Leitsatz (amtlich)

Das Mutterschaftsgeld ist arbeitslosen Frauen in gleicher Höhe zu gewähren wie Krankengeld.

 

Leitsatz (redaktionell)

Berechnung des Mutterschaftsgeldes für Frauen, die nach AFG § 155 versicherungspflichtig sind:

1. Bezieherinnen von Alg, Alhi oder Unterhaltsgeld ist von Beginn der Schutzfrist an Mutterschaftsgeld in der gleichen Höhe zu gewähren, wie ihnen Krankengeld im Falle der AU zustünde (AFG § 158 Abs 1 und 2). Nur diese Auslegung des RVO § 200a S 1 trägt den Grundsätzen des RVO § 182 zur Höhe des Krankengeldes Rechnung.

2. Eine unmittelbare Anwendung des RVO § 182 Abs 6 scheidet aus, da diese Vorschrift eine spezielle Regelung für Versicherte enthält, die nicht Arbeitnehmer sind. Der Bezug von Alhi setzt jedoch zwingend die Arbeitnehmereigenschaft voraus.

3. Nach der Legaldefinition des AFG § 101 ist arbeitslos ein Arbeitnehmer, der vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht.

 

Normenkette

RVO § 182 Abs. 6 Fassung: 1974-08-07, § 200a S. 1 Fassung: 1967-12-21; AFG § 158 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1969-06-25, Abs. 2 Fassung: 1969-06-25, § 157 Abs. 2 Fassung: 1972-05-19, § 101 Fassung: 1969-06-25

 

Verfahrensgang

SG Detmold (Entscheidung vom 03.02.1977; Aktenzeichen S 10 Kr 114/75)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 3. Februar 1977 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Mutterschaftsgeldes.

Die Klägerin bezog seit dem 27. März 1975 vom Arbeitsamt (ArbA) ... Arbeitslosenhilfe (Alhi) in Höhe von wöchentlich 132,78 DM. Aufgrund dieses Leistungsbezugs war sie bei der beklagten Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) pflichtversichert.

Vom 13. August 1975 an gewährte die Beklagte der Klägerin aufgrund einer Schwangerschaft Mutterschaftsgeld in Höhe der bis dahin bezogenen Alhi. Die Klägerin wandte sich an die Beklagte und forderte, ihr anstelle des bisher gezahlten Mutterschaftsgeldes von 18,97 DM für den Kalendertag ein solches von 35,36 DM zu zahlen. Die Beklagte lehnte den Anspruch ab. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos.

Mit der Klage vor dem Sozialgericht (SG) Detmold hat die Klägerin ihren Anspruch weiterverfolgt. Das SG hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben (Urteil vom 3. Februar 1977) und die Revision gegen das Urteil zugelassen. Es hat die Auffassung vertreten, der in § 200a der Reichsversicherungsordnung (RVO) enthaltene Hinweis auf § 182 RVO führe dazu, das Mutterschaftsgeld nach Absatz 6 dieser Vorschrift zu berechnen, weil die Klägerin als Arbeitslose zu den Personen gehöre, die nicht Arbeitnehmer sind. Ihr Mutterschaftsgeld richte sich deshalb nach § 158 Abs 3 iVm § 157 Abs 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Der Betrag der Alhi sei mit einer Verhältniszahl 2,33 zu multiplizieren, daraus errechne sich ein kalendertäglicher Grundlohn von 44,20 DM, der zu einem Mutterschaftsgeld von 35,36 DM für den Kalendertag führe. Bei dieser Berechnung sei das Mutterschaftsgeld für eine arbeitslose Frau höher als deren Krankengeld, aber es sei gerechtfertigt, eine Arbeitslose im Falle der Schwangerschaft finanziell besser zu stellen als im Falle der Krankheit. In diesem Falle könne sie sich an das Sozialamt wenden, wenn sie mit der Unterstützung des ArbA nicht auskomme, der Schwangeren hingegen solle dieser Weg erspart bleiben. Zwar stehe im Einzelfall die Arbeitslose mit ihrem Mutterschaftsgeld sogar noch besser als wenn sie in einem Beschäftigungsverhältnis stünde, weil dann das Mutterschaftsgeld durch den Nettoarbeitsverdienst begrenzt würde, während bei der Arbeitslosen infolge des Fehlens einer solchen Begrenzung der entsprechende Betrag überschritten werden könne. Dieses Ergebnis sei jedoch damit zu erklären, daß es bei einer Arbeitslosen nicht möglich sei, an einem Nettolohn anzuknüpfen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten, der die Klägerin zugestimmt hat. Die Beklagte hält § 182 Abs 6 RVO für nicht anwendbar, weil diese Vorschrift nur für Versicherte gelte, die nicht Arbeitnehmer seien. Die Klägerin habe als Arbeitslose die Eigenschaft einer Arbeitnehmerin nicht verloren. Im übrigen verstoße die Entscheidung des SG gegen Sinn und Zweck der Norm. Es bestehe kein Grund dafür, einer schwangeren Frau von Beginn der Schutzfrist an eine höhere Sozialleistung zuzubilligen als sie vorher bezogen habe. Das Mutterschaftsgeld habe gleicherweise wie das Krankengeld Lohnersatzfunktion, die Versicherte solle nach Eintritt des Leistungsfalles im wesentlichen so gestellt bleiben, wie sie zuvor gestanden habe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des SG Detmold vom 3. Februar 1977 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höheres Mutterschaftsgeld.

