Leitsatz (amtlich)

Der Kürzung des Zugangsfaktors unterliegen auch Erwerbsminderungsrentner vor Vollendung des 60. Lebensjahres.

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 04.10.2010 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte die Höhe der Erwerbsminderungsrente des Klägers zutreffend berechnet hat und insbesondere ob sie hierbei Rentenabschläge in Abzug bringen durfte.

Der 1954 geborene Kläger bezog mit Bescheid der Beklagten vom 29.06.2000 in der Zeit vom 31.03.2000 bis 31.05.2002 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in Höhe von monatlich 1.328,20 DM, was einem Betrag von 679,10 € entspricht. Eine Weitergewährung der Zeitrente über den Wegfallzeitpunkt hinaus erfolgte nicht. Das sich anschließende und bis April 2007 andauernde Klage- und Berufungsverfahren blieb erfolglos.

Am 18.06.2007 stellte der Kläger bei der Beklagten erneut einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, woraufhin die Beklagte mit Bescheid vom 05.11.2007 dem Kläger eine - zunächst - befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligte: Unter Berücksichtigung von 79 Monaten Zurechnungszeit für die Zeit vom 18.06.2007 bis 12.01.2014 ermittelte die Beklagte eine Summe aller Entgeltpunkte von 30,6334 Punkten. Diese setzte sich aus Entgeltpunkten für Beitragszeiten (22,2359 Punkte), Entgeltpunkten für beitragsfreie Zeiten (7,0638 Punkte), zusätzlichen Entgeltpunkten für beitragsgeminderte Zeiten (2,4126 Punkte) und einem Abschlag aus einem durchgeführten Versorgungsausgleich (1,0789 Punkte) zusammen. Der rentenartbedingte Zugangsfaktor von 1,0 wurde für jeden Kalendermonat nach dem 31.01.2014 bis zum Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres um 0,003 und somit für 36 Kalendermonate um insgesamt 0,108 gemindert. Der sich hieraus ergebende Zugangsfaktor von 0,892 führte nach Multiplikation mit der Summe aller Entgeltpunkte zu einer Anzahl an persönlichen Entgeltpunkten von 27,3250, was bei einem aktuellen Rentenwert von 26,27 € einen Netto-Rentenzahlbetrag von 647,13 € monatlich ergab.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 05.12.2007 Widerspruch ein und machte geltend, dass es nicht nachvollziehbar sei, warum die Erwerbsunfähigkeitsrente jetzt wesentlich niedriger sei als die frühere Rente. Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 06.03.2008 den Widerspruch zurück und führte aus, dass sich die im Vergleich zum Bescheid aus dem Jahr 2000 niedrigeren persönlichen Entgeltpunkte hauptsächlich aus dem gemäß § 77 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) anzuwendenden Zugangsfaktor ergeben würden, der jetzt 0,892 anstatt 1,0 betrage. Auch habe sich durch den Bezug von Arbeitslosengeld II der Durchschnittswert der Beitragszeiten im belegungsfähigen Gesamtzeitraum verändert, sodass auch die Bewertung der beitragsfreien Zeiten nicht mehr in gleicher Weise wie früher vorgenommen worden sei. Der spätere erneute Leistungsfall verschiebe zudem die Anzahl der Zurechnungszeiten und verringere diese von vorher 133 Monaten auf jetzt noch 79 Monate.

Am 02.04.2008 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Bayreuth erhoben und die Gewährung einer höheren Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits ab Antragstellung beantragt. Mit Beschluss vom 27.06.2008 hat das Sozialgericht dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt und wie beantragt eine Rechtsanwältin als Bevollmächtigte beigeordnet. Die Klage wurde damit begründet, dass der von der Beklagten in Ansatz gebrachte Zugangsfaktor von 0,892 statt von 1,0 gesetzwidrig sei. Das Bundessozialgericht habe in einer Entscheidung des 4. Senats vom 16.05.2006 festgestellt, dass Erwerbsminderungsrentner, die bei Rentenbeginn das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten, Rentenabschlägen nur unterliegen würden, wenn sie die Rente über das 60. Lebensjahr hinaus beziehen würden. Der Rentenbezug vor Vollendung des 60. Lebensjahres gelte nicht als Zeit einer vorherigen Inanspruchnahme. Demzufolge sei die Minderung des Zugangsfaktors für Bezugszeiten vor Vollendung des 60. Lebensjahres nicht zulässig. Für die aktuellen Entscheidungen des 5. Senats des BSG vom 14.08.2008 seien noch keine Urteilsgründe bekannt, sodass erst zu einem späteren Zeitpunkt eine Beurteilung vorgenommen werden könne.

In der Folgezeit hat die Beklagte mit Bescheid vom 05.02.2009 eine Weitergewährung der Zeitrente zunächst abgelehnt; in einem sich anschließenden Rechtsstreit haben die Beteiligten aber am 22.09.2010 einen Vergleich geschlossen, wonach beim Kläger am 21.09.2010 ein neuerlicher Leistungsfall der teilweisen Erwerbsminderung, nunmehr auf Dauer eingetreten sei und darüber hinaus Anspruch auf eine arbeitsmarktbedingte Rente wegen voller Erwerbsminderung unter zeitlicher Befristung anerkannt werde.

In einem Erörterungstermin vom 22.09.2010 ist der rechtliche Hintergrund des vorliegenden Streitfalls erörtert worden. Der Kläger h...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Kranken- und Pflegeversicherungs Office. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen