Entscheidungsstichwort (Thema)

Produktive Winterbauförderung. Umlagepflicht. Abbruchbetrieb. Säumniszuschläge. Ermessen

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen, unter denen ein Abbruch- oder Abwrackbetrieb ab November 1980 oder November 1984 keine Umlage für die Produktive Winterbauförderung zu leisten braucht.

 

Orientierungssatz

1. "Dienen" iS des § 1 Abs 2 Nr 27 BauBetrV 1980 idF vom 24.10.1984 setzt voraus, daß die Betriebstätigkeit unmittelbar auf die Gewinnung von Rohmaterialien oder die Wiederaufbereitung von Abbruchmaterialien gerichtet ist. Die bloße Abbruchtätigkeit und der damit notwendig verbundene Anfall von Abbruchmaterialien erfüllt die Voraussetzungen selbst dann nicht, wenn sichergestellt ist, daß die Rohmaterialien in anderen Betrieben gewonnen werden oder die Abbruchmaterialien in diesen anderen Unternehmen wiederaufbereitet werden.

2. Während unter Abbruchmaterialien die ungeordnete Vielzahl weiterverwendbarer und nicht mehr verwendbarer Materialien zu verstehen ist, können als Rohmaterialien nur solche Gegenstände angesehen werden, welche der Wiederverwendung zugeführt werden können.

3. Die Erhebung der Säumniszuschläge steht im pflichtgemäßen Ermessen der Bundesanstalt für Arbeit, wobei ihr nach § 24 Abs 1 SGB 4 ein doppeltes Ermessen dahin eingeräumt ist, ob sie überhaupt Säumniszuschläge erheben will und ob die Höchstgrenze von 2 vH ausgeschöpft werden soll (vgl BSG vom 24.11.1983 - 10 RAr 13/82 = SozR 4100 § 186a Nr 18).

 

Normenkette

AFG § 75 Abs 1 Nr 1, § 75 Abs 1 Nr 3, § 76 Abs 2 S 1, § 76 Abs 2 S 2, § 179 Nr 1, § 186a Abs 1 S 1; BaubetrV 1980 § 1 Abs 2 Nr 27 Fassung: 1980-10-28, § 1 Abs 2 Nr 27 Fassung: 1984-10-24, § 2a Fassung: 1984-10-24; WinterbauUmlV § 3 Abs 2; SGB 4 § 24 Abs 1

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Entscheidung vom 14.10.1986; Aktenzeichen L 08 Al 0206/85)

SG München (Entscheidung vom 24.05.1985; Aktenzeichen S 34 Al 0529/82)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin für den Zeitraum von März 1981 bis Februar 1985 verpflichtet ist, eine Umlage für die Produktive Winterbauförderung zu leisten.

Das Sozialgericht -SG- (Urteil vom 24. Mai 1985) hat dies verneint; das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat dagegen die gegen die Veranlagungsbescheide erhobene Klage abgewiesen (Urteil vom 14. Oktober 1986).

Von der Klägerin wurden in der fraglichen Zeit Abbrucharbeiten sowie Erdaushubarbeiten verrichtet; gelegentlich wurden Fahrzeuge mit firmeneigenem Personal verliehen. Die Abbrucharbeiten nahmen etwa 75 vH der Gesamttätigkeit des nicht in Abteilungen gegliederten Unternehmens ein. Im Durchschnitt beschäftigte die Klägerin acht Arbeitnehmer.

Nachdem die Klägerin ihrer Meldepflicht nicht mehr nachgekommen war und keine Umlage mehr zahlte, erließ die Beklagte am 17. November 1981 einen Bescheid, mit welchem sie für die Monate April bis einschließlich September 1981 eine Umlage von 6.000,-- DM, Säumniszuschläge in Höhe von 120,-- DM und eine Mahngebühr von 30,50 DM verlangte. Das Umlagesoll war wegen der nicht erfolgten Meldungen geschätzt. In dem weiteren Bescheid vom 14. Januar 1982 verlangte die Beklagte für die Zeit vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 1981 weitere Säumniszuschläge in Höhe von 282,70 DM. Den gegen diese Bescheide erhobenen Widerspruch wies die Beklagte am 7. Juni 1982 zurück, weil die Klägerin als Arbeitgeberin des Baugewerbes verpflichtet sei, die Umlage für die Produktive Winterbauförderung zu zahlen. Sie erbringe überwiegend Bauleistungen im Sinne von § 76 Abs 2 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) iVm § 1 Abs 2 Nrn 9, 72 und 38 der Baubetriebe-Verordnung (BaubetrV). Die Auffassung der Klägerin, wonach eine Inanspruchnahme der Leistungen der Produktiven Winterbauförderung wegen der Struktur ihres Unternehmens nicht in Betracht komme, sei nicht zuzustimmen; dies ergebe sich schon daraus, daß ihr bis einschließlich März 1981 Leistungen der Produktiven Winterbauförderung gewährt worden seien. Die Säumniszuschläge hätten erhoben werden müssen, weil die Klägerin ihre Zahlungsverpflichtung weder nach einer Woche noch nach drei Monaten erfüllt habe.

Während des sozialgerichtlichen Verfahrens erteilte die Beklagte ihren Bescheid vom 16. April 1985. Darin verlangt sie von der Klägerin für den Zeitraum von März 1981 bis einschließlich Februar 1985 monatliche Umlagen in Höhe von 1.000,-- DM sowie eine Pauschale für Verwaltungsmehraufwendungen von monatlich 100,-- DM und Säumniszuschläge in Höhe von 2 vH für Umlage und Verwaltungsmehraufwand. Die Gesamtschuld beläuft sich danach einschließlich einer Mahngebühr in Höhe von 100,-- DM auf 53.956,-- DM.

Das SG hat die Bescheide vom 17. November 1981, 14. Januar 1982 sowie den Widerspruchsbescheid vom 7. Juni 1982 und den Bescheid vom 16. April 1985 aufgehoben.

In dem Urteil des LSG ist ausgeführt, der Betrieb der Klägerin erhalte durch ihre Abbrucharbeiten das charakteristische Gepräge. Sie sei daher entgegen der Auffassung des SG in die Produktive Winterbauförderung einbezogen. In Abbruchbetrieben würden witterungsabhängige Arbeiten verrichtet, was letztlich durch die Gewährung von Wintergeld bis einschließlich März 1981 bestätigt werde. Dieser Leistungsbezug stehe im übrigen der Anwendung der Übergangsvorschrift des § 2a BaubetrV 1984 entgegen, so daß die Umlage bis einschließlich Oktober 1984 entsprechend der BaubetrV 1980 zu entrichten sei. Für die daran anschließende Zeit müsse die Klägerin die Umlage zahlen, weil in ihrem Betriebe weder Rohmaterialien gewonnen noch Abbruchmaterialien wiederaufbereitet würden. Sie befasse sich vielmehr überwiegend mit der Beseitigung von Bauwerken. Das LSG hat die Revision zugelassen.

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, das LSG habe feststellen und berücksichtigen müssen, daß die Klägerin das von ihr gewonnene Abbruchmaterial zu 100 vH der Wiederverwertung in anderen Unternehmen zuführe, so daß ihre Tätigkeit der Gewinnung bzw dem Abtransport solchen Materials diene. Beispielsweise zerkleinere sie das Material und verwende es für die Auffüllung von ausgebeutetem Gelände eines Kieswerks; Baugrubenaushub etwa werde an Gartenbaubetriebe und Landschaftsgestalter zur Weiterverwendung verkauft. Sie verwerte also das gewonnene Material gewinnbringend und verbringe es nicht kostenpflichtig auf Müllkippen. Diesen Sachverhalt habe das LSG verfahrenswidrig nicht ausreichend festgestellt und berücksichtigt. Auch rechtlich sei das LSG bei der Anwendung der BaubetrV von 1984 unrichtig verfahren. Nach ihr würden Abbruch- und Abwrackbetriebe, deren überwiegende Tätigkeit der Gewinnung von Rohmaterialien oder der Wiederaufbereitung von Abbruchmaterialien diene, nicht erfaßt. Der Anwendung dieser Vorschrift stehe die mehr zufällige Gewährung von Wintergeld und Schlechtwettergeld bis einschließlich März 1981 nicht entgegen. Im übrigen sei das Abbruchgewerbe als eigenständige Gewerbeart zu betrachten. Es sei seiner Natur nach mit den Mitteln der Produktiven Winterbauförderung nicht förderbar. Abbruchunternehmen arbeiteten witterungsunabhängig und daher ganzjährig. Es müsse daher entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zwischen Abbruchbetrieben und Baubetrieben unterschieden werden. Abbruchunternehmen seien mit Hilfe der Produktiven Winterbauförderung nicht förderbar.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 14. Oktober 1986 sowie den Leistungsbescheid vom 17. November 1981 in Gestalt des Bescheides vom 14. Januar 1982, des Widerspruchsbescheides vom 7. Juni 1982 und des Bescheides vom 16. April 1985 aufzuheben;