Nach den mit der Revision nicht gerügten und daher das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des SG bezog die Klägerin seit 27. März 1975 Alhi und seit 13. August 1975 Mutterschaftsgeld wegen der für den 24. September 1975 erwarteten Geburt eines Kindes, die dann allerdings erst am 2. Oktober 1975 stattfand. Die Grundregelung des Mutterschaftsgeldes enthält § 200 RVO, es ist für einen Bezugszeitraum von sechs Wochen vor der Entbindung sowie von acht oder zwölf Wochen nach der Entbindung vorgesehen (§ 200 Abs 3 RVO). Der Versicherungsfall für das Mutterschaftsgeld ist das Einsetzen der Phase der besonderen Schutzbedürftigkeit der werdenden Mutter (BSGE 32, 270, 273), er tritt mit dem Beginn der Schutzfrist nach § 3 Abs 2 des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) ein.

Die Regelung des § 200 RVO gilt für Versicherte, die bei Beginn der Schutzfrist in einem Arbeitsverhältnis stehen oder in Heimarbeit beschäftigt sind oder deren Arbeitsverhältnis während ihrer Schwangerschaft vom Arbeitgeber zulässig aufgelöst worden ist. Die Klägerin erfüllt diese Voraussetzungen nicht, da sie bereits seit dem 27. März 1975 - also lange vor Beginn der Schutzfrist - vom ArbA Alhi bezogen hatte. Der Leistungsbezug führte zur Versicherungspflicht der Klägerin in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 155 Abs 1 AFG) und sicherte ihr einen Anspruch auf Krankengeld im Falle der Arbeitsunfähigkeit (§ 158 Abs 1 AFG).

Versicherte, die die Voraussetzungen des § 200 RVO nicht erfüllen, die jedoch bei Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Krankengeld haben, erhalten nach § 200a RVO Mutterschaftsgeld, wenn sie in der Zeit zwischen dem 10. und dem 4. Monat einschließlich dieser Monate vor der Entbindung mindestens zwölf Wochen versichert waren. Diese Voraussetzungen hatte die Klägerin nach den Feststellungen des SG erfüllt.

