziehe sich die Formulierung "für mindestens ein Zehntel der in dem Betrieb tatsächlich beschäftigten Arbeitnehmer mehr als 10 vH der Arbeitszeit ausfällt" nicht auf den Gesamtarbeitsausfall, sondern sei individuell zu beurteilen. Das folge schon aus dem Hinweis auf § 69 AFG. Der § 64 Abs 1 Nr 3 AFG sei an die Stelle des § 117 Abs 1 Nr 3 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) getreten. Nach dieser Vorschrift seien bei der Prüfung der betrieblichen Voraussetzungen individuell die Arbeitnehmer gezählt worden, die weniger als fünf Sechstel ihrer Arbeitszeit gearbeitet hatten; auf den Betriebsdurchschnitt sei es nicht angekommen. Das AFG habe zwar bei den persönlichen Anspruchsvoraussetzungen die Mindestgrenze ganz beseitigt, bei den betrieblichen Voraussetzungen die Mindestgrenzen aber lediglich herabgesetzt. Im übrigen sei es bei der bisherigen Regelung verblieben, durch die Bagatellfälle ausgeschlossen werden sollten. Daher müsse nach wie vor bei jedem Arbeitnehmer, der zur Mindestquote gezählt werden solle, der Mindestausfall vorliegen. Erst wenn diese betrieblichen Voraussetzungen erfüllt seien, hätten alle Arbeitnehmer, die vom Ausfall betroffen seien, Anspruch auf Kug nach Maßgabe der jeweiligen Ausfallzeit. Gerade die Ansicht des LSG führe zu Zufallsergebnissen. So habe von den 31 Kurzarbeitern der 58 Beschäftigten der Klägerin im Oktober 1975 ein Arbeitnehmer einen Ausfall von 32 Stunden und damit erheblich mehr als 10 vH seiner Arbeitszeit erlitten. Der Ausfall aller anderen Arbeitnehmer habe 16 Stunden nicht überschritten; sie seien alle unter der 10-vH-Grenze geblieben. Das Ergebnis des LSG werde nur erreicht, indem der Arbeitsausfall des Arbeitnehmers mit 32 Ausfallstunden mit dem Ausfall von fünf weiteren Arbeitnehmern mit 16 Ausfallstunden addiert und durch sechs dividiert werde.

Die Beklagte beantragt,

die Urteile des LSG und des SG aufzuheben

und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie trägt vor, die Rechtsansicht der Beklagten sei der gesetzlichen Regelung nicht zu entnehmen. Sie stehe im Widerspruch zur betriebsverfassungsrechtlich normierten Gestaltungsmöglichkeit, die dem Arbeitgeber im Einvernehmen mit dem Betriebsrat bzw mit den betroffenen Arbeitnehmern einen eigenen Entscheidungsspielraum überlasse. Im Einzelfall könnten berechtigte betriebsinterne Erwägungen (zB Rücksicht auf Schwerbehinderte, die Wegelänge und die Art der Tätigkeit) es geboten erscheinen lassen, einzelne Kurzarbeiter mit weniger als 10 vH am Arbeitsausfall zu beteiligen. Die Ansicht der Beklagten schränke das Mitwirkungsrecht der Betriebsvertretung ein. Da § 64 AFG die Mindesterfordernisse unterschiedslos für Betriebe mit und ohne Betriebsvertretung festlege, spiele es keine Rolle, daß bei der Klägerin eine Betriebsvertretung nicht vorhanden sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Nach den der Entscheidung des LSG zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen sind die angefochtenen Bescheide nicht rechtswidrig.

Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide sind die §§ 64 Abs 1 Nr 3, 72 Abs 1 Satz 4 sowie § 151 Abs 1 AFG. Nach der letztgenannten Vorschrift sind Entscheidungen, durch die Leistungen bewilligt worden sind, insoweit aufzuheben, als die Voraussetzungen für die Leistungen nicht vorgelegen haben oder weggefallen sind. Durch den Bescheid vom 18. November 1974, den die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden mit Wirkung vom 1. Oktober 1975 aufgehoben hat, hat die Beklagte zwar noch keine Leistungen bewilligt. Sie hat durch den Bescheid vom 18. November 1974 jedoch aufgrund der Anzeige und der glaubhaft gemachten Angaben gemäß § 72 Abs 1 Satz 4 AFG anerkannt, daß die Voraussetzungen für die Gewährung von Kug nach den §§ 63 und 64 AFG vorliegen. Die Anerkennung gibt den Betroffenen, insbesondere dem Arbeitgeber, der das Kug zu errechnen und auszuzahlen hat, die Zusicherung, daß die Beklagte den Arbeitnehmern Kug gewährt, sofern die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen gegeben sind und die betrieblichen Voraussetzungen entsprechend der Anzeige bzw der Glaubhaftmachung vorliegen oder, soweit es sich um künftige Tatsachen handelt, tatsächlich auch eintreten. Damit ist ein entsprechender Anspruch dem Grunde nach anerkannt worden; es handelt sich um den verselbständigten Teil einer Entscheidung, durch die Leistungen gewährt werden. Solche Grundbescheide sind, die der Senat schon entschieden hat (BSG SozR 4100 § 78 Nr 3), Entscheidungen im Sinne des § 151 Abs 1 AFG. Im übrigen entspricht es dem mit dem Anerkennungsbescheid nach § 72 Abs 1 Satz 4 AFG verfolgten Zweck und dem wohlverstandenen Interesse der Betroffenen, wenn die Beklagte den Anerkennungsbescheid aufhebt, sobald sie erkennt, daß wegen zwischenzeitlichen Wegfalls der betrieblichen Voraussetzungen von einem bestimmten Zeitpunkt an Kug nicht mehr gewährt werden kann. Die Aufhebung schränkt die ausgesprochene Zusicherung ein und eröffnet in diesem Umfange Arbeitgeber und Betriebsrat, sofern sie die betrieblichen Voraussetzungen der Kug-Gewährung für gegeben erachten, im allgemeinen die Möglichkeit, in Prozeßstandschaft für die Arbeitnehmer den Aufhebungsbescheid anzufechten, wie sie bei Ablehnung eines Anerkennungsbescheides nach § 72 Abs 1 Satz 4 AFG Klage erheben können. Die Aufhebung des Anerkennungsbescheides wegen zwischenzeitlichen Wegfalls der betrieblichen Voraussetzungen wird vom Schrifttum zugelassen (vgl Gebhardt, Kurzarbeitergeld, § 72 AFG Anm 18; Hennig/Kühl/Heuer, Komm zum AFG, § 72 RdNr 11 und § 81 RdNr 7, 11. Ergänzungslieferung; Krebs, Komm zum AFG, § 72 RdNr 11, Oktober 1979; Schmidt in Eckert ua, Gemeinschaftskommentar -GK- zum AFG, § 64 RdNr 20, April 1976).

Nach § 64 Abs 1 Nr 3 AFG setzt die Gewährung von Kug voraus, daß in dem Betrieb (bzw einer Betriebsabteilung, vgl § 63 Abs 3 AFG) in einem zusammenhängenden Zeitraum von mindestens vier Wochen, der mit dem Tage beginnt, an dem ein Arbeitsausfall erstmals nach Eingang der Anzeige eintritt, für mindestens ein Drittel, danach in einem zusammenhängenden Zeitraum von jeweils mindestens vier Wochen für mindestens ein Zehntel der in dem Betrieb tatsächlich beschäftigten Arbeitnehmer mehr als 10 vH der Arbeitszeit (§ 69 AFG) ausfällt. Nach den tatsächlichen Feststellungen, die das LSG seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, fehlt es an diesen Voraussetzungen für den weiteren Kurzarbeitszeitraum vom 1. bis 31. Oktober 1975. Den Arbeitnehmern der Klägerin konnte daher ab 1. Oktober 1975 kein Kug weitergewährt werden, wie die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zutreffend entschieden hat.