hilfsweise, den Rechtsstreits an das Bayerische Landessozialgericht in München zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Nach ihrer Ansicht hat die Klägerin in der interessierenden Zeit weder Rohmaterialien gewonnen noch Abbruchmaterialien wiederaufbereitet, so daß der Baubetrieb der Klägerin umlagepflichtig gewesen sei. Die Übergangsregelung der BaubetrV 1984 sei nicht anwendbar.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist im wesentlichen unbegründet; sie führt im übrigen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils des LSG und zur Zurückweisung der Berufung bzw zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an dieses Gericht. Die von dem LSG getroffenen Tatsachenfeststellungen reichen zur abschließenden Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide nicht aus.

Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, daß nicht nur die ursprünglichen Bescheide vom 17. November 1981 und vom 14. Januar 1982 - beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juni 1982 - Gegenstand des anhängigen Rechtsstreits sind. Vielmehr hatten SG und LSG auch über die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 16. April 1985 zu befinden, welcher während des erstinstanzlichen Verfahrens erteilt wurde. Allerdings kann die Vorschrift des § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hier nur analog angewendet werden, weil der Bescheid vom 16. April 1985 die vorher erteilten Bescheide nur zum Teil abgeändert oder ersetzt hat. Die ursprünglich bei dem SG angefochtenen Entscheidungen betrafen die Umlageforderung der Beklagten für den Zeitraum von April bis einschließlich September 1981 und die bis zum Ende des Jahres 1981 nach Auffassung der Beklagten angefallenen Säumniszuschläge für diese Umlageforderung. Demgegenüber ist in dem während des sozialgerichtlichen Verfahrens erteilten Bescheid vom 16. April 1985 die Umlage auch für andere Zeiträume einschließlich Säumniszuschlägen verlangt worden. Nach der Rechtsprechung des BSG ist jedoch beim Vorhandensein eines Dauerrechtsverhältnisses - wie hier - ein nachgehender Verwaltungsakt auch dann in entsprechender Anwendung des § 96 SGG in ein laufendes Verfahren einbezogen, wenn er sich nicht nur auf den im ersten Bescheid geregelten Streitgegenstand bezieht, sondern das Dauerrechtsverhältnis für einen weiteren Zeitraum regelt (BSG SozR 1500 § 96 Nr 14 mwN). Dies gilt auch, wenn für den weiteren Zeitraum Nebenforderungen - wie hier Säumniszuschläge - verlangt werden (BSG SozR 4100 § 186a Nr 4).

Nichts anderes kann gelten, wenn ein Leistungsträger eine Umlageforderung für einen Monat geltend macht, welcher dem Zeitraum, den die ersten Bescheide betroffen haben, vorausgeht. So liegen die Dinge hier insoweit, als nunmehr -anders als in dem ursprünglichen Bescheid vom 17. November 1981 - Umlagebeiträge auch für den Monat März 1981 verlangt werden.

Nach § 186a Abs 1 Satz 1 AFG erhebt die B.            zur Aufbringung der Mittel für die Produktive Winterbauförderung von den Arbeitgebern des Baugewerbes, in deren Betriebe die ganzjährige Beschäftigung durch Leistungen nach den §§ 77 bis 80 zu fördern ist (§ 76 Abs 2), eine Umlage.