Das Mutterschaftsgeld nach § 200a RVO wird nach dem Wortlaut des Gesetzes gewährt "in Höhe des Krankengeldes nach § 182". Das SG schließt daraus, daß die Berechnung der Leistung nach § 182 Abs 6 RVO zu erfolgen habe. Dem vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen. Die Bezugnahme in § 200a Satz 1 RVO betrifft die gesamte Vorschrift des § 182 RVO. Sofern das Gesetz nur einen bestimmten Abschnitt einer Norm für anwendbar erklären will, geschieht das dadurch, daß bei der Bezugnahme dieser Abschnitt genau bezeichnet wird, wie das in § 200a Satz 2 RVO durch die Verweisung auf § 200 Abs 3 geschehen ist. Es besteht kein Grund für die Annahme, daß der Gesetzgeber in § 200a Satz 1 RVO eine andere Gesetzestechnik hätte verwenden wollen als in § 200a Satz 2 RVO. Die Auffassung des SG führt zu einer unzulässigen Verkürzung der Bezugnahme, weil § 182 Abs 6 RVO eine spezielle Regelung beinhaltet, während in der Gesamtvorschrift des § 182 RVO eine Vielzahl von Einzelregelungen enthalten sind.

Die Auffassung des angefochtenen Urteils steht aber nicht nur im Widerspruch mit dem Wortlaut des § 200a RVO, auch der zu beurteilende Sachverhalt läßt sich mit dem Regelungsinhalt des § 182 Abs 6 RVO nicht in Einklang bringen. Das SG hat die Anwendung dieser speziellen Vorschrift damit begründet, daß es die arbeitslose Klägerin zu den Versicherten gerechnet hat, die nicht Arbeitnehmer sind. Diese Auffassung ist rechtsirrig. Die Klägerin bezog Alhi und erfüllte demnach die Voraussetzungen des § 134 Abs 1 Nr 1 AFG, dh sie war arbeitslos, stand der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, hatte sich beim ArbA arbeitslos gemeldet und Alhi beantragt. Nach der Legaldefinition des § 101 AFG ist arbeitslos ein Arbeitnehmer, der vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht. Der Bezug von Alhi setzt mithin zwingend die Arbeitnehmereigenschaft voraus (so auch BSG Urteil vom 22. Juni 1978 - 11 RLw 4/77 -). Da § 182 Abs 6 RVO eine spezielle Regelung für Versicherte enthält, die nicht Arbeitnehmer sind, kann die Vorschrift jedenfalls auf den vorliegenden Sachverhalt nicht unmittelbar angewandt werden.

Scheidet somit eine unmittelbare Anwendung des § 182 Abs 6 RVO aus, so fragt es sich weiter, welcher Sinn der Verweisung in § 200a Satz 1 RVO beizulegen ist. Dabei ist zu beachten, daß durch den Hinweis das Mutterschaftsgeld mit der Höhe des Krankengeldes verbunden wird und demgemäß nur auf jenen Regelungsinhalt des § 182 RVO abgestellt werden kann, der sich mit der Höhe des Krankengeldes befaßt. Das sind außer der bereits erörterten Vorschrift des Absatzes 6 und der für den Fall der Mutterschaft kaum in Betracht kommenden Dynamisierungsregelung des Abs 8 im wesentlichen die Vorschriften der Abs 4, 5 und 9. Diese machen das Krankengeld vom Regellohn abhängig und setzen demgemäß eine im Beschäftigungsverhältnis stehende Versicherte voraus. Bei der Klägerin fehlt diese Voraussetzung und daher können auch diese Vorschriften nicht unmittelbar herangezogen werden. Für die Klägerin ist vielmehr zu beachten, daß sie Leistungen des ArbA bezieht und daß ihr Versicherungsverhältnis durch diese Leistungen geprägt wird. Zusammenfassend ergibt sich, daß die Verweisung des § 200a Satz 1 RVO auf § 182 RVO nicht zu einer unmittelbaren Anwendung von Einzelregelungen jener Vorschrift führen kann, weil die Eigenschaft der Klägerin als Bezieherin von Alhi dem entgegensteht. Bei dieser Rechtslage ist zu prüfen, ob sich aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes Aufschlüsse über die Auslegung des Hinweises in § 200a Satz 1 RVO ergeben.

