Entscheidungsstichwort (Thema)

Beitragszuschuß. Aufwendungen für die Krankenversicherung. Beitragslast

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Beitragszuschuß zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung steht Rentenbeziehern, die bei einem Krankenversicherungsunternehmen unter deutscher Aufsicht privat Krankenversicherungsschutz genießen, nur zu, wenn sie selbst zu eigenen Beitragsaufwendungen rechtlich verpflichtet sind.

 

Orientierungssatz

Ein Zuschuß gemäß § 83e AVG (= § 1304e RVO) zu den Kosten Dritter für die privatrechtliche Mitversicherung eines Rentners kann nicht beansprucht werden.

 

Normenkette

AVG § 83e Abs 1 Nr 2 Fassung: 1981-12-01; RVO § 1304e Abs 1 Nr 2 Fassung: 1981-12-01

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 14.05.1987; Aktenzeichen L 16 Kr 131/86)

SG Düsseldorf (Entscheidung vom 13.06.1986; Aktenzeichen S 20 An 256/84)

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung eines Beitragszuschusses zur Krankenversicherung.

Die 1925 geborene Klägerin bezieht von der beklagten Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) seit dem 1. Januar 1984 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU). Ihr Ehemann ist Mitglied der Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten (KVB). Die Klägerin ist dort mitversicherte Angehörige. Ferner hatte ihr Ehemann Ende 1982 einen Versicherungsvertrag mit der Allgemeinen Privaten Krankenversicherungs-AG für den öffentlichen Dienst (APK) als Restkostenversicherung für die durch die KVB nicht abgedeckten Krankheitskosten geschlossen. Die dafür zu entrichtende monatliche Versicherungsprämie von 115,20 DM setzt sich aus risikobezogenen Anteilen für den Ehemann der Klägerin in Höhe von 54,60 DM und für die Klägerin in Höhe von 60,60 DM zusammen.

Im April 1984 beantragte sie einen Zuschuß zu den Aufwendungen für ihre private Krankenversicherung nach § 83e Abs 1 Nr 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG). Mit Bescheid vom 17. Mai 1984 lehnte die BfA den Antrag ab, weil die Klägerin keinen eigenen vertragsmäßigen Anspruch gegen das private Krankenversicherungsunternehmen habe. Mit dem Widerspruch legte die Klägerin eine Bescheinigung der APK vom 4. Juni 1984 vor, in der ihrem Ehemann bestätigt wird, für die Klägerin bestehe ein eigener Leistungsanspruch. Durch Widerspruchsbescheid vom 6. September 1984 wies die BfA den Widerspruch zurück, weil ua die Ansprüche aus der Restkostenversicherung indirekt vom Willen des Ehemannes abhängig seien, da sie eine vorherige Inanspruchnahme der KVB voraussetzten.

Das Sozialgericht Düsseldorf (SG) hat die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, einen Zuschuß zu den Beiträgen zur APK zu zahlen (Urteil vom 13. Juni 1986). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (LSG) die Klage in vollem Umfang abgewiesen (Urteil vom 14. Mai 1987). Es hat die Auffassung vertreten, ein Beitragszuschuß dürfe nur gewährt werden, wenn ein eigenes Versicherungsverhältnis mit eigenem Leistungsanspruch gegeben sei. Eine Familienversicherung genüge dem nur, wenn ein Familienmitglied lediglich formell die Stellung als Versicherungsnehmer und Beitragsschuldner übernommen habe, inhaltlich aber eine jederzeit in eigene Verträge auflösbare Zusammenfassung von nach Risiko und Prämie gleichwertigen Versicherungen vorliege. Dies treffe hier nicht zu. Denn die Klägerin sei bei der APK nicht versicherungsfähig, da sie keinen eigenen Anspruch auf Leistungen aus der KVB habe.

Zur Begründung der - vom LSG zugelassenen - Revision trägt die Klägerin vor, es sei zwar richtig, daß die Restkostenversicherung an die Mitgliedschaft in der KVB gekoppelt sei. Auch sei zweifelhaft, ob die Gesamtumstände den Versicherungsvertrag, soweit er sich auf sie beziehe, als Versicherung für fremde Rechnung qualifizieren könnten mit der Folge, daß ihr ein eigener Leistungsanspruch gegenüber der APK zustehe. Es könne aber nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, daß nach der Bescheinigung der APK vom 4. Juni 1984 jedenfalls in der Vertragspraxis ihre Ansprüche von der APK entsprechend § 75 Abs 1 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) behandelt würden. Daß die Ansprüche von der Mitwirkung ihres Ehemannes rechtlich abhängig seien, sei eine Formalie, die dahinter zurücktreten müsse, daß im übrigen alle Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Zuschusses zu den Krankenversicherungskosten erfüllt seien. Dafür spreche auch, daß sie nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) der APK das Vertragsverhältnis fortsetzen könne, wenn die Mitgliedschaft ihres Ehemannes in der KVB ende.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Beklagte entsprechend dem Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13. Juni 1986 zu verurteilen, ihr einen Beitragszuschuß zu der für sie bei der APK abgeschlossenen freiwilligen Krankenversicherung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein- Westfalen vom 14. Mai 1987 zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und meint, die Gewährung eines Beitragszuschusses zu den Aufwendungen für eine private Krankenversicherung eines Rentners setze ein eigenes Versicherungsverhältnis mit einem eigenen Leistungsanspruch voraus.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet.