Nach den Ausführungen des LSG bestand ein Zehntel der in der Betriebsabteilung tatsächlich beschäftigten Arbeitnehmer aus sechs Arbeitnehmern. Dem Urteil fehlt zwar eine ausdrückliche Feststellung der Zahl der tatsächlich beschäftigten Arbeitnehmer; jedoch bestreitet die Revision insoweit nicht das Ergebnis des LSG; ihr Vorbringen, es seien 58 Arbeitnehmer beschäftigt gewesen, bestätigt dieses vielmehr. Das LSG hat nicht festgestellt, daß für sechs Arbeitnehmer im Oktober 1975 die Arbeitszeit um je mehr als 10 vH ausgefallen ist. Es hat es vielmehr für den Anspruch auf Kug als ausreichend angesehen, daß sechs Arbeitnehmer, gleicht man ihren unterschiedlichen Arbeitsausfall untereinander aus, durchschnittlich einen Ausfall von mehr als 10 vH ihrer Arbeitszeit erlitten haben. Dem kann nicht gefolgt werden. Die betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kug in einem weiteren Kurzarbeitszeitraum nach § 64 Abs 1 Nr 3 AFG liegen nur vor, wenn für jeden der Arbeitnehmer, der zu dem Zehntel gehört, in dem jeweiligen Zeitraum persönlich mehr als 10 vH seiner Arbeitszeit ausgefallen ist (so zutreffend Hennig/Kühl/Heuer, Komm zum AFG, § 64 Anm 10, 5. Ergänzungslieferung; Schmidt in Eckert ua, GK-AFG, § 64 RdNr 21, April 1976; Geffens/Schwarz, Komm zum AFG, § 64 RdNr 5, Oktober 1976; anderer Ansicht Gebhardt, Kurzarbeitergeld, § 64 Anm 41; Schönefelder/Kranz/Wanka, Komm zum AFG, § 64 RdNr 43 f, anders jedoch RdNr 42!).

Gegen die vom LSG für zutreffend gehaltene Auslegung spricht schon, daß § 64 Abs 1 Nr 3 AFG wegen des Begriffs der Arbeitszeit auf § 69 AFG verweist. Nach dieser Vorschrift ist Arbeitszeit die regelmäßige betriebsübliche wöchentliche Arbeitszeit, soweit sie die tarifliche wöchentliche, oder, wenn eine solche nicht besteht, die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit gleicher oder ähnlicher Betriebe nicht überschreitet. Was betriebsüblich ist, ist individuell für die betroffenen Arbeitnehmer zu ermitteln (BSG SozR 4100 § 69 Nr 2). Ist aber schon die Arbeitszeit der Arbeitnehmer, die das Zehntel bilden sollen, individuell zu ermitteln, kann für die Ermittlung der Ausfallstunden und ihres Verhältnisses zur Arbeitszeit (§ 69 AFG) nichts anderes gelten. Für jeden Arbeitnehmer, der zu dem Zehntel gezählt werden soll, muß ein Zehntel seiner üblichen Arbeitszeit ausgefallen sein.

Dieses Ergebnis bestätigt der Zweck des § 64 Abs 1 Nr 3 AFG, Kug nur zu gewähren, wenn eine Mindestzahl aller Arbeitsverhältnisse eines Betriebes bzw einer Betriebsabteilung wegen des Arbeitsausfalls gefährdet ist.