Diese Vorschrift ist durch das Gesetz zur Verwirklichung der mehrjährigen Finanzplanung des Bundes II. Teil - Finanzänderungsgesetz - FinÄndG - 1967 - vom 21. Dezember 1967 (BGBl I, 1259) mit Wirkung ab 1. Januar 1968 zusammen mit den anderen Vorschriften über die Mutterschaftshilfe (§§ 195-200d) in die RVO eingefügt worden (Art 1 § 1 Nr 6 iVm Art 22 des Gesetzes). Zu gleicher Zeit traten die Vorschriften über Wochenhilfe außer Kraft, die bis dahin für versicherte Frauen im Falle der Mutterschaft Leistungen vorgesehen hatten (§ 195a RVO aF). Der Gesetzgeber hatte zwar schon seit 1960 verschiedene Ansätze zur Neuregelung der krankenversicherungsrechtlichen Leistungen im Falle der Mutterschaft unternommen und hatte auch schon mit dem Gesetz zur Änderung des MuSchG und der RVO vom 24. August 1965 (BGBl I, 912) durch Art 2 Nr 6 den bisherigen Unterabschnitt III "Wochenhilfe" im 2. Abschnitt des 2. Buches der RVO durch einen neuen Unterabschnitt III "Mutterschaftshilfe" ersetzt. Der Gesetzgeber hatte jedoch zugleich durch Art 3 § 4 dieses Gesetzes iVm Art 5 Nr 3 des Haushaltssicherungsgesetzes vom 20. Dezember 1965 (BGBl I, 2065) und mit Art 6 Nr 1 des Finanzplanungsgesetzes vom 23. Dezember 1966 (BGBl I, 697) angeordnet, daß die konzipierte Regelung nicht in Kraft trat. Diese nicht wirksam gewordene Mutterschaftsnovelle 1965 enthielt im § 200b eine Regelung, die mit der jetzt geltenden Vorschrift des § 200a RVO zwar erheblich, jedoch nicht vollkommen übereinstimmt. Erst durch das FinÄndG 1967 wurde der Unterabschnitt III neu gefaßt und in die jetzt geltende Form gebracht.

Die Abweichungen zwischen § 200b der Mutterschaftsnovelle 1965 und § 200a RVO jetziger Fassung betreffen zwei Punkte. Die Mutterschaftsnovelle sah den Anspruch auf Mutterschaftsgeld vor für "andere Versicherte, die bei Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Krankengeld haben" und stimmte insoweit mit der jetzigen Fassung des § 200a RVO überein. Dieser Satz war jedoch noch durch einen Nebensatz ergänzt, in dem eine andere Gruppe berechtigter Personen angesprochen war: "... sowie Arbeitslose, die bei Beginn der Schutzfrist ... Arbeitslosengeld oder Unterstützung aus der Alhi beziehen ...". Dieser ergänzende Nebensatz betraf mithin gerade die Personengruppe, deren Mutterschaftsgeldansprüche im Streit stehen und er ist in § 200a RVO nicht mehr mitaufgenommen worden. Die veröffentlichten Gesetzesmaterialien zum FinÄndG 1967 geben keinen Aufschluß darüber, aus welchem Grund die Änderung (Streichung) vorgenommen worden ist (vgl Entwurf des FinÄndG 1967 - BR-Drucks 481/67 - Art 1 § 1 mit Begründung zu § 1 S 25, 26 übereinstimmend mit BT-Drucks V/2149 Begründung S 25, 26).

Auch in dem schriftlichen Bericht des Haushaltsausschusses (zu Drucks V/2341 S 5) wird zu § 200a RVO keine weitere Begründung gegeben. Aus der Streichung des Nebensatzes ist nach Auffassung des erkennenden Senats zwar nicht zu schließen, daß die Bezieherinnen von Arbeitslosengeld (Alg), Alhi oder Unterhaltsgeld (Uhg) von dem Anspruch auf laufendes Mutterschaftsgeld ausgeschlossen und auf die einmalige Zahlung nach § 200b RVO verwiesen werden sollten. Vielmehr ist davon auszugehen, daß dieser Personengruppe infolge ihrer Ansprüche auf Krankengeld umfassenden Versicherung nach § 158 AFG auch der Anspruch auf ein laufendes Mutterschaftsgeld zusteht.