Nach § 83e Abs 1 Nr 2 Regelung 2 AVG (idF von Art 2 Nr 22 des Haushaltsbegleitgesetzes -HBegleitG- 1984 vom 22. Dezember 1983, BGBl I S 1532, in Kraft getreten am 1. Januar 1983) erhält ein Versicherter, der - wie die Klägerin - eine Rente aus der Rentenversicherung der Angestellten bezieht und nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert ist, zu seiner Rente einen Zuschuß zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung, wenn er bei einem Krankenversicherungsunternehmen, das der deutschen Aufsicht unterliegt, versichert ist.

Zwar genießt die Klägerin bei APK, einem privaten Versicherungsunternehmen unter deutscher Aufsicht, mittels des von ihrem Ehemann dort abgeschlossenen Vertrages über eine Krankheitskosten-Versicherung für KVB-Mitglieder (Restkostenversicherung) Schutz im Blick auf die durch die KVB-Leistungen nicht ausgeglichenen Kosten für ambulante und stationäre Heilbehandlung sowie für zahnärztliche Behandlung nach näherer Maßgabe der AVB der APK. Dennoch hat sie keinen Anspruch auf Beitragszuschuß, weil sie iS von § 83e Abs 1 Nr 2 AVG bei der APK nicht "versichert" ist. Denn sie ist nicht mit "Aufwendungen für die Krankenversicherung" belastet.

Bereits die früheren Bestimmungen über die Gewährung eines Beitragszuschusses an privat versicherte Rentner, nämlich § 381 Abs 4 Satz 1, 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO- idF von Art 1 Nr 25d des Gesetzes über die Krankenversicherung der Rentner vom 12. Juni 1956, BGBl I, S 500, geändert mit Wirkung vom 1. Januar 1968 durch Art 3 § 14 Abs 1 des Finanzänderungsgesetzes 1967 vom 21. Dezember 1967, BGBl I S 1259, und aufgehoben mit Wirkung vom 1. Juli 1977 durch Art 1 § 1 Nr 42 des Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetzes vom 27. Juni 1977, BGBl I S 1069) und § 83e Abs 1 Nr 2 AVG (in der bis zum 31. Dezember 1982 geltenden Fassung durch Art 2 § 2 Nr 25 des 20. Rentenanpassungsgesetzes vom 27. Juni 1977, BGBl I S 1040) hatten den Anspruch auf den Zuschuß davon abhängig gemacht, daß der Rentner "versichert" war. Dazu hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, eine Mitversicherung über einen anderen Versicherungsnehmer, zB im Rahmen einer sogenannten Familienversicherung über den Ehemann, reiche nicht aus. Es müsse zwischen dem Rentenbezieher und dem privaten Krankenversicherungsunternehmen ein gegenseitiges, entgeltliches Versicherungsverhältnis bestehen, in dem der Rentner selbst beitragspflichtiger Versicherungsnehmer mit einem eigenen, nicht von den Dispositionen eines Dritten abhängigen Anspruch auf Versicherungsleistungen ist (BSGE 20, 159 = SozR Nr 5 zu § 381 RVO; BSG USK 6653; BSG SozR Nr 27 zu § 381 RVO; BSG SozR 2200 § 1304e Nr 10; vgl auch BSG SozR 2200 § 173a Nr 1, jeweils mwN). Daran ist auch für das ab 1. Januar 1983 geltende Recht anzuknüpfen.