Anders als nach § 120 Abs 2 Nr 2 AVAVG setzt der Anspruch des einzelnen Arbeitnehmers auf Kug nicht mehr voraus, daß er einen Arbeitsausfall von mehr als einem Sechstel der betriebsüblichen Arbeitszeit erleidet (vgl § 65 AFG). Nach dem AFG wird das Kug, wie der Senat schon entschieden hat, dem einzelnen Arbeitnehmer für jeden Lohnausfall gewährt, den er infolge einer oder mehrerer Ausfallstunden erleidet, die auf wirtschaftlichen Ursachen einschließlich betrieblicher Strukturveränderungen oder auf unabwendbaren Ereignissen beruhen und unvermeidbar sind (vgl das zur Veröffentlichung vorgesehene Urteil vom 21. Mai 1980 - 7 RAr 27/79 -). Jedoch ist der Anspruch auf Kug davon abhängig, daß der Arbeitnehmer in einem Betrieb beschäftigt ist, in dem überhaupt Kug gewährt wird, dh ua, in dem die betrieblichen Voraussetzungen des § 64 Abs 1 Nr 3 AFG vorliegen (§ 65 Abs 1 Nr 1 AFG). Erst beim Vorliegen der in § 64 AFG geforderten betrieblichen Voraussetzungen wird allen Arbeitnehmern des Betriebes nach Maßgabe der jeweiligen Ausfallstunden Kug gewährt.

Rechnet man die Mindesterfordernisse in § 64 Abs 1 Nr 3 AFG um, so würde sich ergeben, daß schon ein Ausfall von mehr als 3,33 vH der betriebsüblichen Arbeitszeiten aller Beschäftigten des Betriebes bzw der Betriebsabteilung zusammen für den ersten und ein Ausfall von mehr als 1 vH für den sich jeweils anschließenden Kurzarbeitszeitraum zur Kug-Gewährung führen könnte. Das Gesetz verlangt weder solche Ausfallquoten, noch läßt es diese oder bestimmte höhere betriebliche Ausfallquoten genügen. So können schon bei einer geringeren Quote die Voraussetzungen des § 64 Abs 1 Nr 3 AFG erfüllt sein, zB, wenn der Arbeitsausfall vornehmlich die Teilzeitbeschäftigten eines Betriebes trifft. Andererseits können trotz eines ansehnlichen Arbeitsausfalls die betrieblichen Voraussetzungen des § 64 Abs 1 Nr 3 AFG fehlen. Das ist der Fall, wenn vom Arbeitsausfall weniger als ein Drittel bzw ein Zehntel der Belegschaft betroffen ist, die betroffenen Arbeitnehmer aber jeweils in erheblichem Umfange Arbeitsausfall erleiden. Ebenso fehlt es an den Mindestquoten bei Ausfällen bis zu 10 vH, wenn alle Arbeitnehmer gleichmäßig vom Arbeitsausfall betroffen werden. Indem das Gesetz statt von einer bestimmten betrieblichen Ausfallquote die Kug-Gewährung davon abhängen läßt, daß für ein Drittel bzw ein Zehntel der Arbeitnehmer des Betriebes bzw der Betriebsabteilung ein Ausfall von mehr als 10 vH der üblichen Arbeitszeit eintritt, stellt es auf den Anteil der durch den Arbeitsausfall qualifiziert betroffenen Arbeitnehmer ab. Dies geschieht, weil die Arbeitsverhältnisse der qualifiziert betroffenen Arbeitnehmer als gefährdet angesehen werden. So hat der Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren seine vom Bundestag verwirklichte Anregung, bei den betrieblichen Voraussetzungen schon einen Arbeitsausfall von mehr als 10 vH (statt der vom Regierungsentwurf vorgesehenen 15 vH) des Drittels bzw des Zehntels der Belegschaft ausreichen zu lassen, damit begründet, daß schon ein 10 vH übersteigender Ausfall einen spürbaren, unter Umständen das Arbeitsverhältnis gefährdenden Einkommensverlust mit sich bringt (Senator Weiß, Bundesratsprotokolle 1967, 236 A; vgl Nr 31 der Stellungnahme des Bundesrates zum AFG-Entwurf, BT-Drucks V 2291 S 109). Geht es in § 64 Abs 1 Nr 3 AFG mithin um die Anzahl der gefährdeten Arbeitsverhältnisse, ergibt sich zwingend, daß zu dem erforderlichen Drittel bzw zu dem Zehntel nur solche Arbeitnehmer gezählt werden dürfen, die persönlich einen Ausfall von mehr als 10 vH ihrer üblichen Arbeitszeit hatten. Sind nicht ein Drittel bzw ein Zehntel der Belegschaft in diesem Umfange persönlich vom vorübergehenden Arbeitsausfall betroffen, so sieht das Gesetz kein Bedürfnis, Kug zu gewähren bzw weiterzugewähren.