Die Regelung des § 200b der Mutterschaftsnovelle 1965 differiert noch in einem weiteren Punkt mit der des § 200a RVO. Jene sah die Zahlung eines Mutterschaftsgeldes vor "... in Höhe des Krankengeldes, das nach § 182 zu berechnen ist ...", die jetzt geltende Vorschrift sieht ein Mutterschaftsgeld vor" ... in Höhe des Krankengeldes nach § 182 ...". Die Änderung der Wortfassung läßt erkennen, daß die Novelle 1965 im wesentlichen auf die Berechnungsmethodik des § 182 RVO abstellen wollte; in dem Zusammenhang kann nicht außer Betracht bleiben, daß eben diese Novelle 1965 die Berechnungsmethodik sogar in einem wesentlichen Punkte neu regelte, indem sie einen Absatz 4a dem § 182 RVO hinzufügte (Art 2 Nr 4 des Gesetzes). Wenn in § 200a RVO der spezielle Hinweis auf die Berechnungsmethodik gestrichen worden ist, so läßt sich daraus lediglich schließen, daß nunmehr § 182 seinem Gesamtinhalt nach in Bezug genommen werden soll. Diese Auslegung trägt auch der Tatsache Rechnung, daß seit der Mutterschaftsnovelle 1965 die Berechnungsweise des Krankengeldes völlig verändert worden ist. Hinzu kommt, daß die Leistungen des ArbA 1965 sich nach dem Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) richteten, während sie für den vorliegenden Rechtsstreit aus den Vorschriften des AFG zu entnehmen sind. Diese Gesetzesänderung hat ebenfalls eine andere Berechnungsweise des Grundlohnes im Falle der Arbeitslosigkeit mit sich gebracht (vgl § 109 AVAVG und § 158 Abs 3 AFC).

Die Betrachtung der historischen Entwicklung der Gesetzeslage macht jedenfalls deutlich, daß die Regelung der Mutterschaftsnovelle 1965 nicht geeignet ist, Aufschluß über die streitige Auslegung des § 200a Satz 1 RVO zu geben. Aus diesem Grund hält der Senat auch einen Rückgriff auf den schriftlichen Bericht, den der BT-Ausschuß für Arbeit vor Erlaß jener Novelle abgegeben hat (zu BT-Drucks IV/3652 S 9, zu § 200b), für nicht sachdienlich. Die in der Literatur vertretene Meinung, daraus sei die Berechnung des Mutterschaftsgeldes arbeitsloser Frauen nach dem Grundlohn abzuleiten (so Töns, Mutterschaftsgeld und Mutterschutz, § 200a Anm 2; Specke, Leistungen der Krankenkasse bei Mutterschaft, 1968, S 62; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1.-8. Auflage, Stand 1978, S 418f) läßt einmal die inzwischen eingetretenen gesetzlichen Veränderungen außer Betracht, übersieht zudem, daß auch dieser BT-Ausschuß als Grundsatz darauf hingewiesen hat, daß das Mutterschaftsgeld für nicht in einem Arbeitsverhältnis stehende Frauen in Höhe des Krankengeldes zu gewähren sei (zu BT-Drucks IV/3652, zu § 200b, Begründung zu § 200b Abs 2, Satz 1 S 9) und verkennt schließlich, daß eine unmittelbare Anwendung des § 182 Abs 6 RVO schon am Wortlaut dieser Vorschrift scheitert.

Gibt somit die Entstehungsgeschichte keinen hinreichend sicheren Aufschluß über die Auslegung des § 200a Satz 1 RVO, so kann wie bereits dargelegt, dem Hinweis auf § 182 RVO nur die Bedeutung beigelegt werden, daß der Gesetzgeber die tragenden Grundsätze angewendet wissen wollte, die sich aus § 182 RVO für die Höhe des Krankengeldes generell ableiten lassen.