Nach § 83e Abs 1 AVG ist allen Rentenbeziehern "zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung", dh zu den Krankenversicherungsbeiträgen, die "aus der Rente zu entrichten sind" (§ 83e Abs 3 Satz 1 AVG), ein Zuschuß zu ihrer Rente zu zahlen. Er wird nach § 83e Abs 1 Nr 2 und Abs 2 AVG sowohl den freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung als auch den bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versicherten Rentenbeziehern nach denselben Berechnungsmaßstäben gewährt, die für die in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) pflichtversicherten Rentner gelten. Die Zuschußleistung zielt unmittelbar darauf ab, die - regelmäßig aus der Rente zu bestreitenden - Kosten der Vorsorge für den Krankheitsfall anteilig auszugleichen, dadurch einer übermäßigen Belastung des Renteneinkommens mit Krankenversicherungsbeiträgen gegenzuwirken und Lastengleichheit zwischen den pflicht- und freiwillig versicherten Rentnern herzustellen (vgl schon BSG USK 653, S 207; vgl ferner BT-Drucks 9/458, S 38). Dieser Sinn des Beitragszuschusses entfällt, wenn der Rentner keine "Aufwendungen für die Krankenversicherung" zu tragen hat. Das Gesetz stellt also die privat versicherten Rentner den - pflichtig oder freiwillig - in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten im Blick auf die Belastung mit Krankenversicherungsbeiträgen grundsätzlich gleich (vgl BSG USK 6653, S 207). "Versicherter" in der gesetzlichen Krankenversicherung ist aber - abgesehen von den hier nicht einschlägigen Ausnahmeregelungen der §§ 213, 214, 316 RVO - nur derjenige Rentner, der "aus der Rente" (§ 83e Abs 3 Satz 1 AVG) Beiträge zur Krankenversicherung aufzubringen hat (vgl §§ 381 Abs 2, 180 Abs 5 bis 7, 385 Abs 2 RVO), weil er Mitglied der Krankenkasse ist (vgl §§ 306 Abs 2, 310 Abs 1, 313 Abs 1 RVO) und eigene Ansprüche auf deren Regel- und Mehrleistungen haben kann. Versicherter ist in diesem Versicherungszweig hingegen nicht eine mitversicherte Person (vgl § 205 RVO). Es liegen keine Anhaltspunkte vor, der Gesetzgeber habe für die Gewährung eines Beitragszuschusses an die privat krankenversicherten Rentner geringere Anforderungen genügen lassen wollen (vgl schon BSG SozR Nr 27 zu § 381 RVO). Demnach setzt die Gewährung eines Beitragszuschusses an Privatversicherte voraus, daß der Rentner selbst zu eigenen Beitragsaufwendungen rechtlich verpflichtet ist. Da § 83a Abs 1 AVG Rentenbezieher nur hinsichtlich eigener Aufwendungen begünstigt, kann ein Zuschuß zu den Kosten Dritter für die privatrechtliche Mitversicherung eines Rentners nicht beansprucht werden. Dies gilt auch für die Familienversicherung (zum Begriff und zu den einzelnen Fallgestaltungen, näher Bach in: Bach/Moser, Private Krankenversicherung, MB/KK und MB/KT-Kommentar, 1984, RN 62 bis 68, Teil B, Einleitung, S 44 ff mwN). Eine eigene Prämienschuld der mitversicherten Person gegenüber dem Versicherungsunternehmen wird nämlich selbst dann nicht begründet, wenn diese nicht lediglich als Gefahrsperson, sondern nur mittelbar als "Versicherte" iSd §§ 74 ff VVG durch den Versicherungsvertrag begünstigt wird (§ 328 des Bürgerlichen Gesetzbuches; vgl §§ 1 Abs 2 Satz 1, 35, 35a VVG; Prölss in: Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 21. Aufl 1977, Anm 4 zu § 35 und Anm 3 zu § 75 mwN; im Ergebnis bereits BSG SozR Nr 4 zu § 381 RVO). Besteht -wie im Falle der Klägerin (s.u.) - keine versicherungsvertragliche Prämienschuld gegenüber dem Versicherungsunternehmen, könnte die Gewährung eines Beitragszuschusses allenfalls dann in Betracht zu ziehen sein, wenn der Rentner im Innenverhältnis zum Versicherungsnehmer diesem zum Ersatz der für ihn verauslagten Prämien verpflichtet ist (vgl dazu Prölss, aaO, Anm 1 zu §77). Darüber ist hier aber nicht zu befinden, weil weder die Feststellungen des Berufungsgerichts noch die von ihm in Bezug genommenen Akten noch das Vorbringen der Klägerin Hinweise auf Umstände enthalten, die für das Bestehen einer derartigen Ersatzpflicht sprechen könnten.

Aus dem Zusammenhang der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, an die der Senat mangels zulässiger und begründeter Revisionsgründe gebunden ist (§ 163 SGG), ergibt sich hingegen, daß die Klägerin nicht selbst beitragspflichtige Versicherungsnehmerin bei der APK gewesen ist. Der Versicherungsvertrag ist 1982 zwischen der APK und dem Ehemann geschlossen worden. Nur er war wegen seiner Anspruchsberechtigung in der KVB bei der APK versicherungsfähig. Seine Beitragszahlung als Versicherungsnehmer der APK kam zwar wegen des mitversicherten höheren Gesundheitsrisikos der Klägerin überwiegend ihrem Schutz zugute, diente aber ausschließlich der Erfüllung einer eigenen Verbindlichkeit. Die Klägerin hatte also keine "Aufwendungen für die Krankenversicherung" (§ 83a Abs 1 AVG), welche die Gewährung eines Beitragszuschusses rechtfertigen könnten. Unter diesen Umständen bedarf keiner Klärung, ob ihr aus dem Versicherungsvertrag von den Dispositionen eines Dritten unabhängige Rechte gegen die APK zustehen (§§ 75 ff VVG) und ob der Umfang der Versicherung die Gewährung eines Beitragszuschusses ausschließt (dazu BSG SozR 2200 § 1304e Nr 5).

Nach alledem ist das Urteil des Berufungsgerichts im Ergebnis richtig, so daß die Revision keinen Erfolg hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1663809

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