Die Klägerin ist eine Arbeitgeberin des Baugewerbes, da sie als juristische Person auf dem Baumarkt gewerblich Bauleistungen anbietet (§ 75 Abs 1 Nr 1 AFG). Zu den Bauleistungen zählen nämlich nach § 75 Abs 1 Nr 3 AFG ua alle Bauarbeiten, die der Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Die Klägerin muß demnach die Umlage für die Mittel der Produktiven Winterbauförderung mit aufbringen, wenn in solchen Betrieben die ganzjährige Beschäftigung durch Leistungen nach den §§ 77 bis 80 AFG zu fördern ist (§ 186a Abs 1 Satz 1 AFG). Nach § 76 Abs 2 Satz 1 AFG bestimmt der BMA durch Rechtsverordnung, in welchen Zweigen des Baugewerbes die ganzjährige Beschäftigung zu fördern ist. Nach Satz 2 dieser Vorschrift hat er dabei zu berücksichtigen, ob dadurch die Bautätigkeit in der Schlechtwetterzeit voraussichtlich in wirtschafts- oder sozialpolitisch erwünschter Weise belebt werden wird. Abbruch- und Enttrümmerungsbetriebe sind von der BaubetrV für förderungsfähig und förderungswürdig erklärt worden (§ 1 Abs 2 Nr 27 BaubetrV vom 28. Oktober 1980). Für die Aufnahme in die Liste ist nicht erheblich, ob der einzelne umlagepflichtige Arbeitgeber des Baugewerbes sich mit eigenen Mitteln witterungsunabhängig machen kann und dies auch tut, so daß sein Betrieb nicht förderungsfähig ist (BSG SozR 4100 § 186a Nr 16). Wie das LSG bereits zutreffend dargelegt hat, sind nämlich in der BaubetrV entsprechend der Ermächtigung des § 76 Abs 2 AFG nur die förderungsfähigen Zweige des Baugewerbes bestimmt. Demgemäß kommt es für die Beantwortung der Frage, ob bestimmte Betriebe des Baugewerbes förderungsfähig sind, nur darauf an, ob sie zu den vom BMA in der BaubetrV typisierend beschriebenen Gruppen von Baubetrieben gehören, und daß diese grundsätzlich wesentlich gefördert werden können (BSG SozR 4100 § 186a Nr 4). Nach den in dem angefochtenen Urteil enthaltenen Tatsachenfeststellungen des LSG (Seiten 8/9) werden Arbeitnehmer in solchen Betrieben zu einem erheblichen Anteil auf witterungsabhängigen Arbeitsplätzen beschäftigt, so daß ihnen für die geleisteten Arbeitsstunden Wintergeld gewährt werden kann (§ 80 Abs 1 AFG). Diese Feststellungen des LSG hat die Klägerin nicht angefochten, so daß der erkennende Senat von ihnen auszugehen hat (§ 163 SGG). Soweit die Klägerin in ihrer Revision darlegt, daß Abbruchunternehmen ganzjährig arbeiten (Seite 16), widerspricht dies den Feststellungen des LSG nicht. Unternehmen, welche Abbruch- und Enttrümmerungsarbeiten durchführen, sind demnach förderungsfähig.

Im übrigen hat auch das BSG (SozR 4100 § 75 Nr 6) aufgrund der in dem damals angefochtenen Urteil enthaltenen Feststellungen angenommen, daß Abbruchbetriebe zu den förderungsfähigen Unternehmen zu rechnen sind.