Entscheidend für die Bemessung des Krankengeldes ist seine Lohnersatzfunktion, weil es dazu bestimmt ist, an die Stelle des wegen der Arbeitsunfähigkeit entgangenen regelmäßigen Entgelts zu treten (§ 182 Abs 4 Satz 1 RVO; vgl BSGE 42, 163, 169). Deshalb wird es bei einem versicherungspflichtig Beschäftigten nach dem Regellohn berechnet, den er vor dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit erzielt hat, denn dieses Ereignis führt einerseits zum Lohnausfall und löst andererseits den Krankengeldanspruch aus (vgl BSGE 45, 11; 45, 126). Bei der Berechnung des Krankengeldes nach dem Grundlohn ist ebenfalls beherrschendes Prinzip, den Unterhaltsersatz nach den Arbeitseinkünften zu bemessen, die vor dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit erzielt worden sind (vgl BSGE 36, 59 ff mit eingehender Darlegung). Auch das Krankengeld für Arbeitslose folgt diesen Grundsätzen. Der Arbeitslose soll im Falle einer Arbeitsunfähigkeit so gestellt werden, wie er ohne die Erkrankung stehen würde (vgl BSGE 22, 74, 75 mit Hinweisen auf die Entstehungsgeschichte der Regelung), zumal die Bezüge vom ArbA gleichfalls einen teilweisen Lohnersatz darstellen (BSGE 22, 74, 76). Durch die Anbindung des Krankengeldes an die vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit erzielten Einkünfte wird gewährleistet, daß dem Versicherten während des Krankengeldbezuges eine wirtschaftliche Basis zur Verfügung steht, die mit der vorherigen vergleichbar ist. Damit wird vermieden, daß die Erkrankung zu einem wesentlichen sozialen Abstieg führen könnte.

Diese Grundsätze müssen auch für das Mutterschaftsgeld gelten. Das folgt schon daraus, daß das Mutterschaftsgeld gleichfalls Lohnersatzfunktion hat (vgl BSG, Urteil vom 9. November 1977 - 3 RK 63/76 - in Breithaupt 1978, 714, 717), wobei der maßgebende Termin für dessen Bemessung der Zeitpunkt ist, zu dem der Wechsel von Beschäftigungsentgelt zur Lohnersatzleistung eintritt: Der Beginn der Schutzfrist. Aus dem Grunde spricht § 200 Abs 2 RVO für den Regelfall des Mutterschaftsgeldes der schwangeren Frau Bezüge in Höhe ihres bisherigen Nettoarbeitsverdienstes zu. Das Mutterschaftsgeld für andere Versicherte mit Krankengeldanspruch ist sowohl bei den nach § 165 Abs 1 Nr 4 RVO versicherten Bezieherinnen von Übergangsgeld als auch bei den nach § 166 RVO und den nach § 176 RVO mit Krankengeld versicherten Frauen nach den Einkünften zu ermitteln, die der Versicherten vor Beginn der Schutzfrist zugeflossen sind und ihrer Krankenversicherung zugrunde gelegen haben. Seine Berechnung führt auf dem Weg über den Grundlohn zu Beträgen in gleicher Höhe wie das Krankengeld. Dieses Ergebnis ist auch sinnvoll, weil Krankengeld und Mutterschaftsgeld im Hinblick auf die Lohnersatzfunktion voll vergleichbar sind.

In diesem Zusammenhang kann nicht außer acht bleiben, daß gerade mit der Schwangerschaft häufig Beschwerden einhergehen, die auch schon vor Beginn der Schutzfrist eine Arbeitsunfähigkeit herbeiführen können. Es wäre nicht zu verstehen, wenn der Schwangeren während dieses Arbeitsausfalles eine wesentlich andere (niedrigere) Sozialleistung zustehen sollte als während des Arbeitsausfalls durch die Schutzfrist.

Aus § 182 RVO ist weiterhin der Grundsatz zu entnehmen, daß das Krankengeld das entgangene Arbeitsentgelt nicht übersteigen soll. Dieses Prinzip folgt aus der Zweckbestimmung des Lohnersatzes und findet seinen Ausdruck in der Begrenzung des Krankengeldes auf das Nettoarbeitsentgelt (§ 182 Abs 4 Satz 1 RVO) und in der Anpassungsbegrenzung (§ 182 Abs 8, 2. Halbs RVO). Dieser Grundsatz muß auch auf das Mutterschaftsgeld Anwendung finden; für § 200 RVO ergibt sich das unmittelbar aus der Berechnungsweise der Leistung, für § 200a RVO aus dem Hinweis auf § 182 RVO.