Zutreffend weist die Revision darauf hin, daß dieses Verständnis des § 64 Abs 1 Nr 3 AFG der Rechtsentwicklung entspricht. Schon das AVAVG hat den Kug-Anspruch des einzelnen Arbeitnehmers davon abhängig gemacht, daß bestimmte betriebliche Voraussetzungen erfüllt waren. Nach dem früheren § 117 Abs 1 Nr 3 AVAVG war die Gewährung von Kug in einem Betrieb ua davon abhängig, daß in dem ersten Kurzarbeitszeitraum von der Mehrheit der tatsächlich beschäftigten Arbeitnehmer weniger als fünf Sechstel der betriebsüblichen Arbeitszeit gearbeitet wurde. Um dies festzustellen, wurden am Schluß der Doppelwoche die Arbeitnehmer gezählt, die in diesem Zeitraum weniger als fünf Sechstel ihrer Arbeitszeit gearbeitet hatten (vgl Dräger/Buchwitz/Schönefelder, Komm zum AVAVG, § 117 RdNr 25). Für die folgenden Kurzarbeitszeiträume stellte § 117 Abs 2 AVAVG darauf ab, daß die Zahl der bezugsberechtigten Kurzarbeiter in dem Betrieb mehr als 10 vH der in dem ersten Kurzarbeitszeitraum tatsächlich beschäftigten Arbeitnehmer betrug. Da Anspruch auf Kug nach § 120 Abs 2 Nr 2 AVAVG nur solche Arbeitnehmer hatten, die einen Arbeitsausfall von mehr als einem Sechstel der betriebsüblichen Arbeitszeit erlitten hatten, gewährleistete § 117 Abs 2 AVAVG, daß Kug nur gewährt werden konnte, wenn weiterhin ein erheblicher Anteil an qualifiziert vom Arbeitsausfall betroffenen Arbeitnehmern vorhanden war.

Das AFG hat in § 64 Abs 1 Nr 3 die betrieblichen Voraussetzungen gemildert. Die Entstehungsgeschichte gibt jedoch keinen Hinweis dafür, daß die betrieblichen Mindesterfordernisse im Sinne der Auffassung des LSG weiter erleichtert werden sollten. Angesichts der geschichtlichen Entwicklung und der Entstehungsgeschichte des § 64 AFG verbieten sich daher Erwägungen, weitere Erleichterungen seien ohne Gesetzesänderung erforderlich, um nicht die Zielsetzung des Kug zu beeinträchtigen. Für solche Erwägungen besteht auch deshalb kein Anlaß, weil es weitgehend in der Hand der Betriebe liegt, wie sie die vorhandene Arbeit auf die Arbeitnehmer verteilen; die Betriebe können daher bei einem bedeutenderen Arbeitsausfall in der Regel dafür sorgen, daß die Mindesterfordernisse des § 64 Abs 1 Nr 3 AFG eingehalten werden.

Da den Ausführungen des LSG zu entnehmen ist, daß im Oktober 1975 nicht für sechs Arbeitnehmer der Betriebsabteilung persönlich mehr als 10 vH ihrer Arbeitszeit ausgefallen ist, sind auf die Revision der Beklagten die ergangenen Urteile aufzuheben; die Klage ist abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Breith. 1981, 905

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