Die Klägerin würde deshalb nicht zu den umlagepflichtigen Zweigen des Baugewerbes gehören, wenn auf sie die Übergangsvorschrift des § 2a der BaubetrV in der Fassung vom 24. Oktober 1984 anzuwenden wäre. Das LSG hat dies für die Zeit bis Oktober 1984 mit zutreffenden Gründen verneint. Die Vorschrift sieht die Herausnahme aus der Umlagepflicht für die Zeit bis zum 31. Oktober 1984 ua nur dann vor, wenn ein Betrieb ab November 1980 keine Leistungen nach den §§ 77 bis 80 AFG bezogen hat. Zu diesen Unternehmen rechnet die Klägerin nicht; denn ihr wurden noch in der Zeit ab November 1980 - und zwar bis einschließlich März 1981 - Schlechtwettergeld, Wintergeld und Rentenversicherungsbeitragszuschüsse gezahlt. Die Klägerin meint zu Unrecht, daß sie jedenfalls von dem Zeitpunkt an, in welchem solche Leistungen nicht mehr gewährt wurden, umlagefrei sein müsse. Die genannte Übergangsvorschrift stellt auf den gesamten Zeitraum der unveränderten Geltung der BaubetrV vom 28. Oktober 1980 ab, nämlich auf die Zeit vom 1. November 1980 (§ 4 BaubetrV vom 28. Oktober 1980) bis zum 31. Oktober 1984 (Art 3 der Änderung der BaubetrV vom 24. Oktober 1984). Für diesen Zeitraum sollte erkennbar eine einschränkende Heranziehung bestimmter Abbruch- und Abwrackbetriebe unter den genannten Voraussetzungen herbeigeführt werden, wenn Leistungen der Produktiven Winterbauförderung in dem gesamten Zeitraum nicht bezogen wurden. Es sollte damit praktisch die ab 1. November 1984 geltende einschränkende Regelung des § 1 Abs 2 Nr 27 der BaubetrV für solche Baubetriebe rückwirkend in Kraft gesetzt werden, welche eine Förderung in der gesamten Zeit der Rückwirkung tatsächlich nicht erhalten hatten. Die Klägerin ist schon daher zur Zahlung der Umlagebeträge bis Ende Oktober 1984 verpflichtet.

Die Klägerin ist aber auch für die Zeit der Geltung der veränderten BaubetrV ab 1. November 1984 umlagepflichtig. Das wäre nach § 1 Abs 2 Nr 27 nur dann nicht der Fall, wenn die überwiegende Tätigkeit des Abbruch- und Abwrackbetriebes entweder der Gewinnung von Rohmaterialien oder der Wiederaufbereitung von Abbruchmaterialien diente. Mit dem LSG ist anzunehmen, daß das "Dienen" im Sinne der genannten Vorschrift voraussetzt, daß die Betriebstätigkeit unmittelbar auf die Gewinnung von Rohmaterialien oder die Wiederaufbereitung von Abbruchmaterialien gerichtet ist. Die bloße Abbruchtätigkeit und der damit notwendig verbundene Anfall von Abbruchmaterialien erfüllt - entgegen der Ansicht der Klägerin - die Voraussetzungen selbst dann nicht, wenn sichergestellt ist, daß die Rohmaterialien in anderen Betrieben gewonnen werden oder die Abbruchmaterialien in diesen anderen Unternehmen wiederaufbereitet werden.

Nach den Feststellungen des LSG wird in dem Unternehmen der Klägerin eine Wiederaufbereitung von Abbruchmaterialien nicht durchgeführt. Die Tätigkeit der Klägerin dient auch nicht überwiegend der Gewinnung von Rohmaterialien. Bei der Auslegung des § 1 Abs 2 Nr 27 in der ab November 1984 geltenden Fassung der BaubetrV unterscheidet der Verordnungsgeber zwischen Rohmaterialien und Abbruchmaterialien. Damit hat er klargestellt, daß nicht alle Materialien, welche beim Abbruch von Gebäuden anfallen, auch gleichzeitig als Rohmaterialien anzusehen sind. Der Unterscheidung des Verordnungsgebers zwischen Abbruchmaterialien auf der einen und Rohmaterialien auf der anderen Seite entspricht auch der allgemeine Sprachgebrauch. Während unter Abbruchmaterialien die ungeordnete Vielzahl weiterverwendbarer und nicht mehr verwendbarer Materialien zu verstehen ist, können als Rohmaterialien nur solche Gegenstände angesehen werden, welche der Wiederverwendung zugeführt werden können. Daraus folgt, daß eine Abbruchtätigkeit für sich genommen im allgemeinen noch nicht als Gewinnung von Rohmaterialien angesehen werden kann; denn bei diesen Arbeiten fallen in der Regel wiederverwendbare und nicht mehr brauchbare Materialien unsortiert an. Dies bedeutet weiterhin, daß von einer Gewinnung von Rohmaterialien erst gesprochen werden kann, wenn Wiederverwendbares gewonnen bzw sortiert wird. Solche Tätigkeiten erledigt die Klägerin nach den Feststellungen des LSG nicht. Sie fährt danach vielmehr lediglich das gewonnene Abbruchmaterial ab. Daher ist das LSG zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, daß die Klägerin in der Zeit ab 1. November 1984 nicht überwiegend mit der Gewinnung von Rohmaterialien befaßt war.