Wendet man die dargelegten Grundsätze auf die Berechnung des Mutterschaftsgeldes für Frauen an, die nach § 155 AFG versicherungspflichtig sind, so führt das dazu, die Leistung nach § 158 Abs 1 und 2 AFG zu bemessen. Bei dieser Berechnungsweise sind Krankengeld und Mutterschaftsgeld gleich hoch und stimmen überein mit dem Betrag, den die Versicherte als Alg, Alhi oder Uhg erhalten hat. Die schwangere Frau verbleibt demgemäß während der Schutzfrist in der wirtschaftlichen Position, die sie zuvor innehatte. Das bedeutet, daß ihr die gleiche Rechtsstellung eingeräumt wird wie den anderen Versicherten während der Schwangerschaft. Die Rechtsauffassung der Klägerin steht demgegenüber zu den Grundsätzen des § 182 RVO in Widerspruch und führt zu einer Ungleichbehandlung mit der Gruppe der anderen versicherten Frauen, sie bewirkt überdies sogar eine Ungleichbehandlung innerhalb der Bezieherinnen von Alg, Alhi und Uhg.

Die Berechnung des Mutterschaftsgeldes nach dem Grundlohn würde aufgrund der Verhältniszahlen nach § 157 Abs 2 AFG dazu führen, daß das Mutterschaftsgeld weit höher wäre als die bisherigen Bezüge; im Falle der Klägerin würde es nahezu das Doppelte betragen. Ginge mit der Schwangerschaft eine Arbeitsunfähigkeit einher, so erhielte die Versicherte zunächst Krankengeld in gleicher Höhe wie ihre bisherigen Bezüge, von Beginn der Schutzfrist an jedoch eine weit höhere Leistung. Der Senat vermag einen sachlichen Grund dafür nicht zu erkennen. Die Begründung des SG bedarf keiner besonderen Erörterung, zumal sie auch nur auf den Fall der Hilfsbedürftigkeit nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) abstellt; es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, daß die Bezieherinnen von Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit (BA) im Regelfall zugleich hilfsbedürftig nach dem BSHG wären.

Die Berechnung des Mutterschaftsgeldes nach dem Grundlohn könnte weiter dazu führen, daß sogar das Nettoarbeitsentgelt überschritten wird, das der Bemessung der Leistung des ArbA zugrundeliegt. Dieses Ergebnis hat Oberbeckmann mit Berechnungsbeispielen im einzelnen zahlenmäßig nachgewiesen (vgl Wege zur Sozialversicherung 1976, 41). Damit würde ein weiterer Grundsatz des § 182 RVO verletzt. Abgesehen davon hält der Senat den Rückgriff auf den Grundlohn auch deshalb für nicht zulässig, weil sowohl für die Höhe des Krankengeldes als auch des Mutterschaftsgeldes auf das Arbeitsentgelt zurückzugreifen ist, das vor dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bzw vor dem Beginn der Schutzfrist erzielt wurde, um damit die Kontinuität der wirtschaftlichen Position der Versicherten zu gewährleisten. Würde bei der Klägerin das Mutterschaftsgeld nach einem Grundlohn berechnet, so wäre damit auf ein Arbeitsentgelt zurückzugreifen, das vor dem Eintritt der Arbeitslosigkeit gelegen hat und mit dem Beginn der Schutzfrist in keinem zeitlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang steht.