Die Revision der Klägerin war daher zurückzuweisen, soweit sie die Umlagepflicht betrifft. Dagegen ist sie im übrigen begründet.

In dem Bescheid vom 16. April 1985 verlangt die Beklagte von der Klägerin eine Pauschale für Verwaltungsmehraufwand in Höhe von 10 vH der Umlage. Dabei handelt es sich um Mehraufwendungen, welche die Beklagte gemäß § 186a Abs 2 Satz 3 AFG iVm § 6 der Winterbauumlage-Verordnung geltend macht. Voraussetzung für den Anspruch auf die fragliche Pauschale ist nach § 186a Abs 2 Satz 3 AFG, daß der betreffende Betrieb seine Umlagebeträge nicht über eine gemeinsame Einrichtung abführt. Da das Urteil des LSG zur Berechtigung der Erhebung des Verwaltungsmehraufwandes weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht Ausführungen enthält, war die Sache insoweit an das LSG zurückzuverweisen. Das gilt aus den gleichen Gründen für die von der Beklagten festgesetzte Mahngebühr.

Dagegen ist der Bescheid der Beklagten vom 16. April 1985 bezüglich der erhobenen Säumniszuschläge rechtswidrig. Dieser Bescheid ist hinsichtlich der Säumniszuschläge auch an die Stelle der vorher erteilten Bescheide vom 17. November 1981 und 14. Januar 1982 getreten, die er insoweit ersetzte. Das Recht, Säumniszuschläge für rückständige Winterbauumlagen zu erheben, ergibt sich aus § 3 Abs 2 Winterbauumlage-Verordnung iVm § 179 Nr 1 AFG und § 24 des Sozialgesetzbuches - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB 4). Nach § 24 Abs 1 SGB 4 kann der Einziehungsberechtigte für Beitragsforderungen, die eine Woche nach Fälligkeit noch nicht erfüllt sind, einen einmaligen Säumniszuschlag bis zur Höhe von 2 vH der rückständigen Beiträge erheben. Nach Abs 2 kann bei längerfristiger Zahlungsverzögerung ein weiterer Zuschlag erhoben werden. Die Erhebung der Säumniszuschläge steht im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten, wobei ihr nach § 24 Abs 1 SGB 4 ein doppeltes Ermessen dahin eingeräumt ist, ob sie überhaupt Säumniszuschläge erheben will und ob die Höchstgrenze von 2 vH ausgeschöpft werden soll (BSG SozR 4100 § 186a Nr 18). Bei Ermessensentscheidungen erstreckt sich die gerichtliche Überprüfung auf das Vorliegen von Ermessensfehlern (§ 54 Abs 2 Satz 2 SGG). Die Beklagte hat in dem Bescheid vom 16. April 1985 wegen der Höhe der Säumniszuschläge lediglich ausgeführt, daß "die vorliegenden Unterlagen (eine) andere Berechnung der Säumniszuschläge nicht" zulassen. Damit fehlt es an der Ausübung des der Beklagten eingeräumten Ermessens insoweit, als sie Erwägungen zu der Frage, ob sie die Säumniszuschläge überhaupt erheben sollte, nicht angestellt hat. Aber auch die Begründung zur Höhe der festgesetzten Säumniszuschläge entspricht nicht den Anforderungen des § 35 Abs 1 Satz 2 SGB 10, denn sie enthält lediglich eine Leerformel und läßt nicht erkennen, daß die Umstände des konkreten Falles berücksichtigt werden (vgl BSG Urteil vom 23. Oktober 1987 - 12 RK 11/86, ZIP 1988, 984). Die Entscheidung in dem angefochtenen Bescheid ist daher in diesem Punkt rechtswidrig. Die Berufung der Beklagten gegen das aufhebende Urteil des SG war wegen dieser Nebenforderung daher zurückzuweisen.

Da über den Gegenstand des Rechtsstreits noch nicht in vollem Umfang entschieden werden konnte, wird das LSG in der noch zu treffenden Entscheidung auch über die gesamten Kosten für das Revisionsverfahren zu entscheiden haben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1664478

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