Schließlich würden nach der Rechtsauffassung der Klägerin die Bezieherinnen von Alg, Alhi und Uhg untereinander ungleich behandelt. Für diese drei Leistungen des ArbA sind unterschiedlich hohe Verhältniszahlen festgesetzt, denn die Verordnung zu § 157 AFG in der Fassung der 2. Änderungsverordnung vom 28. Juli 1975 (BGBl I, 2084) bestimmt in § 1 die Verhältniszahl für Alg auf 1,99, für Alhi auf 2,37 und für Uhg auf 1,57. Diese Differenzierung bewirkt, daß eine Zahlung des ArbA zu unterschiedlich hohen Grundlöhnen führt, je nachdem um welche Leistungen es sich handelt. Bei einem Mutterschaftsgeld von 80% des Grundlohnes würde mithin auch dieses unterschiedlich hoch sein. Damit würde sich als Resultat herausstellen, daß arbeitslose schwangere Frauen, die vor Beginn ihrer Schutzfrist gleichhohe Bezüge vom ArbA erhalten haben, nach Beginn der Schutzfrist ein unterschiedlich hohes Mutterschaftsgeld bekommen würden, je nachdem ob ihnen ein Anspruch auf Alg, Alhi oder Uhg zusteht. Der Senat verkennt nicht, daß der Unterschied zwischen diesen drei Leistungen zwar durchaus Bedeutung im Bereich der Arbeitsverwaltung hat, für den Fall der Mutterschaft läßt sich daraus jedoch kein sachlich begründetes Differenzierungsmerkmal gewinnen.

Der Senat übersieht schließlich nicht, daß der Grundlohn als Berechnungsgrundlage für die Beiträge der nach § 155 Abs 1 AFG versicherten Frauen dient (§ 157 Abs 2 AFG). Wenn auch die Krankenversicherung von dem Grundsatz der allgemeinen Ausgewogenheit zwischen Beiträgen und Leistungen beherrscht wird und auch im einzelnen Versicherungsverhältnis Verpflichtungen und Berechtigungen des Versicherten einander korrespondieren (vgl BSGE 43, 86, 89), vermag die Klägerin daraus keine Rechte herzuleiten. Dieses Prinzip kann nur dann Anwendung finden, wenn es um den Zusammenhang von Kassenleistungen und Eigenleistungen des Versicherten geht. Die nach § 155 Abs 1 AFG Versicherten erbringen aber keine Eigenleistungen in diesem Sinne, weil die Beitragslast zur Krankenversicherung voll von der BA getragen wird (§ 157 Abs 1 AFG). Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seiner Entscheidung zu § 200a RVO - 1 BvL 12/73 - Beschluß vom 13. November 1974 (in SozR 7830, Nr 1 zu § 13 MuSchG) darauf hingewiesen, daß die Beiträge "weder durch gegenwärtige noch durch nennenswerte frühere Beitragsleistungen der Versicherten verdient sind" und hat ihnen dementsprechend keine besondere Wirkung beigelegt. Das BVerfG hat zutreffend ausgeführt, daß eine Bezieherin von Alhi sogar niemals eine in der Arbeitslosenversicherung beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt zu haben braucht; es genüge vielmehr schon eine zehnwöchige beitragsfreie Beschäftigung innerhalb der Rahmenfrist von einem Jahr, um Alhi zu erhalten (§ 134 Abs 1 Nr 4 Buchst b Satz 1 AFG). Eine solche kurzfristige Beschäftigung kann mithin zwar zum Bezug von Alhi und auf diesem Weg zum Bezug von Mutterschaftsgeld führen, obwohl damit noch nicht einmal die 12-Wochenfrist des § 200 Abs 1 Satz 2 RVO erreicht wird, die im Regelfall dem Bezug von Mutterschaftsgeld vorausgehen muß.

Zusammenfassend ergibt sich, daß Bezieherinnen von Alhi von Beginn der Schutzfrist an Mutterschaftsgeld in der gleichen Höhe zu gewähren ist, wie ihnen Krankengeld im Falle der Arbeitsunfähigkeit zustünde (§ 158 Abs 1 und 2 AFG). Nur diese Auslegung des § 200a Satz 1 RVO trägt den Grundsätzen des § 182 RVO zur Höhe des Krankengeldes Rechnung. Die Beklagte hat der Klägerin nach den nicht gerügten Feststellungen des SG während der Schutzfrist Mutterschaftsgeld in der Höhe gezahlt, in der sie Krankengeld zu beanspruchen gehabt hätte. Der Anspruch der Klägerin auf Gewährung eines höheren Mutterschaftsgeldes ist somit unbegründet. Auf die Revision der Beklagten war demgemäß das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 71

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